Sorge über Gaslieferungen
6. Januar 2009Strömendes Gas in der Pipeline von Russland in die Ukraine. Pünktlich zum Jahresbeginn herrschte dann Ruhe, die Russen drehten den Gashahn zu. Wieder mal. Der Grund: Abnehmer Naftogaz in der Ukraine und der Lieferant Gazprom aus Russland konnten sich nicht auf die Verlängerung des Liefervertrages einigen – Knackpunkt war offenbar der Preis. Genauso wie vor drei Jahren am 1. Januar 2006. Damals bekamen auch Deutschland und Westeuropa die Auswirkungen zu spüren, als plötzlich weniger Gas als vertraglich zugesichert durch die Pipelines gen Westen floss.
Hochpolitische Geschäfte
Die Quelle des Gases ist Russland: Es verfügt über knapp ein Drittel der weltweiten Erdgasvorkommen. Der größte und mächtigste Energielieferant ist Gazprom. Der russische Gasmonopolist steht unter vollkommener Kontrolle des Kreml. Das russische Gasgeschäft ist daher hochpolitisch. Bestenfalls haben Gazprom-Kunden ein gutes Verhältnis zum Kreml und zu Wladimir Putin, der nach wie vor der starke Mann Russlands ist.
Der politisch treu ergebene Nachbar Weißrussland erhält so beispielsweise einen sehr günstigen Preis – die Ukraine nicht. Gas wird zum Machtinstrument. Die Regierung um Präsident Juschtschenko fühlt sich erpresst: Sie soll sich russlandfreundlicher verhalten und sich von NATO und EU distanzieren, das sei die wahre Botschaft im Gas-Streit, glauben viele.
Wechselseitige Abhängigkeit
Die Situation ist komplex: Die Ukraine ist nicht nur russischer Gaskunde, sondern auch Transitnation. Europa bezieht etwa ein Fünftel seines Gases über die Pipelines, die durch die Ukraine gehen. Aus russischer Sicht entspricht diese Menge 80 Prozent des Gases, die es nach Westeuropa leitet. Es ist eine wechselseitige Abhängigkeit: Die Ukraine braucht das russische Gas für ihre Bevölkerung und Russland braucht die Ukraine, um Gas nach Europa liefern zu können.
Für die Zukunft wünschen sich alle Beteiligten, Europäer, die Ukraine und auch Russland, weniger Abhängigkeiten: Russland und Deutschland haben sich deshalb auf den Bau der Ostsee-Pipeline verständigt. Eine Pipeline durch das Meer, die zwar aufwändig zu bauen ist, aber aus russischer Sicht lästige Transitnationen wie die Ukraine weniger wichtig werden lässt.
Keine Panik
An der Abhängigkeit vom russischen Gas ändert dies freilich nichts. Panikmache ist aber auch nicht angebracht. Momentan bezieht Deutschland fast zwei Drittel seines Gasbedarfs aus Westeuropa. Etwas mehr als ein Drittel kommt aus Russland. Aufgrund der Größe der Gasvorkommen werden die Importe aus den Niederlanden, Norwegen oder Großbritannien aber mittelfristig zurückgehen, die Abhängigkeit von Russland dürfte dann in Zukunft noch steigen.
Deshalb bemühen sich Deutschland und seine europäischen Nachbarn auch im Rahmen der EU, um Alternativen zur Gasgroßmacht Russland. So ist seit Jahren die Nabucco-Pipeline, eine große Gaspipeline von Ost nach West, an der Russland nicht beteiligt sein soll, geplant. Sie soll Erdgas vom Kaspischen Meer nach Europa bringen. Das Projekt droht allerdings zu scheitern, denn potentielle Gaslieferer wie Aserbaidschan, Kasachstan, Turkmenistan oder auch Iran weigern sich bisher an diesem Projekt teilzunehmen und Gas direkt nach Europa zu liefern. Der Grund: Russland nimmt Einfluss und zieht im Hintergrund die Fäden.
Alternativmärkte fehlen
Selbst wenn die Nabucco-Pipeline nicht zustande kommt, ist der Supergau – Russland beliefert Westeuropa nicht mehr mit Gas – recht unwahrscheinlich, denn rund drei Viertel des russischen Erdöls und 90 Prozent des Erdgases fließen derzeit in den Westen – und Alternativmärkte gibt es nicht. China zum Beispiel ist nicht auf Russland angewiesen, um seinen Energiehunger zu stillen. Außerdem gibt es zwischen beiden Nationen gar keine Öl- und Gaspipelines. Wenn Russland den Westen nicht beliefert, bleibt es also auf seinem Reichtum sitzen. Gazprom würde sich durch einen Lieferstopp vermutlich ruinieren.