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Das ist die Technik der Formel 1-Autos

28. Februar 2017

Am Montag begannen die Testfahrten für die neue Formel 1-Saison. Die Teams haben ihre neuen Boliden präsentiert - und die stecken voller spannender Technik. Aber die Innovationen sind ganz andere als bei Straßenwagen.

SCHWEIZ FORMEL 1 SAUBER FERRARI C36
So sieht der Sauber Ferrari C36 für dieses Jahr ausBild: picture-alliance/Keystone/SAUBER

Ein Formel 1-Lenkrad erinnert viele zuerst an eine Spielekonsole: Es gibt dort unübersichtlich viele Knöpfe, Schalter und Regler. In der Mitte ist ein großes Display - fast wie in einem Tablet-Computer.

Da liegt für den Betrachter der Gedanke nahe, dass auch in der Formel 1 immer mehr Automatisierung Einzug hält - Technik, die wir bereits von der Straße kennen: automatische Unterstützungssysteme für die Fahrer zum Beispiel, also Abstandsmesser, Tempomat, Spurhalte-, Notbrems- und Warnsysteme, etc.

Tatsächlich sind die vielen Knöpfe aber Ausdruck einer ganz anderen Konstruktionsphilosophie: Während der Trend bei Fahrzeugen auf der Straße immer stärker in Richtung automatisiertes oder zumindest teilautomatisiertes Fahren geht, behält der Fahrer in der Formel 1 immer die Kontrolle. Und das ist auch der Grund, weshalb er so viele Knöpfe braucht.

Gemeinsamkeiten zwischen PKW und Boliden

Es gibt einige grundsätzliche Parallelen zwischen Formel 1-Boliden und normalen PKW - zum Beispiel in der Art und Weise wie die Steuersignale aus dem Cockpit zu den Rädern, Bremsen und allen anderen Komponenten kommen.

Heutzutage geschieht das ausschließlich über elektronische Datenverbindungen - sogenannte Bus-Systeme. Dieses Prinzip ist auch bekannt als Drive-by-Wire.

 

Nicht nur vernetzte PKW empfangen und schicken immer mehr Daten von und nach draußen - auch Formel 1-Wagen tun das. Nur hier geht es darum, Informationen über den Zustand des Wagens an die Technik-Teams in der Boxengasse zu übertragen, die damit in Echtzeit über alle Details - wie Motortemperatur, Benzin- und Ölstand, Reifendruck und vieles mehr - informiert sind.

Elektronische Steuerung ist heute die Norm

Drive-by-Wire kam über den Umweg der Formel 1 eigentlich vom Flugzeugbau in die Straßenfahrzeuge. Mit dieser Innovation kam auch die elektronische Gangschaltung (Tip-Tronic) und der Tempomat in den regulären Fahrzeugbau.

Zumindest eine Funktion, die mit dem Tempomaten entfernt vergleichbar wäre, gibt es auch in der Formel 1: Ein Limiter-Knopf. Der sorgt dafür, dass der Rennwagen nicht schneller als 100 km/h fährt. Der Fahrer drückt ihn kurz bevor es in die Boxengasse geht. Dort herrscht nämlich eine streng überwachte Höchstgeschwindigkeit. Wird man als Raser geblitzt, gibt es Punktabzug in der Gesamtwertung - fast wie im richtigen Leben.

Was haben schwere Baumaschinen mit Rennwagen gemeinsam?

Und es gibt noch eine Funktion, die bei Rennwagen sehr wichtig ist, und die auch im Straßenverkehr zu finden ist - aber fast nur bei Lastkraftwagen, Off-Road-Fahrzeugen und Baumaschinen: Die Differentialsperre. Sie regelt, wie die Kraft vom Motor und der zentralen Antriebswelle auf die einzelnen Räder übertragen wird.

Im unwegsamen Gelände ist das wichtig, damit der Fahrer eines Wagens mit Allradantrieb seine Motorkraft gut dosiert auf die vier Räder übertragen kann - ohne dass sie durchrutschen. Fährt er hingegen auf der Straße, schaltet der LKW-Fahrer den Allradantrieb eher aus, weil er so weniger Sprit verbraucht und schneller fahren kann. 

Dieser Williams FW40 fährt ab Montag bei den Testrennen der neuen Formel 1 Saison Bild: picture-alliance/LAT Photographic/WilliamsF1

Formel 1-Wagen haben zwar keinen Allradantrieb, weil es dort aber keine elektronische Anti-Schlupf-Regelung gibt, spielt die Differentialsperre auch hier eine Rolle. Sie soll das Durchdrehen oder Blockieren der Reifen verhindern. Besonders in Kurven ist das wichtig. Ob sie perfekt eingestellt ist, entscheidet unter anderem darüber, wie gut die Haftung der Reifen ist.

Auch soll verhindert werden, dass einzelne Räder abheben. Wie die Ingenieure das erreichen, ist eine Wissenschaft für sich. Selbst die Formel 1-Piloten lassen die Einstellungen vor der Fahrt vornehmen. Und das ist kompliziert: Jede Kurve teilt sich in drei Abschnitte auf von der Einfahrt bis zur Ausfahrt. Für jeden Abschnitt soll das Differentialgetriebe anders reagieren. Daher gibt es am Lenkrad auch verschiedene Regler für die Einstellungen.

Mehr als nur vier Scheibenbremsen

Auch die Bremseinstellung kann die Eigenschaften beim Kurvenfahren verbessern: Über die Stellung des Lenkrades und verschiedene Sensoren erkennt das Fahrzeug, in welcher Kurvensituation es sich gerade befindet. Darauf reagieren die keramischen Scheibenbremsen der Boliden etwas anders. Wenn etwa das Hinterrad im Kurveninneren stärker abbremst als die anderen Räder, kann das Untersteuern in der Kurve vermindert werden. Dafür hat das Lenkrad verschiedene Einstellungen zur Bremsbalance. Diese kann der Fahrer auch ändern, wenn der Wagen im Laufe eines Rennens Sprit verbraucht und deutlich leichter wird. 

Das Kinetische Energie-Rückgewinnungs-System (KERS) ist eine weitere Besonderheit der Formel 1. Beim Bremsen wird Energie elektrisch gespeichert und später - etwa bei einem Überholvorgang - durch einen Boost-Knopf freigesetzt. So kann der Wagen für kurze Zeit noch stärker beschleunigt werden.

Mittlerweile kann auch überflüssige Hitze vom Abgasstrang in Strom umgewandelt und für den Boost genutzt werden. Dann nennt es sich nur noch Energie-Rückgewinnungs-System (ERS). Die Regeln der Formel 1 legen allerdings strenge Grenzen für die Spannung fest, die das KERS freisetzen darf (1000 Volt) und für die Situationen im Rennablauf, in denen die Fahrer den Boost-Knopf drücken dürfen.

Übrigens: Energierückgewinnung dieser Art gibt es auch im Nutzfahrzeugbau: Bei Bussen oder Bahnen, die häufig an Haltestellen bremsen und wieder anfahren müssen. Der Formel 1-Rennstall "Williams" hat unter anderem für solche Anwendungen im Energiebereich eine neue Firma begründet: "Williams Advanced Engineering". 

Verschiedene Programme für wechselnde Verhältnisse

Beim Boxenstopp werden nicht nur die Reifen gewechselt, sondern auch ganz andere Reifen aufgezogen, weil das Reglement es verlangt oder weil es plötzlich anfängt zu regnen. Dafür hat der Formel 1-Pilot einen Umschaltknopf: Andere Reifen, anderes Programm.

Ähnlich ist es mit den Motor-Einstellungen. Hier kann der Fahrer zwischen verschiedenen Programmen wählen, die für unterschiedliche Bedingungen optimiert sind. Vor allem sollen verschiedene Motoreinstellungen helfen, in bestimmten Abschnitten des Rennens Sprit bzw. Gewicht zu sparen. 

Auch kann der Fahrer eine andere Einstellung wählen, falls sich plötzlich das Wetter ändert und die Fahrbahn nass wurde. Dann reagiert etwa der Motor weicher, wenn der Fahrer das Gaspedal drückt. So wird verhindert, dass sich die Räder durchdrehen. .

Abtrieb bringt auch Luftwiderstand: Der Flügel zwischen den Hinterrädern sorgt für gute BodenhaftungBild: Getty Images/AFP/N. Halle'n

Windschnittig ist nicht gewünscht

Formel 1-Rennwagen sehen zwar windschnittig aus, ihr echter Luftwiderstand ist aber keineswegs gering. Der cw-Wert liegt etwa bei 1,2. Auch das ist ein großer Unterschied zu Straßenfahrzeugen. Selbst ein Ford Model T-Oldtimer hat einen besseren Wert: 0,9. Moderne PKW erreichen cw-Werte von etwa 0,25, Verkehrsflugzeuge von 0,08 und ein Pinguin ist fast unschlagbar mit 0,03.

Der Hauptgrund für den schlechten Wert: Die Rennwagen haben Flügel. Die sind andersherum angebracht als an einem Flugzeug. Sie sollen verhindern, dass der Wagen abhebt, indem sie ihn von oben auf den Asphalt drücken. Eigentlich sind die ganzen Fahrzeuge sogar so gebaut, dass sie Abtrieb erzeugen. 

Gerade bei Überholmanövern stört aber der damit verbundene höhere Luftwiderstand. Daher gibt es auf dem Lenkrad den DRS-Knopf. Der aktiviert das Drag-Reduction-System und öffnet den Heckflügel in einer Weise, dass er windschnittiger wird. Er wird beim Überholen auf der geraden eingesetzt. 

Das ist ähnlich wie ein Verkehrsflugzeug, das nach dem Erreichen der Reiseflughöhe die Klappen an den Flügeln wieder einfährt. Nach den Regeln der Formel 1 darf der DRS Knopf auch nur beim Überholen gedrückt werden.

Keine zwei Lenkräder sind gleich

Die genaue Gestaltung der Formel 1-Fahrzeuge und auch ihrer Lenkräder und der Funktionen ändert sich ständig. In renommierten Rennställen gestalten die Formel 1-Piloten ihre Lenkräder selbst - natürlich unterstützt durch die Ingenieure. 

Ist das Lenkrad fertig, brauchen sie Wochen bis Monate, bis alles Funktionen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Und insofern stimmt es vielleicht doch, dass Formel1-Lenkräder einer Spielekonsole ähneln. Denn um alle Funktionen zu verinnerlichen, aber auch um echte Testfahrten aus Gründen des Umweltschutzes zu vermeiden, verbringen die Rennfahrer auch viel Zeit in Simulatoren - ganz ähnlich einem Computerspiel. Dort kann man das nächste Level auch nur nach endlosem Wiederholen und Üben erreichen.

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