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Politik

Wahlen im "Klima der Angst"

Adrian Kriesch
29. November 2016

Gambia wählt einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Jammeh ist seit 22 Jahren an der Macht - und will es auch bleiben. Wer ihn kritisiert, muss mit Repressionen rechnen. Adrian Kriesch berichtet aus Gambia.

Elfenbeinküste Präsident Yahya Jammeh in Yamoussoukro
Bild: Getty Images/AFP/I. Sanogo

Plötzlich verstummt der Taxifahrer und schaut mich nervös an. Gerade hatte er sich minutenlang über die Zustände in seiner Heimat Gambia beschwert. Die Wirtschaftslage sei katastrophal. Er könne sich und seine Familie nur mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten - als Taxifahrer und Elektriker. Dann sage ich ihm, dass ich Journalist bin. "Es ist gefährlich, offen mit Leuten zu sprechen, sogar mit meiner eigenen Familie", sagt er nach kurzer Schockstarre. "Wir können hier niemandem trauen".

Verhaftungen, Folter, Entführungen

Die Angst, etwas Falsches zu sagen - als ausländischer Journalist wird man hier in Gambia ständig damit konfrontiert. Interviews werden erst zu- und dann wieder abgesagt. Man habe viel zu tun, heißt es plötzlich. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnt vor einem "Klima der Angst" in dem kleinen westafrikanischen Staat. Seit sich Yahya Jammeh vor 22 Jahren an die Macht putschte, nutze er willkürliche Verhaftungen, Folter und Entführungen, um Journalisten und die Zivilgesellschaft zur Selbstzensur zu zwingen, heißt es in einem Bericht der Organisation.

Hannah ForsterBild: DW/A. Kriesch

"Bestimmte Leute haben uns gesagt, dass sie Angst haben, ihre Meinung zu äußern", sagt auch Hannah Forster vom Afrikanischen Zentrum für Demokratie und Menschenrechtsstudien in Serrekunda, der größten Stadt des Landes. "Sie haben auch Angst, mit den falschen Leuten in Verbindung gebracht zu werden". Direkte Kritik am Präsidenten hört man in Gambia sehr selten.

Seine Exzellenz Sheikh Professor Alhaji Dr. Yahya AJJ Jammeh Babili Mansa, wie der Präsident in Gambia offiziell adressiert wird, sorgt im Ausland immer wieder für Negativ-Schlagzeilen: Homosexuellen droht er eigenhändig die Kehle durchzuschneiden, AIDS könne er heilen, zu kritische Diplomaten werden ausgewiesen, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag will er verlassen. Nach dem Bruch mit vielen westlichen Partnern erklärte Jammeh sein Land im Dezember 2015 zur islamischen Republik. Beobachter vermuten, dass er so in den Golfstaaten neue finanzstarke Freunde finden will. Zeitweise gilt für weibliche Beamte Kopftuchpflicht, die europäischen Sextouristen sind aber weiter gern gesehen.

Neue Stärke im Bund mit islamischen Staaten - hier mit den Staatschefs von Aserbaidschan (links) und IranBild: Reuters/M. Sezer

Drei Jahre Haft wegen einer Demo

Jammeh hat zwar drei Wahlen gewonnen, doch jedes Mal wurde die Opposition vorab eingeschüchtert. Und auch dieses Mal ist die Anspannung im Land deutlich zu spüren. Nach dem Tod eines Oppositionellen in Haft gingen im April und Mai Dutzende Regimekritiker auf die Straße. Weil die Demonstrationen nicht angemeldet waren, bekamen 30 von ihnen jeweils eine dreijährige Haftstrafe.

Anfang November wurden die Nominierungen der Oppositionskandidaten, die am 1. Dezember gegen Jammeh antreten wollen, live im Staatsrundfunk GRTS übertragen. Kurz darauf wurde der Chef des Senders, Momodou Sabally, zunächst entlassen und dann vom Geheimdienst verhaftet - warum, das ist bis heute nicht bekannt. Seitdem sitzt Sabally in Untersuchungshaft. Laut Verfassung müsste er innerhalb von 72 Stunden einem Richter vorgeführt werden, kritisieren die Vereinten Nationen. Seine Familie und Anwälte dürfen ihn nicht besuchen.

Gambier protestieren im April in der Hauptstadt, nachdem eine Führungsfigur der Opposition in Haft verstorben istBild: Getty Images/AFP/Stringer

"Der Präsident macht einen extrem guten Job"

Yankuba Colley organisiert die Wahlkampagne der Regierungspartei APRC. Er hält die Kritik für völlig übertrieben und unberechtigt. "Human Rights Watch hört sich doch nur eine Seite der Geschichte an. Sie glauben, alles was sie sagen, sei richtig - aber das stimmt nicht", sagt der langjährige Vertraute des Präsidenten. Seiner Meinung nach ist die Opposition frei, wird aber nur von weniger als 30 Prozent der Gambier unterstützt. Vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, Bildung und Gesundheit habe der Präsident das Land vorangebracht, sagt Colley im DW-Gespräch.

Yankuba ColleyBild: DW/A. Kriesch

Bei den Millenniums-Entwicklungszielen der Vereinten Nationen hat Gambia in den vergangenen Jahren tatsächlich große Fortschritte gemacht. Die Kindersterblichkeit ist rapide gesunken, die Armutsrate wurde um fast ein Drittel reduziert. Die weibliche Genitalverstümmelung - die drei Viertel aller gambischen Frauen über sich ergehen lassen mussten - wurde verboten. "Der Präsident macht einen extrem guten Job - er hat das Leben der Gambier verändert. Und nach 22 Jahren wissen sie, dass er in Zukunft noch mehr erreichen kann", sagt Colley.

Tausende verlassen Gambia

Wie viele Menschen daran offenbar zweifeln, zeigen die Zahlen derer, die weg wollen aus dem Land: Mehr als 10.000 Gambier sind allein dieses Jahr übers Mittelmeer nach Italien geflohen. Der Immobilienunternehmer Adama Barrow will diesen Trend stoppen. Zum ersten Mal gibt es ein breites Oppositionsbündnis, für das Barrow gegen den Präsidenten antritt. "Wir werden sicherstellen, dass es keine Furcht mehr gibt", sagt Barrow im DW-Interview. "Wir leben im 21. Jahrhundert, so kann es doch nicht weitergehen".

Auch mein Taxifahrer glaubt nicht daran, dass es so weitergehen wird. Selbst wenn Präsident Jammeh wieder gewinnt: Er müsse mehr Freiheit zulassen. "Wir sind doch nicht blöd!", sagt er und zeigt stolz auf sein Smartphone. Mobile Kommunikationsdienste wie WhatsApp und Viber wurden von der Regierung zuletzt immer wieder blockiert. Aber der Taxifahrer und Elektriker hat sich - wie die meisten seiner Landsleute - einfach eine VPN-App heruntergeladen, mit der er die Sperre umgeht. "Wenn du ein Fenster zumachst", sagt er und lächelt, "dann öffnen die Leute eine Tür."

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