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Ganes - die Wasserhexen

22. August 2011

Tief versteckt in den Dolomiten leben seit Urzeiten die Ganes. Das sind magische Bachbewohnerinnen, die den Menschen helfen oder die Verwünschungen aussprechen. In der Neuzeit betören Ganes die Irdischen mit ihrer Musik.

Die drei Musikerinnen der Band Ganes, Maria Moling (l), Marlene Schuen (M) und Elisabeth Schuen (undatiertes Handout). Sie stammen aus dem Südtiroler Dolomitenort La Val und singen in ihrer Muttersprache, dem Ladinischen. Das wird nur noch von rund 30.000 Menschen in den engen Tälern Alta Badias gesprochen. Foto: Blanko Music/Gerald von Foris (zu dpa-KORR: Ganes: "Weltläufiger Pop auf Ladinisch" vom 15.06.2011 - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung)
Band "Ganes", Maria Moling, Marlene Schuen, Elisabeth SchuenBild: picture-alliance/dpa

Im 21. Jahrhundert haben die Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen und ihre Cousine Maria Moling die Wasserhexen der ladinischen Sage abgelöst und sich selbstbewusst nach ihnen benannt. Die drei jungen Frauen sind zusammen im Dorf La Val am Fuße der Kreuzkofelgruppe aufgewachsen, und bei ihren Streifzügen durch die Berge seien sie auch schon mal den echten Ganes begegnet, erzählen sie, obwohl die bekanntlich sehr scheu seien.

Musik gehörte im Dorf ihrer Kindheit zum Leben wie Wasser und Brot oder eben wie "Vernatsch" und "Vintschgerl". Marlenes und Elisabeths Vater dirigierte die Blaskapelle, die Schwestern und Cousine Maria nahmen mit sieben die Geige zur Hand. Später studierten alle drei Musik, Marlene Geige, Maria Jazzschlagzeug und Elisabeth Operngesang.

Raum für Fantasie

 

Die neuzeitlichen Wasserhexen besuchen oft ihre Heimat in SüdtirolBild: Blanko Musik/Barbara Tavella

Obwohl die drei Frauen längst in großen Städten zuhause sind, haben sie die Kultur ihrer Kindheit mit in die Welt hinausgenommen. Ihre Sprache, das Ladinische, ist vom Aussterben bedroht, nur noch 30.000 Menschen verstehen, worüber die drei Wasserhexen denn eigentlich singen. Für alle anderen Ohren klingt der Text rätselhaft, mal melancholisch, mal freudig und immer seltsam anrührend. "Wenn das Publikum die Sprache nicht versteht, dann hat es mehr Raum für Fantasie", sagt Maria Moling, die jüngste des Trios. Und ihre Cousine Marlene Schuen empfiehlt: "Man darf sich nicht davon abschrecken lassen, wenn man den Sinn der einzelnen Worte nicht versteht. Wenn man sich auf die Klänge einlässt, erfasst man automatisch, worum es geht."

Magie mit Popkultur

Das Trio Ganes erblickte eher aus Zufall das Licht der Welt. Österreichs Rockjodler Hubert von Goisern engagierte die Musikerinnen für seine "Leinen los"-Tour,  die große, völkerverbindende Musikreise auf einem Schiffsverband donauabwärts bis zum Schwarzen Meer. So kam es, dass die drei sich auf der langen Fahrt manche Stunde an Bord damit vertrieben, gemeinsam mehr oder weniger schräge Sachen in ihrer Muttersprache zu singen. Das alles klang recht hübsch, und weil auch die mitreisenden Musiker bald interessiert lauschten, wuchs langsam die Idee, ein gemeinsames Projekt zu starten.

"Rai de sorëdl" (Sonnenstrahl) hieß das erste Album, das Ganes 2010 herausbrachte. In einer einfallsreich komponierten 14-Lieder-Sammlung huldigen die drei jungen Ladinerinnen den mythischen Bachbewohnerinnen von einst auf leidenschaftlich soghafte Weise. Presse und Publikum verfielen gleichermaßen dem Hexengesang und den seltsamen Klängen, in denen sich uralte Magie mit moderner Popkultur vermischt.

"Mai Guai"- keine Sorge

Jetzt haben Ganes ihr zweites Album vorgelegt. "Mai Guai" heißt es, das bedeutet so viel wie: "keine Sorge". Und wieder beweisen die drei Frauen, dass sie zaubern können, ganz so wie ihre Namensvetterinnen. Es geht dem Trio nicht um den folkloristischen Selbstzweck, zu sehr sind die Musikerinnen in der modernen Welt verankert. Vielmehr überführen die Arrangements der Lieder den Ganes-Geist mit Ethno-Grooves und Jazz-Elementen aus den Alpentälern in die große weite Welt.

Fleißig bei der ProbeBild: Blanko Musik/Carsten Klick

Wurlitzer-Orgel und Synthesizer sorgen für warmen Klangfarben; in melancholischen Stücken greifen die Schwestern Marlene und Elisabeth Schuen zur Geige, dann wieder intensiviert ein Flügelhorn die Wirkung. Und über allem schweben luftig leicht und doch unverwechselbar die Stimmen der drei Wasserhexen. Mal solo, mal a cappella. Rhythmische Lautmalerei mutiert zum Markenzeichen der Hexen, verführerisch und ergreifend zugleich. Manchmal vermutet man, portugiesischen Weltschmerz auszumachen, dann wieder brasilianische Lebensfreude oder den Clubbeat der Großstadtnacht. Nie wird es eintönig, die Hexen spielen gekonnt mit den musikalischen Emotionen und verzaubern auf ganz ureigene ladinische Weise.

Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Matthias Klaus

CD-Tipp : "Mai Guai"  Capriola | Sony (2011)