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"Nkurunziza tötet mein Volk!"

Domitille Kiramvu
Domitille Kiramvu
1. Juli 2015

Sie arbeitete für den Sender RPA in Burundi. Von dort berichtete sie auch für die Deutsche Welle. Wie viele andere Journalisten musste sie vor kurzem aus Burundi fliehen. Domitille Kiramvu zur Lage in ihrem Heimatland.

Bild: Reuters/G. Tomasevic

Anfang dieses Jahres reiste ich nach Belgien, offiziell um Familienangehörige zu besuchen, die seit Juli 2013 dort leben. Ich hatte mich für fünf Monate vom Sender beurlauben lassen. Im Juni sollte ich eigentlich nach Burundi zurückkehren. Doch daraus wurde nichts. Denn es ist mir völlig unmöglich geworden, in mein Land zurückzukehren. Zu groß ist in den vergangen Monaten die Bedrohung seitens des Nkurunziza-Regimes und den Milizen seiner Jugendorganisation Imbonerakure geworden: Mehrmals bin ich von Anhängern der Jungendorganisation der Partei Nkurunzizas oder von Angehörigen der Sicherheitskräfte mit dem Tode bedroht worden.

Der Grund war offensichtlich die Nachrichtensendung, die ich täglich um 12.30 Uhr im Radiosender Radio Publique Africaine, RPA, präsentierte. RPA ist ein Sender, der kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es darum geht anzuprangern, was im Land falsch läuft. Und ich war nun mal diejenige, die die 12.30 Uhr-Nachtrichten präsentierte, die meistgehörte Nachrichtensendung, mitten am Tag. Und das in Kirundi - der Sprache, die jeder im Land versteht - vom Staatspräsidenten bis zum einfachsten Bürger in der entferntesten Ecke des Landes. Diese Sendung gibt es nicht mehr, die Kritik ist verstummt. Burundi aber ist noch tiefer in der Krise versunken.

Todesdrohungen, Angst und Schrecken

Frühmorgens - an einem Samstag, im November 2014 - wurde ich vom Geschrei meiner Nachbarn wach. Sie wollten mich warnen: Unbekannte hätten eine Granate genau vor meine Tür geworfen. Zum Glück ist sie nicht explodiert. Wahrscheinlich wurde sie dilettantisch entsichert. An jenem Tag präsentierte ich wieder einmal die Wochenendausgabe der 12.30 Uhr-Nachrichten. Und ich erinnere mich genau an den Drohanruf kurz nach der Sendung: "Idiotin! Glaubst Du, Du seist unsterblich?" Von dem Tag an hörten die Drohungen nicht mehr auf. Im Gegenteil: Sie wurden immer massiver. Ich bekam immer öfter Todesdrohungen. Ich konnte praktisch nicht mehr in meiner eigenen Wohnung übernachten. Es erschien mir einfach zu gefährlich. Deshalb verbrachte ich die Nächte bei Freunden oder in der Redaktion. Meine Wohnung suchte ich nur in dringenden Fällen auf.

Am 20. Dezember 2014 suchte mich dann ein mir bereits bekannter Imbonerakure-Anhänger bei Radio RPA auf. Unverhohlen drohte er: "Diesmal werden wir uns nicht, wie 2006, mit Deiner Verhaftung zufriedengeben. Wir werden Dich töten!" 2006 hatten sie mich schon einmal ins Zentralgefängnis von Bujumbura gesteckt, weil ich über eine Verschwörung berichtete, die frühere Amtsträger zwingen wollte, die politische Landschaft zu räumen.

Die Journalistin Domitille KiramvuBild: DW

Unsere Recherchen hatten damals mysteriöse Fälle ans Tageslicht gebracht: makabre Geschichten von verschwundenen Oppositionellen und Angehörigen zivilgesellschaftlicher Gruppen. Spätestens da begann ich ernsthaft über eine Flucht aus Burundi nachzudenken. Ich wollte nicht dasselbe Schicksal erleiden wie die vielen Verschwundenen und Ermordeten in meinem Land. Deshalb kam ich nach Europa.

Unabhängige Medien am Pranger

Nun haben wir Juli 2015, mein unbezahlter Urlaub ist vorbei. Und die Situation in Burundi hat sich nicht gebessert. Im Gegenteil: Sie hat sich dramatisch verschärft: Die Demonstrationen gegen das Nkurunziza-Regime wurden von den Sicherheitskräften und Imbonerakure-Milizen niedergeknüppelt. Letztere haben sogar meinen Radiosender RPA in Brand gesetzt. Für mich bedeutet das: Ich habe kein Einkommen mehr und weiß nicht mehr, wohin.

Fast alle Journalisten, die für unabhängige Sender wie RPA, Isanganiro, Bonesha oder Renaissance arbeiteten, haben das Land inzwischen verlassen. Diejenigen, die geblieben sind, müssen sich verstecken. Fast alle privaten Radiostationen sind zerstört und in Brand gesetzt worden. Ich habe die schreckliche Vorahnung, dass meinem Land ein Blutbad bevorsteht. Das Regime möchte wieder im großen Stil Oppositionelle verschwinden lassen. Und sie wollen keine Zeugen, keine unabhängigen Medien, die darüber berichten.

Pierre Nkurunziza organisiert seine "Wahlen" und will dabei nicht von der Opposition gestört werden. Über hunderttausend Burunder sind in den vergangenen Monaten ins Ausland geflohen - die meisten in Nachbarländer, andere nach Europa. Die Wahlen sollen durchgezogen werden - ohne die Präsenz von unabhängigen Medien. Pluralistische Berichterstattung soll es nicht geben, nur das Staatsradio. Nur den Radiosender Nkurunzizas, der die Perspektive der Machthaber widerspiegelt. Wie kann man unter solchen Umständen Wahlen abhalten? Wahlen, die nur von Nkurunzizas Clique unterstützt werden, und deren Anhänger man inzwischen an einer Hand abzählen kann?

Dazu kommt: Selbst Nkurunzizas Weggefährten, die großen Fische der burundischen Politik, verlassen inzwischen das Land. Ein Beweis dafür, dass sich die Lage im Land nicht normalisiert. Es ist nicht auszuschließen, dass eines nicht fernen Tages, diejenigen, die geflohen sind, den Widerstand proben und den Präsidenten mit Gewalt davonjagen.

Nach dem gescheiterten Militärputsch wurden Privatsender wie RPA geschlossenBild: Reuters/J. P. A. Harerimana

Nkurunziza muss zurücktreten

Ich selbst sehe für mich keine Möglichkeit, nach Burundi zurückzukehren, solange Nkurunziza an der Macht festhält. Er müsste auf sein umstrittenes drittes Mandat verzichten. Und er müsste sein Volk um Entschuldigung bitten - das Volk, das er betrogen und missbraucht hat. Aber ist es dafür nicht schon längst zu spät?

Die internationale Gemeinschaft hat wiederholt erklärt, Nkurunziza müsse auf ein drittes Mandat verzichten. Das ist gut so. Aber diese Verlautbarungen reichen nicht aus. Denn die Lage in meinem Land wird immer unerträglicher. Die Milizen Nkurunzizas töten das burundische Volk - einen nach dem anderen. Junge Angehörige der Opposition. Angehörige der Zivilgesellschaft. Journalisten. Was in meinem Land Burundi passiert, ist ein regelrechter politischer Völkermord. Die internationale Gemeinschaft muss aufwachen. Sonst riskiert sie, in Burundi bald ein neues Ruanda vorzufinden.

Was mein Land jetzt braucht, ist eine Intervention internationaler Friedenstruppen. Die Burunder dürfen nicht ihrem Schicksal überlassen werden.

Nach der Schließung von RPA und anderer Privatsender gibt es nur nur noch Nkurunziza-treue MedienBild: Reuters/T. Mukoya

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