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Politik

Das lange Beben der Bundestagswahl

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Jasper von Altenbockum
Jasper von Altenbockum
21. Oktober 2017

Nein, das Wahlergebnis vom 24. September ist mitnichten aufgearbeitet. Dem Rücktritt von Stanislaw Tillich müssen noch einige weitere folgen, meint Jasper von Altenbockum von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Der bisherige sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich und Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: REUTERS

Es kommt in Deutschland nicht alle Tage vor, dass der Ministerpräsident eines Bundeslandes zurücktritt, um Konsequenzen aus einer Bundestagswahl zu ziehen. Die föderalistische Wahlanalyse sieht für solche Fälle die Erklärung vor: Schuld ist die Bundespartei, der Bundesvorsitzende, oder auch: die Bundeskanzlerin! Stanislaw Tillich hat nun mit dieser Tradition gebrochen. Er trat als Ministerpräsident von Sachsen zurück, weil die CDU in seinem Bundesland bei der Bundestagswahl noch hinter der AfD auf dem zweiten Platz landete. Wollten die Wähler damit aber wirklich nur Tillich und die Sachsen-CDU abstrafen? Sicher nicht.

Jasper von Altenbockum ist Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: F.A.Z./Wolfgang Eilmes

Mit dem Namen "Tillich" wird in naher Zukunft deshalb noch die eine oder andere Politikerkarriere in Deutschland beurteilt werden. Mit Sicherheit die des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, dessen Partei ähnliche Probleme hat, die Tillich jetzt dazu bewogen, als sächsischer Ministerpräsident zurückzutreten. Denn der CSU droht dasselbe Schicksal wie der Sachsen-CDU: der dauerhafte Verlust einer als sicher geglaubten Hegemonie. Die CSU ist noch dazu ein Sonderfall. Verliert sie diese Hegemonie, verliert sie ihre Existenz.

Warum Seehofer zögert, das zu tun, was Tillich jetzt tat, wird gerne damit erklärt, dass er den Aspiranten auf seine Nachfolge, Markus Söder, verhindern will. Mindestens ebenso gut ist aber mittlerweile die Erklärung, dass er nicht aus dem Grund zurücktreten will, der Tillich dazu trieb: das ist die Bundespartei, die Bundesvorsitzende, die Bundeskanzlerin! Denn das schlechte Ergebnis der CDU/CSU in Sachsen, Bayern und anderswo trägt nicht nur den Namen Stanislaw Tillich oder Horst Seehofer, sondern mindestens ebenso sehr: Angela Merkel. Seehofer aber will aber nicht als das prominenteste Opfer Angela Merkels in die Geschichte eingehen. Viel lieber wäre es ihm (und großen Teilen der CSU), wenn es umgekehrt wäre - wenn also, wenn er schon gehen muss, auch Merkel gehen müsste. Das ist die Ironie des Rücktritts von Tillich: Das Echo seines Verzichts heißt "Merkel muss weg", ein Spruch, der zuerst in Dresden auf "Pegida"-Demonstrationen skandiert und dann  von der AfD übernommen wurde.

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