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Politik

Auch neue Gentechnik ist Gentechnik

Kommentarbild Harald Ebner PROVISORISCH
Harald Ebner
25. Juli 2018

Für ihre Befürworter ist die sogenannte "Gen-Schere" CRISPR/Cas9 eine optimierte Form der Pflanzenzucht. Kritiker betrachten sie genauso kritisch wie andere Formen der Genmanipulation. Ein Gastkommentar von Harald Ebner.

Bild: picture-alliance/dpa

Auch neue Gentechnik wie CRISPR ist Gentechnik und muss deshalb genauso behandelt werden. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) jetzt eindeutig klargestellt. Das ist eine sehr gute Nachricht für Bürgerinnen und Bürger, Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft. Das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben gewährleistet.

Dass der EuGH "den Einsatz neuer Gentechnikverfahren blockiert", wie es jetzt in einigen Berichten zu lesen ist, ist natürlich Quatsch. Es geht nicht um blockieren oder verbieten, sondern um die gebotene Vorsicht und Regulierung. Sogar die CRISPR-Erfinderin Emanuelle Charpentier hat gerade erst wieder eine "strenge Regulierung" dieser "mächtigen Technologie" gefordert. Gut, dass die Regulierung, Sicherheitsprüfung und Kennzeichnung auch neuer Gentechnik jetzt klargestellt ist.

Dass es sich bei technischen Eingriffen ins Erbgut wie solchen mit der Gen-Schere CRISPR um Gentechnik handelt, liegt auf der Hand. Wenn es jemals eine Gentechnik gab, die diesen Namen verdient, dann diese. Neue Studien haben bisher "übersehene" ungewollte CRISPR-Nebenwirkungen entdeckt. Die oft bemühte Legende von den "im Endprodukt nicht nachweisbaren Veränderungen" ist inzwischen widerlegt. Bürgerinnen und Bürger betrachten CRISPR und Co eindeutig als Gentechnik und wollen zu Recht wissen, wenn so etwas in Lebensmitteln steckt.

Alles andere wäre ein fahrlässiges Freisetzen von Gentech-Pflanzen in die Umwelt, ein großer Freilandversuch, der nicht rückgängig zu machen wäre. Und das alles gegen den erklärten Willen von Verbrauchern, Lebensmittelherstellern und -händlern und den Bauern, die sich für eine gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft entschieden haben und das mit einer Bio-Zertifizierung oder dem "Ohne Gentechnik"-Siegel belegen. Bei der Regulierung nach der Freisetzungsrichtlinie geht es um die Sicherstellung von Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung auch für die, die sich - egal ob aus ethischen, gesundheitlichen oder ökologischen Gründen - gegen die Nutzung oder den Verzehr von Gentechnik-Produkten entscheiden. Das Urteil des EuGH ist deshalb auch eine Aufforderung an die EU-Kommission und die nationalen Regierungen, jetzt eine gesetzliche Regelung umzusetzen. Dazu gehört auch, die inzwischen belegte Nachweisbarkeit von Genome-Editing-Eingriffen in jedem Fall zu gewährleisten.

Die Motive der Gentechnik-Lobby, die mit allen Mitteln für die Deregulierung gekämpft hat, sind durchsichtig: Sie wollte den Menschen ihre Produkte inkognito unterjubeln, weil sie befürchtet, dass sie sonst keiner kauft. Gut, dass dieser Plan nun gescheitert ist. Sehr bedenklich ist es allerdings, wie weit die Unterstützung für diesen Plan bis weit in die zuständigen Behörden der Bundesregierung reichte.

Auch Landwirtschaftsministerin Klöckner sprach bisher am liebsten über die Potenziale der neuen Gentechnik. Um die wirklich zu bewerten, ist es aber noch viel zu früh. Entgegen allen Unkenrufen schränken das Urteil und die Regulierung ja übrigens die Forschungsfreiheit in Deutschland und Europa überhaupt nicht ein. In entsprechend gesicherten Laboren kann nach Herzenslust gen-gebastelt werden.

Harald Ebner, MdB Bündnis 90/GrüneBild: privat

Was wir aber schon jetzt tun können ist, die Frage nach dem gesellschaftlichen Nutzen einer Technik zu stellen. Die vermeintlichen Möglichkeiten und Potenziale des Genome Editing waren bislang vor allem dazu da, die Deregulierung rechtfertigem. Nach drei Jahrzehnten Gentechnik, über fünf Jahren CRISPR und milliardenschwerer Forschung gibt es noch immer kaum wirklich überzeugende Ergebnisse im Pflanzenbereich vorzuweisen.

CRISPR und Co wiederholen die klassischen Gentechnik-Heilsversprechungen als angebliche Lösung gegen Welthunger und Klimakrise, für besseres und gesünderes Essen.

Praktisch eingesetzt werden die neuen Gentechniken bisher fast nur für genveränderte Versuchstiere, deren Zahlen stetig zunehmen, und für herbizidtolerante Pflanzen. Schon jetzt haben die vier großen Agrarchemiekonzerne etliche Patente sowohl auf Genome-Editing-Pflanzen und -Tiere, als auch auf spezifische CRISPR-Genscheren angemeldet. Die oft beschworene angebliche "Demokratisierung von Züchtung und Forschung" scheitert also schon jetzt, nach wenigen Jahren, an Markt und Patentierung.

Wir Grünen begleiten neue Technologien immer auch mit der gebotenen Vorsorge für Umwelt und Gesundheit. Das zeichnet uns aus. Bei der Gentechnik sind wir über die letzten Jahrzehnte zu einer differenzierten und immer wieder aktualisierten Bewertung gelangt. Dabei stellen wir uns auch der Diskussion und Abwägung über Chancen und Risiken. Einer Deregulierung auf Kosten der Sicherheit für Verbraucherinnen und Umwelt, die auf kaum einlösbaren Versprechungen beruht, werden wir uns aber weiterhin entgegen stellen. Dass das höchste europäische Gericht dem Lobbydruck standgehalten hat und diese Position stärkt, ist ein gutes Zeichen für Europa und seine Institutionen.

Harald Ebner MdB ist Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der Grünen Bundestagsfraktion.

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