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Politik

Keine Orbanisierung Polens

Gastkommentarbild - Bartosz Wielinski - Ressortleiter Außenpolitik der Gazeta Wyborcza
Bartosz T. Wielinski
23. Oktober 2018

Die regierende Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) bleibt zwar stark, aber Polen wird kein zweites Ungarn - das ist die Lehre aus den Regionalwahlen vom Sonntag, meint Bartosz T. Wieliński von der "Gazeta Wyborcza".

Warschau solle wie Budapest werden, forderte PiS-Chef Jarosław Kaczyński vor sieben Jahren. Seit dem Herbst 2015, als seine Partei die Parlamentsmehrheit errang, arbeitet er an diesem Ziel. Kaczyński ist fasziniert vom ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Im Frühjahr 2016 haben beide mehrere Stunden in einem Wirtshaus in Südpolen verbracht. Der ungarische Populist erklärte seinem polnischen Kollegen damals, wie die liberale Demokratie geschwächt und sogar abgebaut werden kann. Kaczyński folgt seither den ungarischen Ratschlägen.

Mit der politischen Kontrolle über die öffentlich-rechtlichen Medien, das Verfassungsgericht sowie die gesamte Justiz entstand der Eindruck, dass Polen Ungarn tatsächlich immer ähnlicher wird. Zumal auch die Proteste gegen die Regierung sehr leise wurden - wie in Ungarn, wo die Macht von Orban so gefestigt ist, dass keine politische Wende absehbar ist. Das Wahlergebnis vom Sonntag zeigt jedoch: Polen ist anders.

Eine Rekord-Wahlbeteiligung

Denn den Polen ist es nicht gleichgültig, in welche Richtung sich ihr Land bewegt. Die Polen stehen für Demokratie und für Europa. Beweis dafür ist die hohe Wahlbeteiligung: Mehr als 51 Prozent gingen wählen. Was in Deutschland ein miserables Ergebnis wäre, ist bei polnischen Kommunalwahlen nach der Wende von 1989 ein Rekord!

Die landesweiten Wahlergebnisse ergeben zunächst ein widersprüchliches Bild. Zweifellos hat die PiS mit 33 Prozent der Stimmen die meisten Stimmen bekommen. Die oppositionelle liberale Bürgerkoalition erreichte nur 26 Prozent. Kein schlechtes Ergebnis, aber auch ein Zeichen, dass die Pro-Europäer landesweit nicht imstande sind, über die PiS zu siegen.

Erstaunlich eindeutig hingegen der Wahlausgang in den wichtigsten polnischen Städten, denn hier haben die Konservativen verloren. Spektakulärstes Beispiel ist die Hauptstadt Warschau, wo Patryk Jaki für die PiS gegen Rafał Trzaskowski von der Bürgerkoalition antrat. Dieses Duell war für Polen von zentraler Bedeutung, denn hätte Jaki gesiegt, wäre der Schock vergleichbar gewesen mit der Niederlage von Präsident Bronisław Komorowski gegen den damals unbekannten PiS-Politiker Andrzej Duda vor drei Jahren. Das hätte das Ende der Opposition bedeutet.

Der Plan von der Weltmetropole Warschau

Genau hierauf hatte die PiS gehofft. Ihr Kandidat Jaki versprach, dass er Warschau zu einer Weltmetropole machen werde. Das Kabinett hat ihn massiv im Wahlkampf unterstützt und versprochen, dass Jakis Pläne aus dem Staatshaushalt finanziert würden. Und die regierungstreuen öffentlich-rechtlichen Medien lobten Patryk Jaki Tag und Nacht, während Trzaskowski nur in sehr schlechtem Licht dargestellt wurde.

Hohe Wahlbeteiligung bei den Regionalwahlen in PolenBild: picture-alliance/NurPhoto/J. Arriens

Dennoch war mit 54 Prozent der Stimmen für Trzaskowski die Sache schon im ersten Wahlgang entschieden - womit selbst die optimistischsten Umfragen übertroffen wurden. Denn vor allem in der Schlussphase des Wahlkampfs hat die PiS dramatische Fehler gemacht. So haben die Mitarbeiter von Jaki die Wähler der Hauptstadt gewarnt, dass die Regierung bei dessen Niederlage keinen Cent mehr in Warschau investieren werde. Diese Drohung kam extrem schlecht an. Außerdem veröffentlichte die PiS kurz vor dem Wahltag ein Video, in dem behauptet wurde, dass die Opposition Polen mit Flüchtlingen überschwemmen werde, welche Gewalt in die Straßen der Städte brächten. Ein Stück rassistischer Propaganda vom Feinsten. Vor drei Jahren, auf dem Höhepunkt der Migrationskrise, konnte die PiS mit solcher Hetze im Parlamentswahlkampf punkten. Jetzt hingegen war es völlig kontraproduktiv und hat die PiS viele Stimmen gekostet.

Am Freitag vor der Wahl stoppte außerdem der Europäische Gerichtshof die von der Regierung verfügte Zwangspensionierung von Richtern - ein entscheidender Erfolg im Kampf um eine unabhängige Justiz. Erst wenige Tage zuvor hatte der polnische Justizminister angeordnet, dass geprüft werden solle, ob die Verbindlichkeit von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs überhaupt verfassungskonform sei. Was bei vielen Wählern die Furcht nährte, die PiS wolle wirklich mit der EU brechen.

Großstädte als Hochburgen der Opposition

Nicht nur in Warschau, auch in anderen Großstädten wie Posen, Breslau, Lodz oder Rzeszów hat die PiS schlecht abgeschnitten. Sogar in Białystok an der Ostgrenze Polens, wo die PiS eigentlich besonders stark ist, fiel der PiS-Kandidat durch. Die großen Städte wurden somit Hochburgen der polnischen Demokratie. In Ungarn gibt es solche Hochburgen der Opposition nicht, denn Budapest ist die einzige Metropole des Landes. Debrecen, die zweitgrößte Stadt des Landes hat nur rund 200.000 Einwohner - weniger als Białystok, das auf Platz 10 der Liste der größten polnischen Städte steht. 

Die PiS redet zwar offiziell von einem Sieg, intern jedoch ist massive Enttäuschung zu spüren. Besonders beunruhigend aber sind Äußerungen von PiS-Politikern, angesichts der schlechten Wahlergebnisse müsse man die Freiheit der privaten Medien begrenzen und Regierungstreue erzwingen. Schon seit Jahren behauptet die Partei ja, die Medien stünden unter der Kontrolle Berlins und müssten wieder polonisiert werden. So zeichnet sich ab, dass die Parteistrategen mit Blick auf die 2019 anstehenden Europa- und polnischen Parlamentswahlen ihre bisherige Politik weiter verschärfen werden.

Die Einwohner der Großstädte Polens haben am Wochenende eindrucksvoll gezeigt, was sie von der Politik der PiS halten. Sicher ist, dass sich das Land nicht einfach orbanisieren lässt. Aber Europa wird sich noch lange Sorgen um Polen machen müssen.

Bartosz T. Wieliński ist der Leiter des Ressorts Außenpolitik der polnischen Tageszeitung "Gazeta Wyborcza".

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