Gabriel Attal wird jüngster Premierminister Frankreichs
9. Januar 2024Frankreich bekommt den jüngsten Premierminister seiner Geschichte: Der 34-jährige Gabriel Attal, bislang Bildungsminister, übernimmt den Posten des Regierungschefs, wie der Élyséepalast in Paris mitteilte. Attal wird damit der erste offen homosexuelle Regierungschef seines Landes. Es wird damit gerechnet, dass er in Kürze das Kabinett neu zusammenstellt.
Erst am Montagabend war die Mitte-Regierung von Élisabeth Borne zurückgetreten. Die Amtszeit der Ministerpräsidentin war von der ungeliebten Rentenreform und dem heftig umstrittenen Einwanderungsgesetz geprägt gewesen. Die Opposition warf ihr den häufigen Einsatz eines Verfassungsartikels vor, der dabei half, lange parlamentarische Debatten zu umgehen.
Präsident Emmanuel Macron will die Regierung nach den jüngsten Schwierigkeiten bei der Verabschiedung des Immigrationsgesetzes neu aufstellen. Bereits im Frühjahr stehen die Europawahlen an, im Sommer richtet Frankreich die Olympischen und Paralympischen Spiele aus.
Junger Senkrechtstarter
Attal ist ein politischer Senkrechtstarter, der den Französinnen und Franzosen als Regierungssprecher bekannt ist. Bisher leitete er das Bildungsministerium. Der 34-Jährige gilt als recht beliebt und hat den Ruf, auch mit Vertretern anderer politischer Lager in der Sache diskutieren zu können. Der Minister hatte sich unter anderem dafür eingesetzt, Schuluniformen zu testen und mit der Abaya lange Gewänder zu verbieten, die unter muslimischen Frauen verbreitet sind. Macron könnte Attal vom Typ her zudem besser liegen als Borne: Attals dynamische Art und seine steile Karriere erinnern Beobachter an den Präsidenten.
Der Premierminister hat in Frankreich eine dem Präsidenten untergeordnete Rolle. Der französische Staatschef hat ähnlich wie der US-Präsident wichtige Befugnisse, manche sprechen von einer "Präsidenten-Monarchie". Der Präsident gibt die großen Linien in der Innen- und Außenpolitik vor, nach denen sich der Premier und die Regierung in aller Regel richten.
Keine Mehrheit mehr im Parlament
Für Macron geht es mit der Ernennung Attals und der damit verbundenen Umbildung des Kabinetts um eine Flucht nach vorne. Seit den Parlamentswahlen 2022 hat sein politisches Lager in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr und ist auf Stimmen der Opposition angewiesen. Beim neuen Immigrationsgesetz machte die Regierung den konservativen Républicains im Dezember so massive Zugeständnisse, dass Abgeordnete aus den eigenen Reihen dagegen votierten und das Lager zu zerbrechen drohte.
Gerade jetzt ist ein Mindestmaß an Stabilität für Macron aber wichtig, denn in den kommenden Monaten kommen große Herausforderungen auf ihn zu. Marine Le Pens Rechtsnationale drohen Macrons Lager bei der Europawahl deutlich zu überholen.
kle/gri (afp, dpa)