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Politik

Wandlungsfähig und wehrhaft - unser Grundgesetz

BVG Andreas Voßkuhle Urteil zu Absprachen in Strafprozessen
Andreas Voßkuhle
23. Mai 2017

Vom Provisorium wandelte sich das deutsche Grundgesetz zur Erfolgsgeschichte. Auch für alle aktuellen Krisen sind wir damit gerüstet, meint der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

Bild: picture-alliance/ dpa

Das Grundgesetz ist das Fundament unseres demokratischen Verfassungsstaats. Keine bisherige deutsche Verfassung hatte eine längere Geltungsdauer.

Dem Namen nach bis heute ein Provisorium

Dabei war das Grundgesetz zunächst lediglich als Provisorium gedacht. Als der Parlamentarische Rat in den Jahren 1948 und 1949 die Verfassung für Westdeutschland entwarf, war Deutschland faktisch geteilt. Aus Sicht der Mütter und Väter des Grundgesetzes sollte dieses Gesetz - wie Konrad Adenauer es formulierte - nur für eine Übergangszeit gelten, um die Spaltung Deutschlands nicht weiter zu verfestigen. Deshalb wurden auch die Bezeichnungen "Parlamentarischer Rat" statt "verfassunggebende Versammlung" und "Grundgesetz" statt "Verfassung" verwendet.

Andreas Voßkuhle ist Präsident des Bundesverfassungsgerichts Bild: Klaus Lorenz

Den Ruf des Provisoriums legte das Grundgesetz spätestens nach der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 endgültig ab. Es hatte seine Bewährungsproben in den vergangenen 50 Jahren bestanden und war zur Erfolgsgeschichte geworden. Es meisterte zahlreiche Herausforderungen, wie etwa die Wiederbewaffnung, die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Verabschiedung der Notstandsgesetze. Im Lauf der Jahre hat sich das Grundgesetz einen hohen Stellenwert und die Anerkennung und Akzeptanz der Bevölkerung erworben. Die Bürgerinnen und Bürger sind stolz auf ihre Verfassung. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach hatten im Jahr 2014 über 90 Prozent der Bevölkerung "sehr viel" oder "ziemlich viel" Vertrauen in das Grundgesetz und in das Bundesverfassungsgericht als "Hüter der Verfassung". Auch im Ausland ist das Grundgesetz hoch geachtet. Der amerikanische Rechtsprofessor Peter E. Quint beschreibt es als "one of the most brilliant success stories of democracy in the past-war world" (eine der großartigsten Erfolgsgeschichten der Demokratie in der Nachkriegs-Welt). Im Wege des "Verfassungsrechtsexports" diente es zahlreichen anderen Verfassungen als Vorbild, zum Beispiel in Portugal, Spanien und Estland, aber auch in Asien und Südamerika.

Keine "Schönwetterverfassung"

Aktuell leben wir in sehr bewegten Zeiten und fragen uns, welche Entwicklungen die Zukunft bringen wird. Die Welt ist zunehmend vernetzt, es werden gewaltige Datenströme erfasst und ausgewertet, der Mensch droht gläsern zu werden. Die Finanzmärkte und mit ihnen viele Staaten haben sich nach wie vor nicht vollständig von den Auswirkungen der Finanzmarkt-Krise erholt. Der internationale Terrorismus setzt unsere freiheitliche Grundordnung unter Druck; immer neue Sicherheitsgesetze beschränken die bürgerlichen Freiheiten. Die Europäische Union - Garant für Frieden und Wohlstand in den vergangenen Jahrzehnten - ist in keinem guten Zustand; mehrere Mitgliedstaaten legen die Axt an den Rechtsstaat und offenbaren ein zweifelhaftes Demokratieverständnis. Man gewinnt den Eindruck, dass die Krise der neue Dauerzustand geworden ist. Gemeinschaften können aber nicht dauerhaft im Modus der Krise operieren.

Von zentraler Bedeutung ist daher, sich auf die "Herrschaft des Rechts" als Grundprinzip unseres Zusammenlebens zu besinnen und wachsam gegenüber allen Versuchen zu sein, dieses Grundprinzip in Frage zu stellen. Das Grundgesetz steht hier im Zentrum. Es ist modern und wandlungsfähig, belastbar und durchaus wehrhaft; also keine bloße "Schönwetterverfassung". Auf diese Weise sind wir gerüstet für die Herausforderungen der Zukunft.

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