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Politik

Eine schlechte Idee

Bonn - James Pardew, ehemaliger US Diplomat und Botschafter in Bulgarien.
James W. Pardew
6. September 2018

Die EU lockt Serbien und das Kosovo mit der Mitgliedschaft, wenn sie ihre Konflikte lösen. Ein Gebietsaustausch soll Frieden bringen, schafft aber nur neue Probleme, meint der frühere Balkan-Vermittler James W. Pardew.

Bild: DW/N. Rujevic

Die amerikanische Diplomatie auf dem Balkan - vom Dayton-Abkommen in Bosnien 1995 bis zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo 2008 - hat nie die Idee verfolgt, die Landesgrenzen der aus dem Zerfall Jugoslawiens hervorgegangenen Nationen neu zu ziehen. Anstatt Änderungen an den nationalen Grenzen vorzuschlagen, hat Washington stets die Lösung ethnischer Probleme durch die Instrumente der Demokratie gefördert. Die von den USA geführten Gespräche auf praktischer Ebene waren schwierig genug - da musste man nicht noch endlose Probleme durch Diskussionen über nationale Grenzen aufwerfen.

In den Verhandlungen über das Ohrid-Abkommen, das einen ethnisch motivierten Bürgerkrieg in Mazedonien verhindert hat, haben die Parteien nie ernsthaft die territoriale Trennung zur Lösung ihrer Probleme in Betracht gezogen. Das Ohrid-Abkommen beruht auf dem Grundprinzip: "Es gibt keine territorialen Lösungen für ethnische Fragen."

Allein im Dayton-Abkommen haben die USA ein Stück weit der Idee der Trennung entsprochen, indem sie innerhalb des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina die beiden Entitäten "Republika Srpska" und die "Föderation Bosnien und Herzegowina" mit ihren sehr weitreichenden Kompetenzen zugelassen haben. Doch die so geschaffene Trennung der Volksgruppen hat nur die ethnische Verbitterung und Spaltung vertieft und Einmischungen von außen in die inneren Angelegenheiten Bosniens und Herzegowinas gefördert.

Mehr als nur ein Hauch von Rassismus

Leider kommt bis heute immer wieder jemand auf die Idee, nationale Grenzen zu ändern, um ethnische Konflikte zu lösen. Der jüngste Vorschlag, der für Pristina offenbar einen gewissen Reiz hat, ist der Tausch des nördlichen Kosovo jenseits des Flusses Ibar, wo viele Serben leben, gegen ein Stück Land im Presevo-Tal in Südserbien, in dem viele Albaner beheimatet sind. Dieser Tausch soll sowohl dem Kosovo als auch Serbien den Weg in die Europäische Union ebnen.

Doch dieser in Aussicht genommene Handel mit Territorien ist eine schlechte Idee. Die Neuordnung nationaler Grenzen zur Lösung ethnischer Konflikte ist eine Praxis aus der Kolonialzeit, die darauf abzielt, weitgehend ethnisch reine Gebiete zu schaffen. Das Konzept entspricht dem Denken von Nationalisten und atmet mehr als nur einen Hauch von Rassismus. Es hat außerdem in der Vergangenheit wenig dazu beigetragen, ethnische Spannungen zu reduzieren. Und es ist unwahrscheinlich, dass dies jetzt der Fall wäre.  

Was ist mit den Serben, die in den anderen Regionen des Kosovo leben? Was mit den Serben, die im Presevo-Tal zuhause sind, und den Albanern, die im nördlichen Kosovo wohnen oder dort Eigentum besitzen? 

Im russischen Interesse

Ein solcher Landtausch zwischen dem Kosovo und Serbien führt also sehr wahrscheinlich nur zu größerer Instabilität in der Region. Wird er Realität, dann werden Serbien und die Republika Srpska in Bosnien mit ziemlicher Sicherheit anfangen, auch andere Territorien zu benennen, die man ganz dringend tauschen müsse.

Der US-Diplomat James W. Pardew war als Vermittler in den Balkankriegen der 1990er-Jahre unterwegsBild: DW/B. Georgievski

Die anhaltenden Bemühungen Russlands, die Instabilität auf dem Balkan zu fördern, sind ein weiterer Grund, bei einem Landtausch zwischen Kosovo und Serbien sehr vorsichtig zu sein. Angesichts der Affinität Belgrads zu Moskau und Russlands Bemühungen, auf dem gesamten Balkan Zwietracht zu säen, passt die Idee der Neuordnung von Grenzen nämlich gut in die russische Strategie, Demokratie und Stabilität in der Region zu untergraben. Und die partielle Korrektur der Grenzen auf dem Balkan passt außerdem ganz hervorragend zum Vorgehen Russlands gegenüber Georgien und der Ukraine.

Leider fällt die egozentrische Trump-Administration heute in wichtigen Fragen in Europa völlig aus. Republikanische US-Regierungen haben noch nie viel Interesse am Balkan gezeigt - aber die Trump-Administration weniger denn je. John Bolton, der derzeitige nationale Sicherheitsberater des US-Präsidenten, kündigte vor einigen Tagen ironischerweise ausgerechnet in Kiew an, dass sich die USA einem Gebietstausch zwischen dem Kosovo und Serbien nicht widersetzen würden.

Die Grundsätze der Demokratie

Das Zeichnen neuer Linien auf der Landkarte sieht immer wie eine einfache Lösung aus. Aber das ist es nicht. Die Frage der restlichen im Kosovo lebenden Serben und der in Serbien lebenden Albaner werden neue Konflikte schaffen. Der Wert des zu übertragenden Gebiets und ein eventueller Nachteilsausgleich werden schwierig zu bestimmen sein. Der Kosovo wird wahrscheinlich die volle Anerkennung seiner Souveränität und der Trennung von Serbien verlangen, bevor überhaupt eine Einigung erzielt werden kann. Auch der serbische Zugang zu historischen Stätten im Kosovo muss gelöst werden. Die noch zu verhandelnden Fragen sind sehr knifflig, und es gibt keine Garantie für eine Einigung.

Kommt es zu diesem Schritt, ist dies ein grundlegender Bruch mit den erfolgreichen internationalen Bemühungen, welche die Kriege auf dem Balkan zwischen 1995 und 2008 beendet sowie weitere verhindert haben: die Abkehr vom demokratischen Prinzip der Gleichheit aller Staatsbürger, hin zum alternativen Konzept einer territorialen Trennung ethnischer Gruppen, um ethnische Spannungen zu entschärfen.

Es ist richtig: Die Grundsätze der Demokratie umzusetzen - gleiches Recht, gleiche Chancen und gleiche Behandlung aller Bürger - kann lange dauern und auch sehr viel Einsatz erfordern, um die ethnischen Beziehungen in einer Region zu verbessern. Aber auf lange Sicht ist die von der Demokratie gebotene Gleichbehandlung aller Staatsbürger ein weitaus besserer und stabilerer Ansatz zur Lösung der ethnischen Spannungen als die Neuordnung von Grenzen.

James W. Pardew, Jahrgang 1944, machte Karriere als Offizier und Diplomat der Vereinigten Staaten. In den 1990er-Jahren war er als rechte Hand von Richard Holbrooke maßgeblich an den internationalen Bemühungen um Frieden auf dem Balkan beteiligt. Von 2002 bis 2005 amtierte er als US-Botschafter in Bulgarien.

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