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PolitikGlobal

Das Schwert der Sanktionen schärfen

Kommentarbild Oliver Rolofs
Oliver Rolofs
14. November 2022

Sanktionen werden verstärkt zum bevorzugten außenpolitischen Instrument der USA und Europas. Sie können dazu beitragen, militärische Konflikte oder anderweitige Aggressionen einzudämmen, meint Oliver Rolofs.

Sanktionen spielen zweifellos eine wichtige Rolle, staatliche Aggressoren in ihre Schranken zu weisenBild: Ohde/Bildagentur-online/picture alliance

Wie in den Fällen Nordkorea, Iran, Kuba und jetzt Russland wurden und werden die betreffenden Regime durch die Sanktionen zwar nicht gestürzt. Sie sind jedoch starken Beeinträchtigungen ausgesetzt, und gezwungen, zwischen dem wirtschaftlichen Überleben und der Aufrechterhaltung ihrer militärischen Ziele abzuwägen.

In den USA erfreut sich die Verhängung von Sanktionen als wirkungsvolle Interventionsmethode wachsender Beliebtheit: So hat die Anzahl durch Washington verhängter Sanktionen als außenpolitisches Druckmittel in den letzten 22 Jahren um über 1000 Prozent zugenommen. Der Zweck heiligt zwar nicht immer die Mittel, da Sanktionen oftmals ihr primäres Ziel erst einmal nicht erreichen. Aber in den meisten Fällen zwingen sie zumindest die sanktionierte Partei zu Gesprächen und Kompromissbereitschaft.

Sicherheitsexperte Oliver RolofsBild: Privat

Vor allem zwischen Atommächten sind Sanktionen ein probates Mittel, Konflikte unterhalb einer militärischen Eskalationsschwelle auszutragen - auch, weil man auf der jeweils anderen Seite durchaus um die verheerenden Folgen einer direkten militärischen Konfrontation weiß.

Im Falle des Iran haben Sanktionen das Mullah-Regime an den Verhandlungstisch gedrängt. Auch wenn ein Nuklear-Abkommen mit dem Iran noch in weiter Ferne liegt, erhöhen die wirtschaftlichen Zwänge den Druck auf das Regime in Teheran, der sich nicht zuletzt in zunehmenden Straßenprotesten durch eine unzufriedene, vor allem junge iranische Bevölkerung entlädt.

Gezielte Sanktionen sind wirksam

Die Androhungen von Sanktionen und letztlich politischer Druck aus Washington waren zum Beispiel einer der Hauptgründe dafür, dass Taiwan in den späten 1980er Jahren sein eigenes Streben nach Atomwaffen aufgegeben hat.

Genauso waren sie Ende der 1980er Jahre erfolgreich, um Libyens damaligen Machthaber Muammar al-Gaddafi eine rote Linie aufzuzeigen und ihn zu einer Abkehr vom internationalen Terrorismus zu bringen. Und selbst Großbritannien machte angesichts Washingtons Sanktionspolitik gegenüber seinem verbündeten Israel einen Rückzieher und legte den Suez-Konflikt mit Ägypten 1956 bei.

Doch Sanktionen sind auch mit Misserfolgen verbunden, vor allem wenn sie unrealistischen und unklaren Zielen folgen oder das Ausmaß der Sanktionen nicht groß genug ist, um eine Änderung der Politik zu erreichen. 

Diese Lehren wurden eindeutig im Falle Russlands gezogen, nachdem die USA, die EU und das Großbritannien feststellen mussten, dass sich die seit 2014 im Zuge der Krim-Annexion gegen Moskau verhängten Sanktionen als nicht ausreichend erwiesen hatten.

Die Sanktionen, die jetzt gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges verhängt wurden, sind indes die bislang umfassendsten und am besten koordinierten Maßnahmen, die aus einer engen Zusammenarbeit resultieren und Russlands Achillesversen ins Visier nehmen. Die tatsächlichen Auswirkungen auf Russlands Wirtschaft und Gesellschaft werden sich erst nach Jahren zeigen, aber die Sanktionen haben Russlands Fähigkeit, materielle Verluste auszugleichen, erheblich eingeschränkt: Das Land muss nun zunehmend auf frühe sowjetische Waffen, Panzer und Munition zurückgreifen.

Aus Fehlern lernen

Zu Fehlern kommt es jedoch, wenn Sanktionen von der staatlichen Ebene auf einzelne Personen übergehen. Das Fehlen einer klaren Strategie oder die begrenzten Kapazitäten jeweiliger Sanktionsteams führen manchmal dazu, dass Schlüsselpersonen oder -einrichtungen übersehen, gar willkürlich in die Sanktionen einbezogen oder verwechselt werden.

Regelmäßig wird von unzureichender Ausstattung in den Sanktions-Abteilungen westlicher Staaten berichtet, die für die Ermittlung der zu sanktionierenden Personen zuständig sind. Dort fehle es sowohl an Personal als auch an ausreichend Daten, um angemessene Entscheidungen zu treffen. 

Trotz der allgemeinen Härte der Sanktionen gegen Russland bleiben beispielsweise zahlreiche wichtige russische Unternehmen und Führungskräfte unangetastet. Dies gilt sogar für die Rüstungsindustrie: Berichten zufolge sind fast 50 Rüstungs- und Verteidigungsunternehmen nicht in die Sanktionen der USA oder Europas einbezogen. Auch Wladimir Potanin, der zweitreichste Mann Russlands, wird bislang vom Westen mit Sanktionen verschont. Allein Großbritannien hat gegen den Oligarchen Sanktionen verhängt.

Oder es läuft völlig aus dem Ruder: Ein italienischer Restaurantbesitzer aus Verona wurde in Zeiten der Trump-Regierung aufgrund einer Verwechslung versehentlich auf eine US-Sanktionsliste gegen die staatliche Ölgesellschaft Venezuelas gesetzt. Schwerwiegender war, dass im Jahr 2001 mehrere unschuldige Personen fälschlicherweise auf der Sanktionslisten gegen die Terrororganisation Al-Qaida landeten, darunter der saudische Geschäftsmann und Philanthrop Scheich Yassin Abdullah Kadi, der erst nach dreizehn Jahren seine Streichung von der Liste erwirken konnte. 

Ersichtlich wird: Es gibt noch viel zu tun, was die Koordinierung zwischen Verbündeten und die Bündelung entsprechender Ressourcen für eine kohärente Sanktionspolitik angeht. Sanktionen spielen zweifellos eine wichtige Rolle, staatliche Aggressoren in ihre Schranken zu weisen. Anstatt Sanktionen von vornherein abzulehnen, weil sie gelegentlich zu ambitioniert eingesetzt werden, sollte aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt werden, um sie zu einem wirklich wirksamen Mittel weiterzuentwickeln.

Oliver Rolofs ist Kommunikations- und Sicherheitsexperte. Zuvor war er langjähriger Kommunikationschef der Münchner Sicherheitskonferenz, wo er das Programm für Cybersicherheit und Energiesicherheit aufbaute.

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