Rechtsstaat geht anders
Besonders rechtsstaatlich ist das nicht: Da entlässt die Türkei den deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner vorläufig aus der Haft. Aber offenbar vor allem deshalb, weil der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder erfolgreich vermittelt hat.
Wenn sich also ein Männerfreund einschaltet und den türkischen Präsidenten Erdogan davon überzeugen kann, dass es nun opportun wäre, einen Gefangenen freizulassen, dann passiert es eben. Deshalb sind Freudentränen berechtigt. Denn es ist ein Mensch freigekommen, den ein Potentat - wie andere noch einsitzende Gefangene - wie eine Geisel gehalten hat. Freude aber über rechtsstaatliche Fortschritte der Türkei ist nicht angebracht. Denn solche sind nicht zu erkennen.
Immerhin aber bemüht sich Ankara, die Bahnen des Rechts nicht gänzlich zu verlassen. Es hat jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte um eine Fristverlängerung gebeten. Da geht es um das Schicksal des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel, der seit Monaten ohne Anklage in türkischer Haft sitzt. Die Türkei hat sich also bisher nicht aus dem Europarat verabschiedet.
Aber was wird mit Yücel und den anderen Häftlingen geschehen? Und was ist der Preis für die Freilassung Steudtners? Eine Vermittlung, ein Deal mit Erdogan bedeutet ja, dass eine Gegenleistung in Aussicht steht. Und auch wenn es nur gutes Zureden war und die Türkei die Freiheit für Steudtner als großzügige humanitäre Geste sieht - über die Freiheit der Person müssen in Europa unabhängige Gerichte nach Recht und Gesetz entscheiden.
Unabhängig von einer - mittlerweile illusorisch erscheinenden - Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union: Ankara ist an die Europäischen Menschenrechtskonvention und grundlegende völkerrechtliche Verpflichtungen gebunden. Darauf weiterhin zu pochen, ist keine Einmischung in eine innertürkische Angelegenheit. Das geht alle an.