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Politik

G7: Friedlicher Protest unter sengender Sonne

24. August 2019

Bevor der G7-Gipfel in Biarritz losging, zogen mehrere Tausend Demonstranten friedlich durch die Straßen von Hendaye - in sicherer Entfernung vom Gipfelort. Bernd Riegert berichtet.

Frankreich Proteste zum G7 Gipfel
Bild: DW/B. Riegert

"Wer ist eigentlich auf die seltsame Idee gekommen, über Mittag bei 30 Grad durch die Stadt zu latschen", fragt eine ältere Spanierin, die sich mit einem Flugblatt Luft zufächelt. Sie hat sich nach der Hälfte des Demonstrationsweges in den Schatten gesetzt. Der Asphalt wurde ihr einfach zu heiß. Natürlich müsse man gegen den "Wahnsinn der G7" demonstrieren, meint sie spöttisch lächelnd, aber das ginge doch auch nach Sonnenuntergang. Sie ist mit einer Schwulen- und Lesbengruppe aus dem Baskenland angereist und tritt für mehr Frauenrechte, gegen soziale Ungerechtigkeit in der Welt und für die Rettung des Regenwaldes ein. Die Polizei schätzt, dass etwa 9000 Menschen durch die Mittagshitze gelaufen sind. Die Veranstalter sprechen von 15.000. Die Sammelplätze waren allerdings nur zur Hälfte gefüllt und der Demonstrationszug nur wenige hundert Meter lang.

Gelbe Weste, schützender Hut: Demonstrant Antoine will Gastgeber Macron loswerdenBild: DW/B. Riegert

Gelbe Westen gegen Macron

"Macron ist ein Heuchler", wettert Antoine aus Hendaye. Er trägt die typische gelbe Verkehrswarnweste der Protestbewegung gegen den liberalen französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der 28 Kilometer die Küste nach Norden hinauf in Biarritz die Staatsgäste empfängt. "Er redet viel von Klimaschutz und tut in Frankreich nichts. Er redet dauert über Ungleichheit in der Welt, dabei kann er sie in Frankreich nicht einmal überwinden." Antoine macht eine abwehrende Handbewegung. Mit Sonnenhut, Sonnenbrille, roter Fahne der Gewerkschaft CGT und einem T-Shirt mit kommunistischen Parolen zieht er seit letztem September gegen Macron mit den gelben Westen durch Frankreich. Den ganzen G7-Gipfel hält er für Geldverschwendung. Nach Angaben des Elysee-Palastes kostet dieser Gipfel in Biarritz "nur" 36 Millionen Euro, erheblich weniger als vergleichbare Veranstaltungen in Japan oder Deutschland.

Ein großer Teil des Geldes geht für die zusätzliche Sicherheit drauf. Einige Dutzende Polizeibeamte verfolgen in schwarzen Uniformen mit stichfesten Westen im Schatten stehend den Demonstrationszug. Sie sind nur einige der ungefähr 13.000 Beamten, die Frankreich rund um den Gipfel im Einsatz haben soll. In Hendaye bleibt es friedlich. Nur ab und zu heult irgendwo eine Polizeisirene auf.

Scharmützel am Rande des Zeltlagers: 17 Menschen wurden am Freitag verhaftetBild: Imago Images/M. Trammer

Autonome gegen alles

Wogegen sie demonstrieren, wollen mir zwei junge Männer mit norddeutschem Zungenschlag nicht sagen. Sie tragen schwarze T-Shirts und gehören zu einer größeren Gruppe, die eine kleine schwarze Fahne mit einem A wie Anarchie bei sich trägt. Nein, sie wollen keine Journalistenfragen beantworten. Sie sind offenbar sehr misstrauisch, weil in der Nacht zuvor in einem Zeltlager, in dem auch der "Schwarze Block" der Autonomen nächtigen soll, die Polizei aufgetaucht ist. Sie nahm 17 Personen fest, nachdem militante Demonstranten Feuerwerkskörper auf die Polizisten abgefeuert hatten. Vier Polizisten wurden dabei leicht verletzt.

Am Sonntag soll näher am Tagungsort in Bayonne demonstriert werden. Dann wollen die Aktivisten Portraits des französischen Präsidenten symbolisch abhängen, die sie zuvor in Amtsstuben in Frankreich gestohlen haben. Im hermetisch abgeriegelten Biarritz selbst sind Demonstrationen und Versammlungen untersagt. Trotzdem gibt es Gerüchte, dass autonome oder gewaltbereite Gruppe in die "rote Zone" in Biarritz vordringen wollen. Die Polizei werde das verhindern und sei auf alles vorbereitet, sagte der französische Innenminister Christophe Castaner bei einem Besuch in Biarritz vor einigen Tagen.

Hitzebeständig: Baskische Nationalisten in traditionellen Fell-Westen bei 30 Grad im SchattenBild: DW/B. Riegert

Schnellgericht wartet auf Kundschaft

Vorbereitet ist auch die Justiz. In Bayonne, in der Nähe von Biarritz, wurde das örtliche Gericht mit zusätzlichen 17 Staatsanwälten und Zellen für 300 Personen ausgestattet. Mögliche gewalttätige Demonstranten sollen sofort in Schnellverfahren abgeurteilt werden. Drei Deutsche, die in ihren Fahrzeugen Ausrüstungsgegenstände des "Schwarzen Blockes" transportiert haben sollen, sitzen bereits in Haft. Die allermeisten Demonstranten wollten friedlich ihre Meinung sagen, aber auf Gewalttäter habe man keinen Einfluss, sagt eine Sprecherin der Menschenrechtsorganisation Oxfam in Hendaye, als der Demonstrationszug sich in sengender Mittagshitze langsam auflöst. "Die sollten lieber an den schönen Strand gehen", sagt die ältere spanische Demonstrantin, der die Hitze zu schaffen macht. Sie zeigt in Richtung Meer, das nur einige hundert Meter entfernt ist und fächelt sich noch ein wenig Luft zu.

Trump, Trudeau, Macron, Merkel, Johnson, Abe: Pappfiguren als Sündenböcke beim ProtestzugBild: DW/B. Riegert

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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