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Politik

Chapeau, Monsieur le Président!

Jörg Himmelreich Kommentarbild App PROVISORISCH
Jörg Himmelreich
5. Juli 2019

Nach mehr als 50 Jahren soll wieder jemand aus Deutschland an der Spitze der EU-Kommission stehen. Doch profitieren wird hiervon vor allem Frankreich, konkret: Präsident Emmanuel Macron, meint Jörg Himmelreich.

Ursula von der Leyen und Emmanuel Macron bei der Flugschau in Le Bourget Mitte JuniBild: Imago Images/PanoramiC/M. Baucher

Das Postengeschacher um die EU-Spitzenpositionen hat zweifellos viele Verlierer, und es hat dem Vertrauen der Wähler in die Funktionsweise der Institutionen Europas erheblich geschadet. Aber es kennt einen großen Sieger: Emmanuel Macron. Der französische Präsident konnte sich kein besseres Ergebnis für sich wünschen. Und dies in gleich mehrerlei Hinsicht:

Fünf Gründe, warum Macron der Gewinner ist

Erstens: Er hat den schwachen deutschen Spitzenkandidaten Manfred Weber mit guten Gründen verhindert und damit mittelbar den der sozialdemokratischen Parteien, Frans Timmermanns, gleich mit. Vom niederländischen Sozialisten trennen ihn trotz mancher verbalen Umarmung wirtschaftspolitisch Welten, wie er auch von Weber wenig Unterstützung für eine spezifisch französische Bankenrettungs-, Schulden- und Wirtschaftspolitik erwarten durfte.

Jörg Himmelreich ist Politikwissenschaftler und JournalistBild: privat

Zweitens: Macron hat nie verhehlt, dass er als Anhänger der alten Politikkultur des französischen Etatismus kein großer Freund des Spitzenkandidatenmodells ist, das die Rolle des Europaparlaments zumindest nach außen stärken soll. Das Modell ist ohnehin eine Fiktion. Denn solange es keine transnationalen Wahllisten gibt, sondern nur nationale, kann Manfred Weber nur von bayerischen Wählern in seinem bayerischen Wahlkreis gewählt werden und von allen übrigen EU-Bürgern eben nicht. Die Europäische Verfassung kennt für die Wahl des Kommissionschefs nur eine "Abstimmung zwischen Europäischem Rat und Europäischem Parlament", aber keine parlamentarische Demokratie mit den herkömmlichen Rechten eines nationalen Parlaments bei einer nationalen Regierungswahl. Zudem war das Europäische Parlament selbst nicht in der Lage, sich auf einen eigenen "Spitzenkandidaten" zu verständigen. Das war die Chance für Macron, das von ihm abgelehnte Spitzenkandidatenmodell zu beerdigen und die von ihm bevorzugte Nominierung durch den Europäischen Rat, das dem EU-Vertrag von Lissabon entspricht, wieder durchzusetzen.

Drittens: Mit Christine Lagarde hat er nicht nur eine Französin an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgesetzt, sondern mit ihr sich und den französischen Banken auch eine Fortsetzung von Draghis Niedrigzinspolitik garantiert. Lagardes Wahl im EZB-Rat ist sicher.

Viertens: Ursula von der Leyen hat sich zwar wirtschaftspolitisch noch wenig positioniert, sich aber im politisch sensiblen Bereich der Verteidigungspolitik um eine engere Abstimmung in einer deutsch-französischen Rüstungs- und Verteidigungspolitik bemüht. International vernetzt und auf internationalem Parkett anerkannt, besitzt sie - wie Macron ihre in Brüssel verbrachte Jugendzeit zu preisen weiß - "eine europäische DNA".

Fünftens: Auch die Wahl des liberalen belgischen Ex-Ministerpräsidenten Charles Michel zum neuen EU-Ratspräsidenten ist ein Erfolg für Macron. Er teilt dessen Vision einer stärkeren europäischen Integration. Seine Partei gehört der gleichen europäischen liberalen Parteienfamilie an, wie Macrons Bewegung "La Republique En Marche".

Ursula von der Leyen wird Macron verpflichtet sein

Das Ergebnis stärkt die Position Macrons im sensiblen Spiel der europäischen Mächte, insbesondere auch im Verhältnis zur Bundesrepublik. Von der Leyen, so sie denn gewählt wird, ist ihm verpflichtet, da er ihre Wahl erst möglich gemacht hat. Die deutsche Kanzlerin, die während der Eurokrise die europäische Politik noch maßgeblich mitbestimmte, muss sich jetzt sogar bei der Nominierung einer deutschen Kommissionspräsidentin, die ihr politisch nahe steht, der Stimme enthalten, um eine fragile deutsche Regierungskoalition über die Zeit zu retten. Und die deutschen Sozialdemokraten kennen nur folgenloses Wutgeheul. Ball paradox im absurden Theater einer deutschen Regierungskoalition im Abgang!

Ursula von der Leyen wird alles tun müssen, um das institutionelle Gefüge der EU wieder so ins Lot zu bringen, dass ein solcher deutsch-französischer und innereuropäischer Showdown in Zukunft verhindert wird. Dieses Mal ist es Macron jedenfalls gelungen, solche Personen für die EU-Spitzenposten durchzusetzen, mit denen sich wesentliche Ziele seiner Europapolitik umsetzen lassen. Chapeau, Monsieur le Président!

Jörg Himmelreich lehrt an der École Superieure de Commerce à Paris.

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