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Politik

Auch bei Ägypten darf nicht geschwiegen werden

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
10. März 2019

Wenn in einem Land Menschenrechte massiv verletzt werden, sollte das Folgen haben. Hat es aber nicht in jedem Fall, wie der Vergleich mit Saudi-Arabien zeigt, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Bundeskanzlerin Merkel und Ägyptens Präsident Al-Sisi bei der Münchner Sicherheitskonferenz im FebruarBild: AFP/C. Stache

In Saudi-Arabien sind mehr als 2600 saudische Bürger aus politischen Gründen inhaftiert. In Ägypten sitzen aber mehr als 60.000 Aktivisten und Oppositionelle in den überfüllten Gefängnissen. Ranghohe Personen des Königreichs Saudi-Arabien sind in die Ermordung des Dissidenten Jamal Khashoggi verstrickt. Angehörige des ägyptischen Sicherheitsapparats haben in den vergangenen Jahren aber Tausende von ägyptischen Regierungskritikern getötet - auf öffentlichen Plätzen, in den Gefängnissen und durch Hinrichtungen.

Allein Saudi-Arabien im Visier

Europa nimmt mit seiner Kritik vor allem das Saudi-Arabien von Kronprinz Mohammed bin Salman ins Visier und verschont dabei Al-Sisis Ägypten. Es bewahrheitet sich damit wieder einmal die Aussage des sowjetischen Diktators Stalin, dass der Tod eines Einzelnen eine Tragödie ist, der Tod von Millionen aber nur eine Statistik.

Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Die Bundesregierung hat die deutschen Waffenexporte, auch die bereits genehmigten, nach Saudi-Arabien eingefroren. Über die Waffenlieferungen nach Ägypten spricht man jedoch nicht. Einem Handschlag mit dem saudischen Kronprinzen geht das gesamte Bundeskabinett aus dem Weg. In Scharm el Scheich fand hingegen jüngst ein Gipfeltreffen der Arabischen Liga und der Europäischen Union statt, bei dem sich der ägyptische Präsident zwei Tage lang inszenieren konnte.

Der harte Kurs gegen Saudi-Arabien ist vollkommen gerechtfertigt. Um ihrer Glaubwürdigkeit willen kann sich die Bundesregierung nicht anders verhalten. Die Frage stellt sich jedoch, weshalb gegenüber Ägypten so anders verfahren wird?

Das liegt teilweise an Saudi-Arabien selbst. Empörung löst vor allem der Krieg aus, den Riad im Jemen vom Zaun gebrochen hat. Ägypten war gut beraten, sich an diesem nur mit einer Statistenrolle zu beteiligen. Zudem sind es nicht nur Vorurteile, die das Bild Saudi-Arabiens in der Welt prägen. Der Kronprinz sorgt zwar dafür, dass das Land ideologischen Ballast und das enge gesellschaftliche Korsett nach und nach abwirft. Der wahhabitische Islam, der viele Teile der islamischen Welt vergiftet hat, ist jedoch ein Produkt Saudi-Arabiens.

Ägypten wird gebraucht

Positiv ist hingegen die Außenwahrnehmung Ägyptens: Anders als Saudi-Arabien ist es für Millionen Touristen aus aller Welt offen, und die deutschen Urlauber bringen aus Ägypten positive Erfahrungen mit nach Hause. Für die Politik zählt, dass Ägypten gebraucht wird, um wie ein Schwamm Flüchtlinge aus Afrika aufzusaugen und zu verhindern, dass sie über das Mittelmeer nach Europa weiterziehen. Ägypten lässt sich das teuer mit politischer Anerkennung und wirtschaftlichen Hilfen bezahlen. Durch Saudi-Arabien ziehen hingegen keine Flüchtlingsströme. Daher wird es nicht als Partner bei der Migrationspolitik gebraucht.

Dabei werden jedoch beide Augen davor verschlossen, dass Ägypten eines Tages selbst zu einem Herkunftsland von Flüchtlingen werden kann - nämlich dann, wenn die Ägypter mit den Füßen abstimmen, weil sie in ihrem Land wegen der Repression und hohen Jugendarbeitslosigkeit keine Zukunft mehr sehen. Wohl ermahnt Berlin die ägyptische Regierung in Sachen Menschenrechtsverletzungen. In Kairo stößt sie dabei aber auf taube Ohren. Konsequenzen hatte das bislang nicht.

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