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Politik

Hohes Risiko für Benny Gantz

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
25. April 2020

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat sich wieder einmal als Überlebenskünstler erwiesen. Vor allem die Corona-Krise zwang Benny Gantz zu Zugeständnissen, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Mit der Einigung auf eine Koalition konnte die vierte Wahl zur Knesset innerhalb eines Jahres vermieden werdenBild: picture-alliance/ZumaPress/N. Alon

Benjamin Netanjahu hat weitere drei Jahre Macht gewonnen. Er bleibt vorläufig Ministerpräsident, und er hat sich in den Verhandlungen mit seinem künftigen Koalitionspartner Benny Gantz in nahezu allen Punkten durchgesetzt. Damit stehen die Chancen für ihn gut, dass die Anklagen gegen ihn wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue weiterhin an ihm abprallen, obwohl er sich jetzt vor Gericht zu verantworten hat. Die nationale Notstandsregierung, an der auch kleinere Parteien beteiligt sind, soll drei Jahre Bestand haben. In der Knesset verfügt sie mit 72 der 120 Abgeordneten über eine solide Mehrheit.

Die Vereinbarung sieht vor, dass Netanjahu das Amt des Ministerpräsidenten nach 18 Monaten an Gantz abtreten soll. Zwar befürworten zwei Drittel der Israelis die neue Regierung. Aber nur jeder Dritte ist davon überzeugt, dass es zu der vereinbarten Rotation kommen wird. Schließlich hat Gantz für den Bruch seines Wahlversprechens, nicht mit Netanjahu zu koalieren, einen hohen Preis bezahlt: Von den 33 Abgeordneten, die für seine gemäßigt linke Partei Blau-Weiß in die Knesset eingezogen sind, haben sich 16 von Gantz abgewandt. Er steht nun an er Spitze einer halbierten Partei.

Nur der kleine Juniorpartner

Gantz wird damit Netanjahus kleiner Juniorpartner sein. Selbst wenn es zur Rotation kommen sollte, bliebe Netanjahu der starke Mann im Kabinett - nicht zuletzt, weil er weiterhin für den strategischen Dialog mit den USA und Russland verantwortlich sein soll und es damit in der Hand hat, jederzeit mit einem seiner wichtigsten Anliegen spielen zu können: dem Vollzug der Annexion der Westbank. Ohne Unterstützung der USA würde auch Netanjahu sie nicht wagen.

Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

16 Monate lang war in Israel die Regierung lediglich geschäftsführend im Amt. Geschäftsführende Regierung können aber keinen Staatshaushalt verabschieden, und für eine Krise wie der derzeitigen Corona-Pandemie sind sie nicht handlungsfähig genug. Daher biss Gantz aus staatsbürgerlicher Verantwortung in den sauren Apfel und stimmte schließlich doch einer Koalition mit Netanjahu zu. Und so rettete Netanjahu, der auf Kosten der Glaubwürdigkeit des Rechtsstaat handelt, sein Fell.

Gantz brach nicht nur sein Wahlkampfversprechen, er akzeptierte auch die meisten Bedingungen Netanjahus. So soll nun das Gesetz geändert werden, dass Netanjahu trotz der Anklagen auch stellvertretender Ministerpräsident sein dürfte, was bislang ausgeschlossen ist. Und sollte das Oberste Gericht Netanjahu verbieten, seine Amtsgeschäfte fortzuführen, wird Gantz mit ihm zurücktreten. Diesen Fall hofft Netanjahu aber zu verhindern: Schließlich hat er durchgesetzt, dass seine Partei, der Likud, den Vor­sitzenden des Jus­tiz­aus­schusses stellen wird, der bei der Er­nen­nung von Rich­tern des Obers­ten Ge­richts ein Mitspracherecht hat.

Hoffen auf Lob für eine mutige Entscheidung

Netanjahu klebt an der Macht, bislang hat er Israel 14 Jahre als Ministerpräsident regiert. Gantz kann bei der nächsten Wahl nur hoffen, dass die Wähler, die Netanjahu trotz der gegen ihn laufenden Verfahren bislang nicht abgestraft haben, dann für seinen Mut belohnen, dass er in Zeichen der Not Israel eine handlungsfähige Regierung ermöglicht hat.