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Politik

Auch die Linke will eine andere Republik

Hugo Müller-Vogg
Hugo Müller-Vogg
13. Dezember 2020

Vielfach wird gegenwärtig behauptet, die größte Gefahr für Deutschland sei die rechtspopulistische AfD, weil sie eine andere Republik wolle. Doch damit ist diese Partei nicht allein, meint Hugo Müller-Vogg.

"Deutsche Wohnen enteignen" - die Linke unterstützt Proteste gegen große WohnungsgesellschaftenBild: picture-alliance/dpa/ZB/S. Steinach

SPD und Grüne verbünden sich immer häufiger mit der Partei "Die Linke". Für viele Politiker und Publizisten ist die Einstellung zur Linken ein Lackmustest für lupenreine Demokraten. Wer die mehrfach umbenannte SED nicht uneingeschränkt zum Kreis der Demokraten zählt, macht sich verdächtig.

CDU/CSU und FDP halten dagegen an der Äquidistanz gegenüber den Parteien an den äußersten Rändern fest. Zu Recht. Trotz fundamentaler ideologischer Unterschiede haben Linke und AfD nämlich eines gemeinsam: Beide wollen eine andere Republik.

Wahlfälscher und DDR-Verherrlichung

Die Linke ist heute eine andere Partei als 1989. Doch weigert sie sich, das unmenschliche DDR-System als Unrechtsstaat zu bezeichnen. In Moskau ausgebildete Funktionäre spielen unverändert eine Rolle. Der verurteilte Wahlfälscher Hans Modrow wurde mit dem Vorsitz im Ältestenrat der Partei geehrt. Das Grundsatzprogramm verherrlicht an der DDR "die weitgehende Überwindung von Armut, ein umfassendes soziales Sicherungssystem, ein hohes Maß an sozialer Chancengleichheit." Das erinnert an "es war nicht alles schlecht" unter Hitler nach 1945.

DW-Gastkommentator Hugo Müller-VoggBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die DDR-Nostalgie ist das eine; viel gefährlicher sind die politischen Vorstellungen der Linken. Wie sähe die Bundesrepublik wohl aus, wenn Dietmar Bartsch, Gregor Gysi, Katja Kipping und Sahra Wagenknecht die absolute Mehrheit hätten? Das Land bliebe nicht länger ein freiheitliches, pluralistisches, wirtschaftlich starkes Gemeinwesen, wie wir es heute kennen. Hier die wichtigsten Gründe für diese These:

Gespaltenes Verhältnis zum Parlamentarismus: Die Linke arbeitet in den Parlamenten seriös mit, zugleich propagiert sie die "außerparlamentarische Organisation von Gegenmacht". Ihr Konzept einer allumfassenden Basisdemokratie würde die Parlamente entmachten. Besonders Radikale hoffen sogar auf eine Schwächung des "parlamentsfixierten Abgeordnetenbetriebs".

Fehlende Abgrenzung von politischer Gewalt: Die Grenzen zu "Antifa" und anderen Gewalttätern sind fließend. Fast immer, wenn Linksradikale Gewalt anwenden, kritisieren Linken-Politiker zuerst die Polizei wegen ihres angeblich provozierenden Auftretens.

Marktwirtschaft faktisch abschaffen: Für die Linke ist die soziale Marktwirtschaft gleichbedeutend mit Kapitalismus. "Grundlegende Umgestaltung der Gesellschaft" heißt "Überwindung" des Kapitalismus. Deshalb strebt sie die "Vergesellschaftung" vieler Wirtschaftsbereiche an - ein anderes Wort für Enteignung. Die Berliner Kampagne "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" ist erst der Anfang.

Klassenkampf: Für die Linkspartei ist "Deutschland eine Klassengesellschaft". Ihr Ziel: "Die neue und bessere Ordnung (…) ist eine von Klassenschranken befreite Gesellschaft." Das Wort Klassenkampf wird vermieden. Die klassenlose Gesellschaft soll durch die Verbindung parlamentarischer Aktivitäten mit dem Kampf auf der Straße erreicht werden. Parolen wie "Reiche erschießen" passen ins Bild.

Heimat für Kommunisten: Das Grundsatzprogramm betont die Verbindung zu "Positionen und Traditionen aus der sozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegung". So treten innerparteilich die "Kommunistische Plattform" oder die "Antikapitalistische Linke" für einen "grundsätzlichen Systemwechsel" ein. Nicht wenige Genossen verherrlichen das kommunistische System auf Kuba oder begeistern sich für Autokraten wie Putin, Chavez oder Maduro.

Meinungsspektrum einschränken: Die Medien sollen "demokratisch kontrolliert" werden. Wie eine regierende Linkspartei mit der Faschismuskeule gegen "falsche" Meinungen vorgehen würde, liegt auf der Hand: Cancel culture als Leitmotiv. 

Fazit: Nein, die Linke ist keine Neuauflage der guten alten SPD aus der Vor-Schröder-Zeit. Die Linke ist eine sozialistische Partei mit dem Ziel einer sozialistischen Republik.

Dr. Hugo Müller-Vogg ist Publizist und Buchautor, ehemaliger Mitherausgeber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

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