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PolitikGabun

Gabun: Ein Putsch der Gerechtigkeit?

Jan D. Walter | Isaac Kaledzi
1. September 2023

Seit 2020 hat es in Afrika acht Staatsstreiche gegeben. Doch während die Juntas in Mali, Sudan, Niger und Burkina Faso scharf kritisiert werden, wirken die Stellungnahmen gegenüber den Militärs in Gabun milder. Warum?

Junge Menschen mit Gabun-Flaggen lachen mit Victory-Zeichen in die Kamera
Jubelszenen nach dem Putsch in Gabun - die Menschen hoffen auf ein Ende der Bongo-Dynastie nach 56 JahrenBild: AFP/Getty Images

"Ich befinde mich 624 Kilometer von Libreville entfernt. Aber wenn ich die Reaktionen um mich herum sehe, sind die Menschen ziemlich glücklich, weil sie endlich frei sind", sagte Samuel Ngoua Ngou kurz nach dem Militärputsch in Gabun. Über viele Jahre war er stellvertretender Kabinettschef des nun gestürzten Präsidenten Ali Bongo. Der Bongo-Clan hatte mehr als ein halbes Jahrhundert über das zentralafrikanische Land geherrscht.

Am Mittwoch stellten Soldaten der Republikanischen Garde den Präsidenten und weitere Mitglieder seiner Familie unter Hausarrest. Die offiziellen Ergebnisse der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vom vorangegangenen Wochenende erklärten die Putschisten für null und nichtig. Den Ergebnissen zufolge war - zum dritten Mal nach 2009 und 2016 und zu niemandes Überraschung - Ali Bongo mit rund zwei Dritteln der Stimmen als Sieger hervorgegangen.

Handeln die Putschisten im Sinne des Volkes?

Nach dem Staatsstreich gab es auf Gabuns Straßen Jubelszenen. "Die Gabuner wollen einfach, dass die Herrschaft dieser Dynastie endet, nachdem sie fünf Jahrzehnte lang die ökonomischen Situation der Menschen nicht verbessert hat", sagte Oluwole Ojewale vom Institute for Security Studies (ISS) in Dakar im Senegal der CNN. "Sie haben das an den Wahlurnen entschieden und wurden betrogen."

Militärputsch in Gabun

02:15

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Das Pro-Kopf-Einkommen von rund 8800 US-Dollar (8150 Euro) ist laut Weltbank das höchste auf dem afrikanischen Festland. Gleichzeitig ist der Wohlstand in 18 afrikanischen Ländern gleichmäßiger verteilt als im erdölreichen Gabun. Etwa ein Drittel der gut 2,3 Millionen Menschen lebt unter der Armutsgrenze. Präsident Bongo indes liegt im CNN-Ranking der reichsten Staatschefs in Afrika nach Daten des "Forbes"-Magazins hinter König Mohammed VI. von Marokko auf Platz zwei - mit einem Vermögen von rund zwei Milliarden US-Dollar.

Die Menschen hätten genug von Korruption und schlechter Regierungsführung, sagt der Politik- und Risiko-Analyst Leonard Mbulle-Nziege. "Die Soldaten bedienen diesen Ärger in der Bevölkerung."

Warum hat das Militär ausgerechnet jetzt interveniert?

Es ist nicht der erste Militärcoup gegen die Herrschaft der Bongo-Familie. Nachdem Ali Bongo im Oktober 2018 einen Schlaganfall erlitten hatte, putschte eine Gruppe Soldaten in dessen Abwesenheit am 7. Januar 2019. Am vorangegangenen Neujahrstag hatte einer von ihnen öffentlich infrage gestellt, ob der Präsident noch fähig sei, die Regierungsgeschäfte zu führen. Der Staatsstreich schlug jedoch fehl und der heute 64-Jährige ging zunächst gestärkt aus der Affäre hervor.

In einer Videobotschaft rief der abgesetzte Ali Bongo die internationale Gemeinschaft um Hilfe anBild: TP advisers on behalf of the President's Office/AP Photo/picture alliance

Wie weit die Einigkeit diesmal reicht, wird sich noch zeigen. Der im Exil lebende gabunische Journalist Jocksy Ondo Louemba vermutet, dass der Präsident den Bogen überspannt haben könnte - nicht nur mit dem mutmaßlichen Wahlbetrug. Bongos Vater Omar habe seine Macht von 1967 bis zu seinem Tod 2009 behauptet, indem er bestimmte Privilegien und Pfründe gegen politische Unterstützung vergab, sagt Louemba: "Ali Bongo dachte, er könnte alles mit Gewalt und Polizei erreichen."

Sind die Militärs Garanten der Demokratie?

Dass eine Mehrheit der Bevölkerung will, dass die Macht der Bongo-Dynastie endet - daran herrscht ebenso wenig Zweifel, wie daran, dass die Wahl zu ihren Gunsten manipuliert war. Zum Beispiel hatte es kurz vor dem Urnengang noch eine Wahlrechtsänderung gegeben. Danach wurde eine Stimme in der Parlamentswahl für einen Abgeordneten automatisch auch als Stimme für den Präsidentschaftskandidaten derselben Partei gewertet.

General Brice Oligui Nguema ist zum Interimspräsidenten ernannt worden. Er ist ein Cousin von Ali BongoBild: AFP/Getty Images

Ob den Putschisten wirklich daran gelegen ist, faire Wahlen abzuhalten und die demokratischen Institutionen zu stärken, steht auf einem anderen Blatt. Zum einen haben Militärcoups in der Geschichte Afrikas selten zu einer Demokratisierung eines Landes geführt. Eine Ausnahme jüngeren Datums ist der Putsch von 2014 in Burkina Faso. Die 2015 und 2020 demokratisch gewählte Regierung wurde jedoch bereits 2022 wieder durch das Militär gestürzt.

Zum anderen sind die engen Bande führender Putschisten zur Familie Bongo nicht zu übersehen. General Brice Oligui Nguema, der nun als Interimspräsident vereidigt werden soll, ist ein Cousin von Ali Bongo und war Aide-de-Camp, also ein offizieller Vertrauter, von dessen Vater.

Ist der Putsch in Gabun nur inszeniert?

Die Afrika-Analystin Maja Bovcon von der britischen Risiko- und Strategieberatung Verisk Maplecroft meint: "Die Frage ist, ob der Coup tatsächlich die Herrschaft der Bongo-Familie beendet hat oder ob wir lediglich Zeuge eines weiteren familieninternen Machtkampfs werden."

In Gabuns Hauptstadt Libreville jubeln Zivilisten nach dem Militärputsch Soldaten zu. Sitzen sie einer Finte auf?Bild: Desirey Minkoh/Afrikimages/IMAGO

Die Opposition wittert gar eine "Palastrevolution", einen Schein-Coup. Die Familie wolle nur ihren Repräsentanten austauschen, um der Bevölkerung vorzumachen, dass es einen Wandel gebe und ihre Macht zu sichern, sagte der unterlegene Präsidentschaftskandidat Albert Ondo Ossa. Im internationalen französischsprachigen Fernsehsender TV5 Monde erklärte er: "Oligui Nguema ist nur ein Handlanger. Hinter ihm steht der Bongo-Clan, der sich an der Macht hält."

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.