1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

G20: Kampf gegen COVID-19 verstärken

22. November 2020

Die G20 wollen die Wirtschaft nach der Pandemie wiederbeleben. Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung werden empfohlen. Saudi-Arabien kommt als G20-Präsident ohne Kritik davon. Bernd Riegert berichtet.

G20 Gipfel Saudi Arabien | Gruppenfoto digital
Fotomontage vor künstlichen Felsen: Das obligatorische Gruppenfoto kann 2020 nur am Computer erzeugt werdenBild: Präsidentschaft G20 Saudi Arabien Pressestelle

Der Videogipfel der 19 wirtschaftlich wichtigsten Staaten der Erde und der Europäischen Union, ausgerichtet von Saudi-Arabien, fand wegen der Corona-Pandemie ausschließlich im virtuellen Raum statt. Die Staats- und Regierungschefs saßen in ihrem heimischen Büros und sahen nur Videowände, lasen ihre vorbereiteten Stellungnahmen vor oder ließen aufgezeichnete Videoclips abspielen. "Ein wirklicher Austausch, eine Diskussion findet hier nicht statt", beschreibt ein hoher Diplomat, der mit der Vorbereitung des G20-Gipfels betraut war, die Atmosphäre. "Was fehlt, sind vor allem die bilateralen Begegnungen am Rande des Gipfels. Die fallen dieses Jahr natürlich weg", so der Beamte.

Langeweile bei Staatslenkern?

Im letzten Jahr im japanischen Osaka sorgten die Begegnungen von US-Präsident Donald Trump mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping oder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch für Schlagzeilen. In diesem Corona-Jahr zog es Präsident Trump vor, nach 90 Minuten Videokonferenz gelangweilt auf den Golfplatz zu entschwinden. Auch einige andere Staatenlenker sollen nach Angaben aus Delegationskreisen nicht permanent vor der Videokamera gesessen haben. Während der schleppend vorgetragenen Rede des greisen saudischen Königs Salman blätterte der französische Präsident Emmanuel Macron in einem Fotokatalog. Der Chef des Europäischen Rates, Charles Michel, sah Akten durch, genauso wie der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa. Boris Johnson, der müde wirkende britische Premier, stütze seinen schweren Kopf mit einer Hand ab.

"Allerdings sind die großen Plenarrunden bei persönlichen G20-Gipfel auch nicht gerade spannende Unterhaltung. Auch da sitzt man im Kreis und liest Reden vor, in denen man die Ziele der G20 preist", meint der G20-Diplomat.

Image-Pflege in der Wüste: Saudi-Arabien wirbt in Riad mit Filmen zum G20-GipfelBild: Nael Shyoukhi/REUTERS

König Salam und sein agiler Kronprinz Mohammed wollten das Jahr der G20-Präsidentschaft vor allem nutzen, um die absolute, vom Ölexport abhängige Monarchie, als modernen offenen Staat auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell darzustellen. Bis 2030 will Kronprinz Mohammed die Retortenstadt "NEOM" mit neuen digitalen Wirtschaftszweigen aus dem Boden stampfen. Die Imagepflege gelang ohne physische Gäste in Riad nur begrenzt. Im Internet wurde zwar viele Werbefilme gepostet, doch inhaltlich mussten sich die Saudis auf die Pandemiebekämpfung und eine Wiederbelebung der Weltwirtschaft konzentrieren.

Wachstum nach der Pandemie

"Gemessen an früheren Treffen ist dieser Gipfel konkreter. Er ist der Herausforderung durch die Pandemie gerecht geworden", meint der G20-Diplomat. Im Laufe des Jahres seien eine ganze Reihe von konkreten Maßnahmen zur Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit beschlossen worden. Im Abschlussdokument des Gipfels heißt es: "Wir sind entschlossen, weiter alle verfügbaren Werkzeuge zu nutzen, um das Leben, die Arbeitsplätze und die Einkommen der Menschen zu schützen. Wir wollen die Erholung der Weltwirtschaft herbeiführen, das internationale Finanzsystem widerstandsfähig halten, während wir uns gegen Konjunkturrisiken absichern." 

Die G20 wollen sich für eine gerechte Verteilung der möglichen Corona-Impfstoffe einsetzen und mehr Mittel für die Beschaffung der Impfdosen für ärmere Länder aufbringen. Konkrete Zahlen wurden nicht festgelegt, Bundeskanzlerin Angela Merkel warb aber dafür, die bereits eingesammelten Mittel von fünf Milliarden Euro zu verdoppeln, um rund zwei Milliarden Impfdosen finanzieren zu können.

Merkel aus Berlin: G20 sollen mehr Impfdosen kaufenBild: Guido Bergmann/Bundesregierung/dpa/picture alliance

Im kommenden Frühjahr wollen die G20, dann unter italienischem Vorsitz, zusammen mit der Europäischen Union einen "Weltgesundheitsgipfel" veranstalten, um die Pandemiebekämpfung international zu koordinieren. Bis dahin sollte auch der nächste US-Präsident Joe Biden die Corona-Politik seines Landes geändert haben. Biden will zudem den Rückzug der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wieder rückgängig machen. Der scheidende US-Präsident, Donald Trump, sprach sich in seinem Redebeitrag beim Gipfel noch einmal dafür aus, die Amerikaner zuerst zu impfen. Außerdem sprach er nur von amerikanischen Firmen, die Impfstoffe entwickeln, was nicht den Fakten entspricht.

Erleichterung für Schuldner

Einer der wenigen konkreten Beschlüsse des Gipfels unter saudischer Führung galt Entwicklungsländern. Ihnen sollen die Zinsen auf staatliche Kredite weiter gestundet werden, und zwar mindestens bis zum Juli 2021. Hierbei geht es nicht um einen Erlass der Zahlungen, wie es Entwicklungshilfeorganisationen gefordert hatten. Private Kreditgeber werden aufgefordert, sich ähnlich zu verhalten. Verpflichtet werden sie dazu aber nicht. Insgesamt haben 46 Staaten eine Stundung ihrer Zinsen beantragt. Die Gesamtsumme der gestundeten Zinsen liegt in diesem Jahr bei 5,7 Milliarden US-Dollar.

Die Gruppe der 20 einigte sich darauf, die Welthandelsorganisation (WTO) zu reformieren und den Welthandel zu beleben, bestätigte der saudische Finanzminister Mohammed al-Jadaan auf eine entsprechende Frage der DW in der abschließenden Pressekonferenz in Riad. An diesem Punkt seien die USA konzilianter gewesen als noch vor einem Jahr in Osaka, hieß es aus Delegationskreisen. Im letzten Jahr war die Tagung der G20 noch völlig von den vielen Handelskonflikten geprägt, die US-Präsident Trump vom Zaun gebrochen hatte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vor der Sitzung gesagt, Riad biete "eine Chance, die internationale Handelspolitik wiederzubeleben".

Hoffen auf Biden beim Klimaschutz

Beim Klimaschutz, dem zweiten Schwerpunkt der saudi-arabischen Präsidentschaft, hat sich allerdings wenig bewegt. US-Präsident Trump wiederholte in seiner Videobotschaft zum Umweltschutz, das Pariser Abkommen der Vereinten Nationen zur Reduzierung von klimaschädlichen Emissionen sei "völlig unfair" amerikanischen Unternehmen gegenüber gewesen. Deshalb habe er aussteigen müssen.

Die übrigen 19 Mitglieder der G20 bekannten sich in der Abschlusserklärung jedoch erneut ausdrücklich zu den Zielen des Pariser Abkommens. Trumps falsche Behauptung, die USA hätte die größten Schadstoff-Einsparungen aller Nationen in der Welt vorzuweisen, wurde mit Achselzucken zur Kenntnis genommen. "Wir nehmen an, dass eine Biden-Administration dem Klimakammern wieder beitreten wird", sagten hohe Diplomaten dazu. "Dann wird vieles einfacher." Beim Klimaschutz sperrte sich die Türkei bis zuletzt dagegen als hochentwickeltes Land angesehen zu werden, was höhere Klimaziele und weniger Ausgleichszahlungen bedeuten würde.

Menschenrechte kein Thema

Das Thema Menschenrechte stand weder auf der Tagesordnung noch wurde es in der Gipfelrunde angesprochen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte das, trotz Kritik aus dem Europäischen Parlament, von vorneherein ausgeschlossen. Es gehe bei G20 um globale Probleme und Interessen, nicht um die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien.

Kronprinz Mohammed hatte das Thema "Befähigung von Frauen" in den Katalog der behandelten Themen aufgenommen. Eine G20-Arbeitsgruppe soll die Karriere- und Bildungschancen von Frauen in der Wirtschaft weltweit fördern. Angesichts der mangelnden Frauenrechte und inhaftierter kritischer Frauen in Saudi-Arabien wurde dies heftig kritisiert.

Lina Al-Hathloul, die Schwester der inhaftierten Frauenrechtlerin Loujain Al-Hathloul, sagte der Deutschen Welle, sie hätten schon seit Ende Oktober keinen Kontakt mehr. Ihre Schwester befinde sich im Hungerstreik, weil sie nach fast drei Jahren im Gefängnis die Haft nicht mehr ertragen könne. Es sei die moralische Pflicht der G20-Partner Saudi-Arabiens, ihr Schicksal anzusprechen. Loujain Al-Hathloul hatte sich unter anderem dafür eingesetzt, dass Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren dürfen. Dieses Recht hat Kronprinz Mohammed inzwischen gewährt. Die Bestrafung von Frauenrechtlerinnen dauert aber an.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen