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Politik

Erdogans Interessen in Libyen

Kommentarbild PROVISORISCH | Rainer Hermann, FAZ & Klett-Cotta
Rainer Hermann
3. Januar 2020

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat nun die Möglichkeit, die Regierung in Tripolis militärisch zu unterstützen. Ein hoch riskanter Plan, meint Rainer Hermann von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Bild: picture-alliance/dpa/AP/Presidential Press

Es spricht für das gestiegene Selbstverständnis der Türkei unter ihrem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, wenn die Entsendung von Truppen nach Libyen damit begründet wird, dass die Interessen Ankaras in dem nordafrikanischen Land auf dem Spiel stünden. Der Anspruch ist klar: Die Türkei sieht nun auch Libyen als Teil ihres Hinterhofs und ist bereit, anders als die Zuschauer in Europa, ihre Interessen militärisch zu untermauern.

Das Gesetz, dem das türkische Parlament am Donnerstag zugestimmt hat, greift sogar über Libyen hinaus. Denn indem Gesetz heißt es, der Konflikt in Libyen bedrohe die türkischen Interessen in ganz Nordafrika und im Mittelmeerraum. Die Türkei, ein Schwellenland, will also mit den ganz Großen mitspielen.

Vage Ziele

Ein Jahr lang kann nun Präsident Erdogan nach eigenem Ermessen Soldaten und Waffen nach Libyen schicken. Die politischen Ziele der militärischen Intervention bleiben vage. Klar ist lediglich, dass Erdogan die libysche Regierung von Ministerpräsident Fajez Sarradsch retten will. Denn als Gegenleistung für die militärische Hilfe unterstützt Sarradsch den türkischen Anspruch auf einen erweiterten Festlandsockel im Mittelmeer, in dem große Erdgasvorkommen vermutet werden. Ohne Sarradsch würden Erdogans Erdgasträume aber rasch platzen.

Rainer Hermann ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen ZeitungBild: Helmut Fricke

Dass sich die Türkei mit ihrem Libyen-Abenteuer weiter isoliert, ficht Erdogan nicht an. Er kämpft im Gegenteil umso entschlossener. Unterstützung erhält die Türkei von keinem anderen Mittelmeeranrainer für ihr Vorgehen; die hilflose arabische Welt wirft der Türkei die Verletzung des Völkerrechts vor; Europa verfolgt die Entwicklung wie immer mit Sorge. Und in der Türkei selbst wettert die Opposition, die in der Vergangenheit "grenzüberschreitende Operationen" verlässlich unterstützt hat, diesmal vehement gegen eine Intervention in Libyen.

Neo-osmanischen Fantasien

Trotz so viel Gegenwind zieht Recep Tayyip Erdogan seine Libyen-Politik unbeirrt durch. Denn die Schwäche, teilweise sogar Implosion der arabischen Welt spielt ihm ebenso in die Karten wie die Beschäftigung Europas mit sich selbst. Das beflügelt die neo-osmanischen Fantasien der türkischen Führung. Schließlich hatte Libyen bis 1912 zum Osmanischen Reich gehört, ebenso die griechische Inselgruppe des Dodekanes. Die - würde das maritime Abkommen zwischen Libyen und der Türkei Wirklichkeit - künftig Teil eines "türkischen Meeres" wäre.

Die Gefahren für die Türkei sind allerdings gewaltig. Denn der Rebellengeneral Chalifa Haftar, der Militärmachthaber über ganz Libyen werden will, hat starke Verbündete - etwa Russland, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten. Die würden nicht zögern, nach einer türkischen Intervention Haftar mit noch mehr Waffen und Söldnern auszustatten. Dann würde die Türkei in einem eskalierenden Bürgerkrieg rasch unter die Räder kommen. Und sie könnte die Interessen vergessen, die sie jetzt zu verteidigen vorgibt. Wenn sich dann noch ein neuer Flüchtlingsstrom von Libyen in die Türkei in Gang setzt, würde sie zudem Opfer ihrer eigenen Politik.

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