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Kunst

Berliner Gallery Weekend trotzt Corona

Gero Schließ
12. September 2020

Die Pandemie treibt auch den Kunstmarkt in den Krisenmodus. Die Angst vor einem Galeriensterben geht um. Das Gallery Weekend Berlin hält kunstvoll dagegen.

Alexander Kluges "Cats in Space", ausgestellt auf dem Gallery Weekend Berlin
Galerist Johann König öffnet am Gallery Weekend Berlin ihre Türen, zu sehen auch "Cats in Space" von Alexander KlugeBild: König Galerie

"Das ist ein Beben für die Galerien", sagt Hergen Wöbken, dessen Institut für Strategieentwicklung für den Bundesverband Deutscher Galerien (BVDG) kurz vor dem Berliner Gallery Weekend  ganz frische Daten über die Situation der gut 700 deutschen Galerien erhoben hat. Umsatzeinbrüche von mehr als 30 Prozent sagt er für das Jahr 2020 voraus, statt 890 Millionen werden es nur noch 600 Millionen Euro sein.

Berliner Galerien in Schockstarre

Dieses düstere Bild bestätigen Berliner Galeristen. Der Lockdown im März und April habe seine Galerie und die vieler Mitbewerberinnen und Mitbewerber "in Schockstarre" versetzt, sagt Kristian Jarmuschek, der gleichzeitig den BVDG anführt. Über mehrere Monate hinweg, sagt er, habe er so gut wie keinen Umsatz generiert.

Inzwischen aber hellt sich die Gemütslage bei den rund 350 Berliner Galerien wieder etwas auf, glaubt Johann König, einer der großen Berliner Galeristen. Die Stimmung sei "gemischt". Die Talsohle sei "durchschritten", glaubt auch Sven Sappelt von CLB Berlin, einer Mischung aus Ausstellungsraum und kulturwissenschaftlichem Forschungslabor. 

Kooperationen werden wichtiger: Kulturmanager Sven Sappelt mit Architektin Anastasia KucherovaBild: DW/G. Schließ

Dennoch: Das in Berlin oft wiederholte Mantra von der drohenden Abwanderung von Galerien und Künstlern wird seit der Corona-Krise wieder lauter. Solchen Pessimismus hält Anemone Vostell, Kennerin der Berliner Kunst-Community, gleichwohl für übertrieben: "Ich sehe nicht, dass Berlin an Attraktivität nachlässt." Die Produktion zeitgenössischer Kunst gebe es nach wie vor reichlich, auch den Diskurs um sie, für Vostell beides Markenzeichen des Berliner Kulturlebens. "Das kann kein persönlicher Abzug einer Sammlung tot reden", fügt die Kunstexpertin hinzu.

Schrumpfender Kunstmarkt?

Im Mai war bekannt geworden, dass der Sammler Friedrich Christian Flick seine Kunstsammlung aus Berlins Museum für Gegenwartskunst abzieht. Der Sammler und Kunstmäzen Thomas Olbricht schließt seine private Kunsthalle "me Collectors Room" in Berlin-Mitte. Und auch die wohl weltweit wichtigste Sammlung für Medienkunst, die Julia Stoschek Collection, soll die deutsche Hauptstadt nach Medienberichten verlassen.

Mit dabei beim Gallery Weekend 2020: Werke von Raimund Girke in der Galerie KewenigBild: Estate Raimund Girke, Photo: Lepkowski Studios Berlin

Knapp 50 der Berliner Galerien stellen in diesem Jahr während des Gallery Weekends  aus. Neben vielen jungen Künstlern sind auch wieder internationale Stars wie Thomas Schütte, Ólafur Elíasson, Isa Genzken und Andreas Gursky vertreten. Außer in den Galerien ist Kunst auch an spektakulären neuen Orten zu erleben, etwa im Techno-Club Berghain, der zur Kunsthalle auf Zeit umfunktioniert wurde.

Was alle Ausstellungen während des Gallery Weekends vereint: Es gibt kaum Empfänge oder andere Veranstaltungen. Die Öffnungszeiten wurden verlängert, um Publikumsströme zu entzerren. Und natürlich herrscht Maskenpflicht.   

Angst vor Corona bleibt

Eigentlich sollte das Gallery Weekend schon im Mai stattfinden. Aber während Kunstmessen wie die Art Basel oder die ART Cologne ausfielen, entschieden sich die Berliner für eine Verschiebung in den Herbst. Der Grund für diese Hartnäckigkeit liegt auf der Hand: Für den Berliner Kunstmarkt ist das Gallery Weekend beinahe schon überlebensnotwendig - und war es bereits vor Corona. Sammler kamen aus der ganzen Welt und bescherten den Galerien an drei Tagen Umsätze, die sie sonst im ganzen Jahr nicht erreichten. 

"Seven Magic Mountains" von Ugo Rondione - zu sehen in der Galerie Esther SchipperBild: Ugo Rondinone/Esther Schipper, Photo: Gianfranco Gorgoni

Dass nun trotz der Einschränkungen durch Corona in diesem Jahr das mittlerweile 16. Gallery Weekend stattfindet, erfüllt die Macher mit Stolz: "Wir freuen uns, dass wir die Ausstellungen der 48 teilnehmenden Berliner einem größeren Publikum vorstellen können. Das Gallery Weekend ist doch eines der wenigen größeren Kunstereignisse in diesem Herbst", so Maike Cruse, Direktorin des Gallery Weekends, zur Deutschen Welle.

Galerielandschaft im Umbruch

Wie in anderen Lebensbereichen scheint die Corona-Pandemie auch im Kunstmarkt überfällige Veränderungen zu erzwingen. "Die Rolle der Galerien ist in einem wahnsinnigen Umbruch", konstatiert Galerist Johann König. Man könne nur noch mit Innovation und besonderen Anstrengungen erfolgreich sein. König selbst ist mit gutem Beispiel vorangegangen: Als im Frühjahr alle wichtigen Kunstmessen und damit die Haupteinnahmequellen ausfielen, rief er eine eigene kleine Kunstmesse ins Leben, die "Messe St. Agnes" in einer umfunktionierten Kirche im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Künstler, Galeristen und Sammler können hier kostenlos Werke zum Verkauf anbieten. Damit füllt König, wie er glaubt, eine Lücke im Kunstgeschäft, die auch "neue" Kunstinteressierte erreicht.

Berliner Galerist Johann König gründete nach Absage der großen Kunstmessen die "Messe in St. Agnes" in einer Kreuzberger KircheBild: DW/G. Schließ

Einig sind sich alle, dass digitale Vermittlungs- und Verkaufsplattformen allein keine Zukunft haben. Kunst braucht Menschen, braucht Begegnung. Sven Sappelt vom CLB Berlin setzt deshalb - mit Blick auf die Hygienevorschriften - auf kleinere und regionalere Präsentationsformate. Er schwärmt von der neuen Intensität solch intimer Zusammenkünfte und schränkt zugleich ein: "Qualitativ ist das Wahnsinn, ökonomisch aber ein Desaster."

Die entscheidende Frage werde sein, wer im März nächsten Jahres noch da ist, sagt Galerienverbandschef Jarmuschek. Wenn es im Frühjahr keine Option auf Kunstmessen wie die Art Basel oder Aktionen wie das Gallery Weekend gebe, dann sei das mehr eine psychologische als eine wirtschaftliche Katastrophe: "Wenn alles wegbricht, was wir kannten, habe ich keine Idee mehr, wie ich noch eine Galerie betreiben soll."            

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