Chinas KP sonnt sich in trügerischem Erfolg
Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) feiert ihren 100. Geburtstag. Der Stolz darauf speist sich nicht zuletzt aus dem Vergleich mit dem einstigen sowjetischen Vorbild. Die KPdSU konnte als Regierungspartei insgesamt nur 67 Jahre bestehen, wohingegen die KPCh bereits 72 Jahre lang, seit 1949, unangefochten an der Macht ist.
Der Vergleich mit dem Werde- und Untergang der einstigen Schwesterpartei soll für Chinas KP aber nicht Anlass für Hochmut sein, sondern im Gegenteil als warnendes Beispiel dienen.
Drei Lektionen aus der sowjetischen Geschichte
Für die Partei ergeben sich daraus drei Lektionen. Erstens: Freies Denken ist schädlich - innerhalb wie außerhalb der Partei. Denn das gibt nur Personen wie Michail Gorbatschow Auftrieb, die den Weg für das Ende der Partei ebnen.
Zweitens: Die Abkehr von den Ursprüngen und der revolutionären Geschichte der Partei ist der Keim ihres Untergangs. So ist es aus Sicht der KPCh in der Spätzeit der UdSSR geschehen. Deshalb betont Xi Jinping, dass China weiterhin und für immer "rot" bleiben müsse. Dementsprechend wird die Parteigeschichte in vielen Medien und Formen für Volk und Partei zur Verinnerlichung aufbereitet.
Drittens: Korruption hat der Kommunistischen Partei der Sowjetunion den Garaus gemacht. Diesem Schicksal wollte Xi mit der beispiellosen Antikorruptionskampagne vorbeugen, die er nach seinem Machtantritt Ende 2012 auf den Weg gebracht hat. Zehntausenden Amtsträgern, darunter sehr hochrangigen, wurde der Prozess gemacht, eine weit höhere Anzahl wurde intern "diszipliniert" oder einfach entlassen. Allerdings dürfte dies eine nie endende Sisyphusarbeit sein: eben wegen der institutionellen Grundlage für die Korruption - der Einparteienherrschaft ohne externe Kontrollelemente.
Westen als unterlegen gesehen
Aus dem Vergleich mit der KPdSU zieht die KPCh Kraft, indem sie die "Fehler" der Sowjets vermeidet. Aber auch aus dem Vergleich mit den westlichen Demokratien zieht sie Kraft - sieht sie sich diesen doch als überlegen an. Die KPCh preist ihr Einparteiensystem, weil es angeblich viel effizienter sei als die demokratischen Systeme. Diese Botschaft ist auch nach außen gerichtet: Der Westen soll Hoffnungen auf einen demokratischen Wandel in China ein für alle Male begraben!
Immerhin scheint bisher alles nach Wunsch von Xi Jinping gelaufen zu sein. Die Pandemie hat ihm noch mehr Unterstützung eingebracht, weil die Partei sich angeblich ausschließlich um Leben und Gesundheit der Menschen gekümmert hat. Ob diese Zustimmung in den nächsten zehn bis 15 Jahren anhält, hängt davon ab, ob die Partei die selbst erzeugten Erwartungen erfüllen kann.
Noch viel aufzuholen
Da ist zum einen der technologische Wettlauf mit den USA. Bis 2035 soll China "große Durchbrüche in wichtigen Kerntechnologien erzielen und in die vorderste Reihe der innovativen Länder aufsteigen". Dazu müsste China unter anderem in der Halbleiterindustrie viel Aufholarbeit leisten. Gelingt das nicht, wäre das ein herber Gesichtsverlust für Xi Jinping, sollte er dann immer noch an der Macht sein. Und natürlich für die Partei, die sich das Ziel eines moderaten Wohlstands für alle auf die Fahnen geschrieben hat.
Noch nicht gesichert ist auch der Erfolg des mit Xis Namen und Prestige verbundenen Projekt "Belt and Road-Initiative" (BRI) oder - blumiger formuliert - der "Neuen Seidenstraße". Haben sich doch inzwischen bei mehreren Partnern Zweifel gemehrt, ob es klug sei, sich zu chinesischen Konditionen auf riesige Infrastrukturprojekte einzulassen.
Verräterische Nervosität
Bislang gibt sich die Partei stolz, stark und siegesgewiss im Systemwettstreit. Aber trotz aller Zuversicht und Loblieder liegen die Nerven der Behörden während der Feiertage blank. Die Menschen in Peking erleben "Harmonie" im Stil von Pjöngjang. De facto herrscht dort dieser Tage fast Kriegsrecht. Doch eine Partei, deren Langlebigkeit auf Einschüchterung durch Gewalt und auf Zensur beruht, ist letzten Endes zum Scheitern verurteilt.
Dr. Junhua Zhang, geboren 1958 in Shanghai, ist Senior Associate am European Institute for Asian Studies in Brüssel und sowie Gastprofessor an der Université de Pau et des Pays de l'Adour in Frankreich.