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Politik

Um Jahrzehnte zurückgebombt

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
24. März 2020

Ein halbes Jahrzehnt nach der saudischen Intervention im Jemen ist nur eines klar: Ein Ende der Tragödie ist noch lange nicht in Sicht, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Bild: picture-alliance/dpa/H. Al-Ansi

Die externen Akteure, die sich im Jemen einen Stellvertreterkrieg liefern, sind zwar kriegsmüde. So würde sich Saudi-Arabien, das erstmals am 26. März 2015 mit Luftangriffen in den eskalierenden Bürgerkrieg im südlichen Nachbarland eingegriffen hat, gerne zurückziehen - es findet aber keine Exit-Strategie.

Die Vereinigten Arabischen Emirate haben zwar ihre Truppen aus dem Jemen zurückgezogen, sie kaufen aber weiter Stämme und Milizen, die für die Interessen Abu Dhabis kämpfen. Und für Iran verliert der Krieg im Jemen an Bedeutung, da der Tod von General Ghassem Soleimani die Islamische Republik hart getroffen hat und sie jetzt ihre Ressourcen für den Kampf gegen das Coronavirus bündeln muss.  

Kurzes Zeitfenster zur Beendigung des Krieges

Dennoch endet der Krieg nicht, obwohl er, so die Vereinten Nationen, die weltweit größte Hungersnot der vergangenen 100 Jahre ausgelöst hat und für den Ausbruch der Cholera verantwortlich ist. Ende des vergangenen Jahres öffnete sich schließlich ein Fenster, um den Krieg politisch beizulegen. So führten die saudische Regierung und die von Iran unterstützten Huthis Gespräche mit dem Ziel einer Deeskalation, vor allem die saudisch-jemenitischen Grenze.

Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Mit der Schlacht um die Provinz und die Stadt Marib schließt sich das Fenster wieder. Noch wird Marib von den Truppen der von Saudi-Arabien unterstützten Regierung Hadi kontrolliert. Die Huthis stehen jedoch kurz davor, Marib zu erobern. Damit bekämen sie Zugang zu Ölfeldern und zu wichtigen Straßen. Mit Marib hätte sie den gesamten Nordjemen mit den Grenzen zu Saudi-Arabien im Griff. Gewinnen die Houthis die Schlacht, droht die größte humanitäre Katastrophe des Kriegs, er würde auf andere Gebiete übergreifen, und die politischen Gespräche wären am Ende. Als Sieger wären die Huthis noch weniger zu Kompromissen bereit.

Dabei hatte der heutige Kronprinz Mohammed Bin Salman in seiner ersten Amtshandlung als neuer Verteidigungsminister 2015 den Jemenkrieg mit dem Ziel begonnen, eine Machtergreifung dieser Huthis zu verhindern, um so die Ausweitung des iranischen Einflusses im Süden der Arabischen Halbinsel zu stoppen. Er hat dieses Ziel nicht erreicht, trotz einer internationalen Militärallianz, an der sich auch westliche Staaten beteiligt haben. Der Jemen ist aber um Jahrzehnte zurückgebombt, die Menschen sind noch ärmer, und das Land ist noch gespaltener.

In vielem erinnert der Jemen an Afghanistan

Mohammed Bin Salman war schlecht (oder gar nicht) beraten, als er beschloss, sich in den laufenden Bürgerkrieg zwischen der Regierung Hadi und den Huthis einzumischen. Denn die Geschichte zeigt, dass externe Akteure im Jemen keinen Krieg gewinnen können. In vielem erinnert der Jemen an Afghanistan: Berge erschweren die konventionelle Kriegsführung, Stämme und nicht die Zentralregierung beherrschen das Land, kleine Gruppen von Kriegern kontrollieren Landstriche, und überdies schuf sich Al Kaida in beiden Ländern ein Rückzugsgebiet.

Die saudische Führung war aber im Frühjahr 2015 alarmiert und glaubte, gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten handeln zu müssen. Denn Iran hatte ja die Chance ergriffen, nach der Konsolidierung des schiitischen Korridors von Teheran ans Mittelmeer nun auf der Arabischen Halbinsel Fuß zu fassen. Die Chance bot sich auch, weil die Regierungsführung der Huthis, zumindest in den Anfangsjahren, besser als die der pro-saudischen Regierungen war - und die Huthis deswegen einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung genossen.

Sorge vor einem freien und demokratischen Jemen

Saudi-Arabien fürchtete, dass sich jenseits seiner durchlässigen Südgrenze im Jemen zwei Todfeinde festsetzen könnten: Iran und als Alternative dazu die sunnitische Muslimbruderschaft, die seit der Arabellion im Jahr 2011 alle Wahlen in der arabischen Welt gewonnen hatte. Die Emirate teilten diese doppelte Furcht. Schließlich stehen Saudi-Arabien und die Emirate an der Spitze der Konterrevolution. Keinem war daran gelegen, dass an der strategisch wichtigen Meerenge Bab al-Mandab, der Einfahrt in das Rote Meer, ein freier und demokratischer Jemen liegen würde.

Als Folge dieser Einmischung versinkt der Jemen, ähnlich wie Libyen, in einem Dauerbürgerkrieg. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben sich dabei den Südjemen mit der Insel Sokotra zum Vasallen gemacht, und der von den Huthis kontrollierte Nordjemen bleibt ein Klotz am Bein der Saudis. Gescheitert sind bislang alle Anläufe der internationalen Staatengemeinschaft, diesen Krieg zu beenden. Sie muss sich darauf einstellen, dass die Menschen im Jemen noch lange auf ihre humanitäre Hilfe angewiesen sein werden.

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