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PolitikItalien

G7: Italien rückt sich ins rechte Licht

15. Juni 2024

Die Vorsitzende der G7, Italiens rechtsnationale Ministerpräsidentin Meloni, zeigt selbstbewusst internationale Führung. Ihr rechtes Image verblasst. Aus Borgo Egnazia Bernd Riegert.

Giorgia Meloni vor blauem Hintergrund mit dem aktuellen Logo des G7-Gipfels schaut an der Kamera vorbei
Italiens Ministerpräsidentin führt eine erfolgreiche rechtsnationale Partei, gibt sich international beim G7-Gipfel als Vorsitzende aber moderatBild: Andrew Medichini/AP Photo/picture alliance

"Der Zeitplan war äußerst flexibel, aber das Essen war außerordentlich gut", umschrieb ein europäischer Diplomat die teilweile spontane Gipfelregie der italienischen Gastgeber im luxuriösen Hoteldorf Borgo Egnazia in Apulien. Verzögerungen im Ablauf, Warten auf Pendelbusse und Fußmärsche zur nächsten Sicherheitskontrolle gehören bei Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefinnen und -chefs aus den USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Italien wohl dazu.

Das Beratungsprogramm der sieben westlichen Spitzen mit zwölf weiteren Gästen aus Ländern wie Indien, Brasilien oder der Türkei, dem UN-Generalsekretär und dem Papst war vollgepackt. Nebenher fanden zahlreiche bilaterale Treffen statt. Jeder wollte mit Joe Biden, dem US-Präsidenten, oder Pontifex Franziskus etwas Wichtiges bereden. Der bilaterale Austausch in entspannter Atmosphäre in Abgeschiedenheit sei das eigentlich Wichtige an den Gipfeltreffen, sagen erfahrene Diplomaten, die nicht namentlich genannt werden wollen.

Die obligatorische Gipfelerklärung, 36 Seiten lang, enthält dagegen nur eine sehr lange Liste von politischen Absichtserklärungen zu jedem erdenklichen Krisenherd und Politikfeld von Klimaschutz über Digitalisierung der Wirtschaft bis hin zu einer stärkeren Besteuerung der Reichen.

Giorgia Melonis persönliches Projekt

Die italienische Gastgeberin Giorgia Meloni hatte den G7-Gipfel in Süditalien zu ihrem persönlichen Projekt gemacht. Sie machte auch keinen Hehl daraus, dass sie zeigen wollte, dass ihre teilweise rechtsextreme Regierung trotz nationalistischer Programmatik zuhause weltoffen sein kann. "Die G7 sind für uns keine Festung, sondern dialogbereit und offen für die Welt", sagte die Chefin der rechtsnationalen Partei "Brüder Italiens".

20 Gäste im "globalen Dorf" Borgo Egnazia: Italiens Premierministerin wollte eine möglichst familiäre Atmosphäre inklusive PapstbesuchBild: Ciro Fusco/ZUMA Press/IMAGO

Sie war die einzige der europäischen Gipfelteilnehmer, die am vergangenen Sonntag einen Wahlsieg für ihre Regierungskoalition bei den Europawahlen einfahren konnte. Entsprechend selbstbewusst trat Giorgia Meloni in Borgo Egnazia auf. "Italien hat die Welt beeindruckt, Italien gibt den Kurs vor", bilanzierte sie nicht gerade bescheiden ihren Gipfel.

Jetzt will sie in der kommenden Woche in Brüssel die Besetzung von Posten in der EU und im Europäischen Parlament entscheidend mitbestimmen. Italien werde auch Europa prägen, hatte die Ministerpräsidentin versprochen, die seit 2022 im Amt ist und den rechtsnationalen europäischen Parteienverbund EKR anführt.

Scholz: Gute Zusammenarbeit

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, ein Sozialdemokrat, der die Europawahl verloren hatte, trennt klar zwischen Staatsgeschäften und Parteipolitik. "Wir arbeiten ja auch im Europäischen Rat zusammen, die europäischen Regierungen müssen alle miteinander kooperieren. Das hat in der Vergangenheit gut funktioniert und das hat sie auch hier gezeigt", sagte Olaf Scholz in einem ARD-Interview in Borgo Egnazia.

Bundeskanzler Scholz: Klares Signal der G7 an RusslandBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

"Jedes Land trifft seine eigenen Entscheidungen über die Frage, wie es regiert werden will. Gleichzeitig gibt es aber Fragen, wo wir eben unterschiedlich sind." Bei Fragen der Demokratie und des Schutzes von Minderheiten stimme er mit Giorgia Meloni nicht überein. Der Bundeskanzler sagte, es müsse möglich sein, dass jeder nach seiner Façon glücklich werde, wie sich das für eine liberale Demokratie gehöre.

Und weiter nach Brüssel

Am Rande des G7-Gipfels führten Giorgia Meloni, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz ein informelles "Bewerbungsgespräch" mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie gehört ebenfalls zur Runde der G7 und will ihre Amtszeit als Kommissionspräsidentin nach der Europawahl um fünf Jahre verlängern. Sie braucht die Nominierung durch die Staats- und Regierungschefs der EU sowie eine absolute Mehrheit im etwas nach rechts gerückten EU-Parlament. 

Da sie auf die Stimmen der rechtsnationalen Fraktion angewiesen sein könnte, hat die Christdemokratin von der Leyen die rechtsnationale Giorgia Meloni als "echte Europäerin" gelobt. Die Italienerin gibt sich in Brüssel auf dem EU-Parkett tatsächlich sehr moderat und steht vor allem auf der Seite der Ukraine. Und sie trägt im Gegensatz zu anderen rechtsnationalen und rechtsextremen Parteipolitikern in Europa den Kurs gegen den Aggressor Russland vehement mit.

Historische Unterschrift der Präsidenten Selenskyj (li.) und Biden: Wird das Abkommen über die US-Wahl hinaus halten?Bild: Alessandro Garofalo/REUTERS

Klare Signale an Ukraine und Russland

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine war das hauptsächliche Thema dieses Gipfels. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj war zu Gast in Italien und erhielt die Zusage für einen 50 Milliarden US-Dollar umfassenden Kredit, der erstmals aus Zinsen von durch EU-Sanktionen eingefrorener russischer Vermögen finanziert werden wird. Wolodymyr Selenskyj nannte diese Zusage historisch. Die G7 richtete an Moskau das Signal, dass Russland nun selbst für die Zerstörung und das Leid zahlen müsse, das es mit seinem Angriff auf die Ukraine anrichte. Die Reaktion aus dem Kreml war entsprechend wütend.

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht die Ukraine nach dem G7-Gipfel gestärkt: "Das ist ein Zeichen an die Ukraine, dass sie sich auf uns verlassen kann und an Putin, dass er nicht damit rechnen kann, dass unsere Unterstützung nachlässt." US-Präsident Joe Biden unterschrieb in Italien ein langfristiges Sicherheitsabkommen mit seinem ukrainischen Kollegen. Waffenlieferungen, der Aufbau einer gemeinsamen Verteidigungsindustrie und Finanzhilfen sollen auch erfolgen, falls der Russland-freundliche Republikaner Donald Trump nach den US-Wahlen ins Weiße Haus zurückkehren sollte. Donald Trump, der schon angekündigt hat, er wolle amerikanisches Geld aus Europa zurückholen, könnte das Abkommen aber kündigen. Es ist kein völkerrechtlich bindender Vertrag.

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EU-Mitgliedschaft rückt näher

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht das Abkommen mit den USA dennoch als nächsten Schritt seines Landes hin zur versprochenen Mitgliedschaft im westlichen Militärbündnis NATO. Die Allianz hat die Aufnahme der Ukraine mehrfach zugesagt, aber wohl erst nach Ende des Krieges mit Russland.

Schneller könnte der Weg in die Europäische Union führen. Die EU einigte sich in der Nacht darauf, mit der Ukraine und dem kleinen Nachbarland Moldau am 25. Juni die konkreten Beitrittsverhandlungen zu beginnen. Wie lange es mit einem Beitritt des großen Agrarlandes Ukraine zur EU dauern wird, ist ungewiss, aber die Ukraine hat erst vor zwei Jahren einen Antrag auf Aufnahme gestellt und befindet sich wegen der Bedrohung aus Russland sicherlich auf einer Art "Überholspur".

Der Gruppe der sieben führenden Industrienationen gelang es bei Gipfelgesprächen mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Ignacio Lula da Silva oder dem indischen Premier Narendra Modi in Italien nicht, deren eher Russland-freundliche Haltung zu ändern. An China, das in Borgo Eganzia nicht vertreten war, richteten die G7 die Forderung, keine waffenfähigen Komponenten mehr an Russland zu liefern und die Finanzierung der russischen Kriegswirtschaft durch chinesische Banken einzustellen. Andernfalls drohten Sanktionen.

China wurde außerdem aufgefordert, seine als unfair angesehenen Subventionen für Exportgüter abzubauen. Die USA haben deshalb bereits Sanktionen verhängt. Von der EU werden sie im Bereich der Elektrofahrzeuge gerade angedroht. Sie sind aber innerhalb der EU noch umstritten.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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