Lichtspiele und Techno im Kölner Dom
19. August 2016Rote, blaue, orange und violette Blitze durchzucken das abgedunkelte Kirchenschiff. Lichtkegel spreizen die hoch aufragenden Säulen, Lichttunnel durchmessen den Raum. Für Sekunden bilden sich farbige Sterne unter dem gotischen Kreuzrippengewölbe. Es duftet nach Weihrauch und Orange. Dazu bohren sich rhythmische Klänge ins Ohr, die sich mal auf wummernde Bässe stützen, dann wieder frühchristlichen Chorgesängen nacheifern. Tausende Menschen belagern die Kirchenbänke, recken Handys in die Höhe, um den Moment für die Ewigkeit festzuhalten. So haben sie die Kathedrale noch nicht erlebt, die seit 1996 zum Weltkulturerbe zählt.
Erstaunlich genug, dass das Kölner Domkapitel einem Rat des Bochumer Instituts für Pastoralforschung (ZAP) folgte und das Gotteshaus für ein Laser- und Sound-Kunstprojekt öffnete. Es soll vor allem Jugendliche ansprechen, die zur Spielemesse Gamescom in der Domstadt weilen. Die Gamer sollten erkennen, sagt ZAP-Leiter Matthias Sellmann, dass eine Kirche funktioniere wie ein Server, wie ein Kraftpaket im Ruhemodus. "Wenn Du ihn einschaltest, zeigt er Dir sein ganzes Potenzial", so der katholische Theologe. Hausherr Domprobst Gerd Bachner ist begeistert von dem Experiment: "Es öffnet unsere Kirche für Jugendkultur", sagt der 71-Jährige, "schafft einen neuen Zugang zum sakralen Raum."
Selbstinszenierung? Spektakel? Zweckentfremdung? Unter das Publikum haben sich auch Ältere gemischt. "Beeindruckt und sprachlos", gibt sich eine Besucherin aus Köln. Eine religiöse Saite bringt es in ihr allerdings nicht zum Schwingen: "Dazu fehlt mir die Ruhe hier." Eine andere bewundert das "wunderschöne Farbenspiel", die mystische und besinnliche Atmosphäre: "Da sieht man den Dom mal ganz anders!" Ein junger Mann findet "sehr groß", was er sieht und hört. "Ich fühle nur und denke nicht." Friedlich und ruhig gehe es zu, mit Kirche habe das aber wenig zu tun: "Es geht um Klang und Licht, nicht um Religion." Eine Frau sagt, sie erkenne ihren Dom nicht wieder. "Hat unser Dom das nötig?", beschwert sich eine andere.
Über zwei Jahre hat das international gefeierte Kölner DJ-Duo "Blank & Jones" sein Projekt "silentMOD" vorbereitet, die Musik selbst geschrieben und gemixt. Mit ihrer Batterie aus Plattenspielern, Computern, Mischpulten und Lichtsteuerung haben sich die Künstler im Orgelraum über dem Altar postiert. Ruhe, fast moderate Töne erzeugen sie in dem gotischen Kirchenschiff. Ihr Techno spielt mit diversen Musikstilen, sogar geistliche Choralmusik erklingt. "Halleluja, Halleluja!", ertönt, während drei Industrieroboter vom Altarraum Laserstrahlen in die ehrwürdige Kathedrale schicken. Sie symbolisieren die Suche der Heiligen Drei Könige nach Gott.
Manche Besucher deuten Tanzbewegungen an. Aber es ist keine Techno-Party. Gesprochen wird kaum. Zu benommen sind viele von der mystischen Wirkung des Spektakels. Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki war am Vorabend seines 60. Geburtstags da. "Ich stehe auf Techno", zitiert ihn eine Kölner Boulevardzeitung. Noch im Hinausgehen posten die ersten ihre Handy-Fotos. Ein junges Mädchen fragt noch, passend zur Spielemesse Gamescom: "Waren da auch Pokémon drin?"