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Politik

Gabriels Konfliktansage an Israel

25. April 2017

Eklat im deutsch-israelischen Verhältnis: Israels Premier Benjamin Netanjahu hat dem deutschen Außenminister Sigmar Gabriel einen Korb gegeben - wegen dessen Treffen mit regierungskritischen Gruppen.

Außenminister Gabriel in Israel
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Norbert Röttgen hält die Entscheidung für einen Ausrutscher. "Ein Fehler auf israelischer Seite, der sehr, sehr bedauerlich sei", so der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Unmittelbar zuvor hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu offiziell gemacht, was schon den Tag über als Gerücht die Runde machte: Wegen Sigmar Gabriels Absicht, am Dienstagabend mit Vertretern von regierungskritischen Menschenrechtsgruppen zusammenzukommen, habe er aus Verärgerung das vereinbarte Treffen zwischen ihm und dem deutschen Außenminister gestrichen.

Die israelische Tageszeitung "Haaretz" berichtet hingegen, Netanjahu habe genau darüber mit Gabriel reden wollen, der habe aber den Anruf aus dem Regierungsbüro nicht angenommen. Gabriel selbst nannte die Absage "keine Katastrophe". Das Verhältnis werde weder zwischen ihm und Israel noch zwischen den beiden Staaten Schaden nehmen.

Nicht der erste Vorfall 

Netanjahu rechtfertigte seine Absage. Sein Büro teilte am Dienstagnachmittag mit, der Ministerpräsident treffe sich nicht mit ausländischen Besuchern, die auf diplomatischen Trips in Israel wiederum Gruppen treffen, "die israelische Soldaten als Kriegsverbrecher verleumden". Gabriel traf am Dienstagabend - wie geplant - mit Vertretern von Organisationen wie Breaking the Silence und Betselem zusammen, die Menschenrechtsverletzungen israelischer Soldaten in den besetzten palästinensischen Gebieten dokumentieren und publik machen. 

Noch am Montag keine Spur von Verstimmung: Gabriel auf dem Zionsberg in JerusalemBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Ein ungewöhnlicher Vorfall im traditionell engen deutsch-israelischen Verhältnis, aber einer mit zahlreichen Vorläufern, seit beide Länder 1965 diplomatische Beziehungen aufgenommen haben.

Immer wieder stößt Israels Siedlungspolitik auf Kritik in Berlin. So im Februar, als ein israelisches Gesetz tausende Siedlerwohnungen auf palästinensischem Land rückwirkend legalisierte. Die für Mai verabredeten deutsch-israelischen Konsultationen wurden daraufhin verschoben - aus Termingründen wie es offiziell hieß.

Israel-Kritik nicht mehr hinter vorgehaltener Hand

Es war schon einmal Sigmar Gabriel, der 2012 bei seinem Besuch in Israel - damals noch als SPD-Vorsitzender - die Gastgeber erzürnte, als er die israelische Politik in Hebron auf seiner Facebook-Seite indirekt mit der Apartheid Südafrikas verglich. Nur zwei Jahre später sorgte der jetzige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für Tumulte in der Knesset, als er als Präsident des Europaparlaments den "Boykott" des Gazastreifens kritisierte.

Und auch das Atomabkommen mit dem Iran hat die Beziehungen auf eine Belastungsprobe gestellt. Netanjahu verübelt der Bundesregierung bis heute, den Kompromiss mit dem Iran mit ausgehandelt zu haben, und sieht seitdem die Existenz seines Landes in Gefahr - auch wegen Deutschlands Rolle bei dem Deal. 

Seit langem im Amt und dennoch umstritten: Benjamin Netanjahu beim Holocaust-GedenktagBild: Reuters/A. Cohen

Insbesondere seit Netanjahus Amtsantritt 2009 gestalten sich die Beziehungen beider Länder zunehmend schwieriger. Netanjahus nationalistische Politik missfällt, deutliche Worte blieben aber meistens hinter vorgehaltener Hand und waren deshalb wirkungslos. Lange konnte Netanjahu Deutschland als "aufrechten Partner" hinstellen - zumindest vordergründig. Doch die Siedlungspolitik und die drohende Abkehr von der Zwei-Staaten-Lösung sorgen immer mehr für offene Kritik an der Politik Israels. Längst gilt Netanjahu in Berlin als fremder Freund und die Zeit der historisch bedingten Rücksichtnahme scheint zu Ende zu gehen.   

Kerstin Müller, Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv, hält denn auch den Eklat für einen mit Ansage. Sie begrüße grundsätzlich Gabriels Entschlossenheit, sich mit umstrittenen Nicht-Regierungsorganisationen zu treffen. Das sei, so die ehemalige Spitzen-Grüne, eine "klare Konfliktansage".  

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