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Politik

"Vermeiden lassen sich solche Katastrophen nie"

23. Dezember 2018

Ein Tsunami an der indonesischen Küste hat zu einer Vielzahl von Toten und Verletzten geführt. Geowissenschaftler Jörn Lauterjung erläutert im DW-Gespräch, warum die Behörden nicht mit einem Tsunami gerechnet haben.

Indonesien Sundastraße Tsunami
Bild: Getty Images/AFP/Ronald

DW: Hat sich diese Katastrophe in der Sundastraße, rund 100 Kilometer westlich der indonesischen Hauptstadt Jakarta, in irgendeiner Weise angebahnt? 

Jörn Lauterjung: Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der Tsunami durch den Ausbruch des Vulkans Anak Krakatau ausgelöst. Zwar haben wir vorher vulkanische und auch seismische Aktivitäten gemessen. Aber die Vorhersage, dass es damit auch zu einem Tsunami kommt, ist sehr schwer zu treffen. 

Warum hat das Frühwarnsystem nicht funktioniert?

Das Frühwarnsystem konzentriert sich auf Erdbeben. Aus dem einfachen Grund, weil 90 Prozent aller Tsunamis, die wir beobachten, durch starke Erdbeben mit eine Magnitude von 6,5 bis 7 oder noch größer ausgelöst werden. Bei kleineren seismischen Aktivitäten, wie wir sie diesmal gemessen haben, springt das Frühwarnsystem nicht an. Weil es sonst viel zu viele Fehlalarme geben würde. Und weil normalerweise geringere seismische Aktivitäten keinen Tsunami auslösen. 

"2004 wurde der Tsunami durch ein starkes Erdbeben ausgelöst, jetzt durch einen Vulkan" - Geowissenschaftler Jörn LauterjungBild: GFZ

Würden Sie denn sagen, dass man nach den Ereignissen von jetzt diese Stufe von 6,5 heruntersetzen müsste oder macht das keinen Sinn?

Nein, das macht überhaupt keinen Sinn. Weil wir seismische Aktivitäten in dieser Magnitude von 4 bis 5 fast täglich in Indonesien an verschiedenen Stellen messen und das zu sehr vielen Fehlalarmen führen würde. Noch einmal: Fast alle Tsunamis, die wir beobachten, werden von starken Erdbeben ausgelöst und nur knapp zehn Prozent aller Tsunamis von vulkanischen Aktivitäten oder Erdrutschen. Deswegen haben wir die Schwelle auch so hoch gesetzt. 

Glauben Sie, dass da in den nächsten Tagen noch etwas nachkommen kann? 

Nein, das glaube ich nicht. 

Die Sundastraße ist eine Meerenge zwischen den den indonesischen Inseln Sumatra und JavaBild: picture-alliance/dpa/Google

Was raten Sie den Menschen vor Ort?

Das ist eine sehr schwer zu beantwortende Frage. Ziemlich genau vor drei Monaten, am 28.September, war ja der Sulawesi-Tsunamimit über 2.000 Opfern - ein Tsunami, der durch Erdrutsche ausgelöst worden ist. Ich will sagen: Man kann in den nächsten Monaten oder Jahren nur den Menschen viel erklären, um ihr Wissen zu erhöhen. Damit sie verstehen, dass solche Fälle  immer wieder passieren können. Dass es also keine einhundertprozentige Sicherheit gibt, selbst wenn ein Frühwarnsystem vorhanden ist. 

Ihr Fazit lautet also: Solche Katastrophen lassen sich auch in Zukunft nicht verhindern?

So war das Frühwarnsystem auch nie intendiert. Es war völlig klar, dass immer wieder katastrophale Ereignisse mit Verletzten und Toten passieren können. Ein Frühwarnsystem versucht letztlich, die Schäden oder die Katastrophe zu minimieren. Aber ganz vermeiden werden wir so etwas nie. 

Jörn Lauterjung ist Geowissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ).

Das Interview führte Oliver Pieper.