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Gaga goes Jazz

Silke Wünsch24. September 2014

Robbie Williams hat's getan, George Michael auch, und jetzt Lady Gaga. Die verrückte bunte Popdiva hat ein Jazz-Swing-Album aufgenommen, zusammen mit Jazzlegende Tony Bennett. Klingt schräg, klappt aber gut.

Album Cheek to Cheek von Tony Bennett und Lady Gaga
Bild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Lady Gaga ist die 28-jährige Popsängerin mit den schrillen Outfits und ein paar Electrodance-Hits. Tony Bennett ist der 88-jährige Sänger und Entertainer, eine Musiklegende, die seit fast 70 Jahren auf der Bühne steht.

Lady Gaga wurde 2008 mit dem Song "Pokerface" auf einen Schlag weltberühmt, war damit und mit "Just dance" Nummer 1 in den USA, in Großbritannien und Deutschland, sie bekam Preise bis hin zum Grammy.

Tony Bennett hat 17 Grammys im Schrank stehen. Für Welthits wie "I Left my Heart in San Francisco", für seine Jazz- und Swingplatten, für seine Zusammenarbeit mit dem Jazzpianisten Bill Evans, und für seine Tribute-Alben an Jazzgrößen wie Billie Holliday, Louis Armstrong oder Duke Ellington. In den 50ern und 60ern hatte er einen Top 40-Hit nach dem anderen, viele davon waren Nummer 1.

Wie konnte das passieren, dass die schräge Hupfdohle mit den 42 Millionen Twitter-Followern und der singende Gentleman mit seinen 50 Millionen verkauften Schallplatten überhaupt zusammen kamen?

Der große EntertainerBild: Getty Images/Keystone Features

Nicht von ungefähr. Immerhin geht Tony Bennett auf die 90 zu und lässt sich gerne von etwas jüngeren Kollegen unterstützen. So gibt es mittlerweile zwei Duett-Platten, die erste nahm er 2006 mit mit Musikern wie Elton John, Stevie Wonder oder Barbra Streisand auf. Auf "Duets 2" von 2011 sang er mit richtig jungen Leuten: Norah Jones, Amy Winehouse und Lady Gaga, von deren Talent Bennett von Anfang an begeistert war.

Von Haus aus Jazz-Sängerin

Dass die Lady mehr kann als in verrückten Klamotten in Videos und auf Bühnen herumzuspringen, wussten waschechte Fans schon immer. Auf Youtube kursieren Videos, in denen Stefani Germanotta, so ihr richtiger Name, am Piano sitzt und sich zu kraftvollen, selbst geschriebenen Pop-Balladen begleitet.

Damit war sie eins von vielen jungen Talenten, die auf New Yorks Bühnen herumtingelten und hofften, eines Tages mal mit der Musik Geld verdienen zu können. Die junge Stefani hat es dann tatsächlich geschafft - indem sie ihre Kunstfigur Lady Gaga kreierte, die schließlich mehr im Vordergrund stand als ihr Gesang.

Die kleine PopgöreBild: picture-alliance/dpa

"Ursprünglich bin ich ja Jazzsängerin. Aber niemand hat das wirklich wahrgenommen. Und dann habe ich mich natürlich sehr gefreut, als Tony mich fragte", erzählt Lady Gaga und klopft bei einem gemeinsamen CBS-Interview ihrem großväterlichen Freund Tony Bennett auf die Schulter. Beide wirken tatsächlich ein bisschen wie Opa und Enkelin, die sich gerne necken, sich lieb haben und sich gegenseitig respektieren.

Beide erzählen fröhlich, wie viele Gemeinsamkeiten sie haben: Die Liebe zur Musik, zur Malerei, zu ihrer Heimatstadt New York und schließlich auch ihre italienischen Wurzeln - beide sind Einwandererkinder, das verbindet.

Symbiose

Lady Gaga hatte nach dem Flop ihres dritten Albums "Artpop" einen Tiefpunkt erreicht. Sie war musikalisch ausgebrannt, hatte eine schwere Trennung und wollte eigentlich gar keine Musik mehr machen. Bis Tony Bennett ihr das Angebot zu einem ganzen Duett-Album machte.

"Niemand hat eine Vorstellung davon, wie glücklich mich diese Musik macht." Tony habe ihr das Leben gerettet, sagt sie dem CBS-Reporter mit feuchten Augen. Und Tony kontert, dass er nicht verstehe, warum sie so lange Popmusik gemacht habe.

Zu seinem 88. Geburtstag hat sie ihm ein Flugzeug mit einem Glückwunsch-Banner geschickt. Das hat ihn gerührt: "Sie hat ein Händchen dafür, wundervolle Dinge geschehen zu lassen."

Und jetzt ist die Platte "Cheek to Cheek" da. Mit elf nicht ganz überraschenden Songs aus der großen Sammlung US-amerikanischer Jazz- und Swing-Standards - dem "Great American Songbook". Es sind Lieder, die schon von allen großen Sängerinnen und Sängern interpretiert worden sind: Frank Sinatra, Ella Fitzgerald, Dean Martin, Sarah Vaughan, die Reihe ist unendlich fortzusetzen.

Die Lady treibt den alten Mann an

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Mit "Anything goes" setzen die beiden zu Beginn gleich die richtige Botschaft ab: Alles geht - und hier könnt ihr es hören. Ordentlich gespielter Bigband-Sound, die immer noch kräftige Stimme von Tony Bennett und obendrauf eine agile, gut gelaunte Lady Gaga, sehr erfrischend ohne den Elektrokram, mit dem die Sängerin so bekannt wurde.

So zieht sich das durch das durchweg gut hörbare Album, alles ist ordentlich arrangiert, instrumentiert und aufgenommen. Manchmal wird es etwas zu süßlich, wenn die beiden zweistimmig im Duett singen, manchmal wünscht man sich, man hätte die Songs für Lady Gaga in einer etwas tieferen Tonart arrangiert. Nicht, dass sie die Höhen nicht schafft. Ein paar tiefere Tonlagen klingen einfach angenehmer. Ihr Gesang jedoch ist glasklar, manchmal bricht sie in den Soul aus, was auch mal ganz gut tut. Toll ist ihr Solo bei Billy Strayhorns "Lush Life" und ihre fröhliche jugendliche Art, mit der sie Bennett hörbar ansteckt und durch die Songs pusht.

Und Tony Bennett selber singt wie eh und je, er muss zwar schonmal etwas zulangen, bis er die kraftvollen Silben wie etwa bei "Anything goes" herausschmettern kann, doch sonst hat der ergraute Crooner nichts von seiner Energie vorloren. Dennoch: wäre diese Platte von ihm allein, hätten nur die treuesten Fans zugegriffen.

Eigentlich ist "Cheek to Cheek" ein Album, das schon Hunderte vor Gaga und Bennett gemacht haben. Doch letztendlich ist es Lady Gaga, die diese Platte rettet. Mit ihrer spürbaren Freude daran, genau diese Musik zu machen.

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