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Politik

Merkels Balanceakt

FAZ-Redakteur Christian Meier
Christian Meier
22. Juni 2018

Wenn die Kanzlerin trotz Regierungskrise Deutschland verlässt, hat das auch mit dem Anlass dieser Krise zu tun, meint Christian Meier von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ).

Begrüßung von Angela Merkel am Flughafen der jordanischen Hauptstadt AmmanBild: Getty Images/AFP/A. Abdo

Manche Beobachter in Berlin hatten bis zuletzt spekuliert, dass die Reise abgesagt werden würde. Angela Merkel muss gerade darum kämpfen, die EU angesichts der offenen Konfrontation in der Asylpolitik vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. Sie sieht außerdem ihre Autorität durch den Koalitionspartner CSU in Frage gestellt - und da will die Bundeskanzlerin Jordanien und den Libanon besuchen, also zwei arabische Staaten von überschaubarer globaler Bedeutung?

Träger der Hauptlast der Flüchtlinge aus Syrien

Die Kanzlerin fuhr aber, und die Auswahl ihrer Termine zeigte, dass die Reise durchaus mit der europäischen Migrationspolitik zu tun hatte. In Amman sprach sie mit Studenten an der Deutsch-Jordanischen Universität, in Beirut besuchte sie eine Schule, in der in Doppelschichten libanesische und ins Land geflohene syrische Kinder unterrichtet werden.

Christian Meier ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: F.A.Z/Wolfgang Eilmes

Jordanien und der Libanon tragen, zusammen mit der Türkei, die Hauptlast der Flüchtlingswelle aus dem Bürgerkriegsland Syrien. In Merkels Welt des Drehens an kleineren und größeren Stellschrauben spielt das eine Rolle. Die Kanzlerin kam, um Solidarität zu demonstrieren. Dem jordanischen König Abdullah II., einem zuverlässigen Verbündeten des Westens in der Region, versprach sie 100 Millionen Dollar zusätzliche Finanzhilfe, auch dem libanesischen Ministerpräsidenten Saad al Hariri sicherte sie Unterstützung zu. Die Stabilität der beiden Staaten, in denen mehr als zwei Millionen syrische Flüchtlinge leben, ist für Deutschland und Europa unerlässlich.

Das gab dem Besuch freilich auch eine besondere, gar ironische Note: Die Regierungschefin eines Landes, in dem viele Bürger unzufrieden sind mit der Präsenz von Migranten, erklärt den Führern zweier Staaten, die - gemessen am Anteil an der eigenen Bevölkerung - ein Vielfaches an Flüchtlingen aufgenommen haben, warum diese noch eine Weile dort bleiben müssen. Denn auch im Libanon und in Jordanien wächst der Unmut und damit auch der Druck, auf ein politisches Szenario hinzuwirken, in dem die Flüchtlinge irgendwann nach Syrien zurückkehren können. Dieses Szenario sieht die deutsche Regierung freilich noch nicht, auch wenn der syrische Machthaber Baschar al-Assad die Aufständischen mit iranischer und russischer Hilfe inzwischen weitgehend niedergerungen hat.

Doppelter Balanceakt

So hatten alle Äußerungen Merkels zwei Adressaten: das lokale und das deutsche Publikum. Deutschland sei ein "offenes Land", sagte sie in Amman, aber die Aufnahme von Flüchtlingen sei natürlich eine "große Herausforderung". Sie fügte hinzu, zudem habe "unsere eigene Bevölkerung Wünsche und Sorgen". Dies müsse in einer Balance gehalten werden. Ein doppelter Balanceakt war es, was die Kanzlerin im Nahen Osten vollführte. Die Botschaft, die freilich nicht zu offenkundig ausgesprochen werden durfte: Was den Deutschen recht ist, darf den Libanesen und Jordaniern nicht billig sein.

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