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Politik

Neue Initiative für den Westbalkan?

Christian Schwarz-Schilling
10. September 2019

Die USA haben den ersten Schritt gemacht, um die mit eigenen Problemen beschäftigte EU wachzurütteln, meint Christian Schwarz-Schilling. Sie bringen die Westbalkan-Länder wieder an den Verhandlungstisch.

Christian Schwarz-Schilling Kommentarbild App
Bild: Oliver Rüther

Auf der Konferenz "Bled Strategic Forum" in Slowenien ging es unter anderem um Fragen der EU-Integration der Westbalkan-Staaten: Außenminister dieser Länder waren vertreten, aber auffällig wenige EU-Außenminister. Der Gast, der mit Sicherheit die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog, war der Amerikaner Matthew Palmer in seiner Funktion als neu ernannter "Special Envoy" für den Westbalkan. Die USA haben wieder einmal die Initiative ergriffen und den ersten Schritt gemacht, um die mit eigenen Problemen beschäftigte EU wachzurütteln und die in einer Sackgasse gelandeten Westbalkan-Länder wieder an den Verhandlungstisch zu bringen und zu einer echten Lösung der seit fast 20 Jahren bestehenden Unstimmigkeiten zu bewegen. Eigentlich wäre es die Sache der EU gewesen, die Probleme der Region und die europäische Integration dieser Länder energisch zu fördern. In den 90er Jahren, als Bosnien-Herzegowina und später der Kosovo in furchtbare Kriege verwickelt waren, waren es die Initiativen der USA, welche die Dinge im Balkan auf den rechten Weg gebracht haben.

USA wollen die Region nicht dem russischen Einfluss überlassen

Nach unseren Erfahrungen sind jedoch nur Lösungen, die zwischen Amerika und Europa abgestimmt werden, erfolgreich und von Dauer. Alle bisherigen Aktionen Brüssels waren zu lasch und nicht wirklich zielführend, deswegen kann man für die Initiative der USA nur dankbar sein, obwohl das einigen Europäern sicher nicht gefällt. Ein guter Kenner der Region, Professor Daniel Serwer, meinte, dass Präsident Trump noch einen Erfolg vor den US-Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr verbuchen will - in Bezug auf die festgefahrene Situation zwischen Serbien und Kosovo. Auch glaubt man, dass die USA die Region nicht so einfach dem russischen Einfluss überlassen wollen, denn der ist ohnehin schon sehr stark geworden.

Alle sind sich einig, dass Matthew Palmers Fokus auf Kosovo und Serbien liegt. Die Diskussion um den gefährlichen "Land Swap" (Gebietstausch) zwischen Kosovo und Serbien, mit katastrophalen Konsequenzen für Bosnien-Herzegowina und andere Staaten der Region, war nach der Berliner Westbalkan-Konferenz Ende April vom Tisch. Ich habe seit langem vor solchen neuen Grenzziehungen nach ethnischen Gesichtspunkten energisch gewarnt. Hoffentlich besteht jetzt Klarheit darüber, dass die internationale Gemeinschaft auf diesem festen Standpunkt mit den Friedensverträgen übereinstimmt. Palmer hat sich darüber noch nicht dezidiert geäußert. Er hat aber trotzdem eine Botschaft, dass die USA keine monoethnischen, sondern "bürgerliche" Staaten auf dem Balkan sehen möchten. Das stimmt überein mit der europäischen Linie und Deutschland.

Bosnien-Herzegowina: Europa ist nicht in der Lage, ein klares Wort zu sprechen

Sollte nun nicht auch die EU die Initiative ergreifen und gerade für die festgefahrenen Gespräche zwischen Belgrad und Pristina einen Sonderbeauftragten ernennen, der wiederum auch für die Region des Westbalkans zuständig sein sollte? Das wäre nur konsequent. Wäre es nicht an der Zeit, der serbischen Minderheit, die im Kosovo lebt, eine eigene Stimme zu geben und nicht nur zu warten, bis Belgrad für diese Serben der einzige Stimmführer ist? Nun traf der Präsident Serbiens, Aleksandar Vučić, gerade eben erst mit den US-Senatoren Ron Johnson und Chris Murphy zusammen. Der Republikaner Johnson ist Experte für Sicherheitsfragen im In- und Ausland - das ist ein gutes Signal. Hier sollte die EU schleunigst ebenfalls mit den USA zusammenarbeiten, um ihre europäische Perspektive einzubringen.

Man muss auch die Frage stellen, ob nicht Bosnien-Herzegowina, das den fürchterlichsten ethnischen Krieg erlebt hat, seit Jahren eine Geisel der Balkan-Auseinandersetzungen ist. Längst hätte man hier Klarheit schaffen müssen, dass die Ambition von Milorad Dodik, die Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina abzutrennen, in die Irre führt und den Staat Bosnien-Herzegowina zerstören würde. Da Europa offensichtlich nicht in der Lage ist, hier ein offenes und klares Wort zu sprechen, müssten die USA auch hier für Eindeutigkeit sorgen. Den früher verfeindeten Staaten Serbien und Bosnien-Herzegowina kann man hier aufgrund der historischen Prozesse nicht einfach alleine die Verhandlungen überlassen. Die Einheit Bosnien-Herzegowinas wird durch die Politik der Republika Srpska unterwandert. Dem muss für jeden sichtbar ein Riegel vorgeschoben werden, zumal das dem besonders von Amerika verhandelten Dayton-Abkommen direkt zuwiderläuft. Es bleibt die Hoffnung, dass die USA und Europa genügend historische Erfahrungen gesammelt haben, um die Wichtigkeit zu erkennen, jetzt mit der neuen Initiative von Herrn Palmer und in Europa durch die personelle Neubesetzung der EU-Kommission aufeinander zuzugehen und am gleichen Strang zu ziehen. 

Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling war von 1982 bis 1992 Bundesminister für Post und Telekommunikation. Aus Protest gegen die Haltung der Bundesregierung im Bosnien-Krieg trat er vom Ministeramt zurück. 2006/07 amtierte er als Hoher Repräsentant und Sonderbeauftragter der Europäischen Union für Bosnien-Herzegowina.

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