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Gauck nimmt Moskau ins Visier

1. September 2014

Der Bundespräsident hat seine Teilnahme an der Gedenkfeier in Danzig zum Weltkriegsbeginn 1939 zu sehr kritischen Worten gegenüber Russland genutzt. Zugleich positionierte Gauck Deutschland fest an der Seite Polens.

Bundespräsident Joachim Gauck und Polens Staatschef Bronislaw Komorowski bei der Gedenkfeier auf der Westerplatte bei Danzig (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bundespräsident Joachim Gauck hat eine entschlossene Reaktion des Westens auf die russische Aggression gegen die Ukraine angekündigt. "Wir werden Politik, Wirtschaft und Verteidigungsbereitschaft den neuen Umständen anpassen, sagte er bei der zentralen polnischen Feier zum Gedenken an den deutschen Überfall vor 75 Jahren und den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Von Moskau verlangte er bei dem Auftritt mit seinem polnischen Amtskollegen Bronislaw Komorowski auf der Westerplatte bei Danzig (Artikelbild), sich wieder an das Völkerrecht zu halten.

Bereits am frühen Morgen hatte der polnische Regierungschef und künftige Vorsitzende des EU-Rates Donald Tusk dafür plädiert, auf dem NATO-Gipfel in wenigen Tagen das Bündnis zu stärken. "Wenn wir heute auf die Tragödie der Ukrainer blicken, auf den Krieg im Osten unseres Kontinents, dann wissen wir, dass der September 1939 sich nicht wiederholen darf. Heute ist noch Zeit, denen Einhalt zu gebieten, für die Gewalt zum Arsenal ihres Handelns gehört", sagte er auf dem Gedenkappell auf der Halbinsel Westerplatte um 4.45 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt waren am 1. September 1939 die ersten Schüsse des Zweiten Weltkriegs gefallen.

Die Feier am Morgen auf der Westerplatte - dort fielen um 4.45 Uhr vor 75 Jahren die ersten Schüsse des 2. WeltkriegesBild: DW/C. Strack

Polen und Deutschland Seite an Seite

Gauck sagte, nach dem Fall der Mauer hätten die Europäische Union, die NATO und die Gruppe der großen Industrienationen Russland auf verschiedene Weise integriert. "Diese Partnerschaft ist von Russland de facto aufgekündigt worden." Grundlage der nach wie vor erhofften guten Nachbarschaft müsse eine Rückkehr Russlands «zur Achtung der Prinzipien des Völkerrechts sein." Der Westen stelle sich "jenen entgegen, die internationales Recht brechen, fremdes Territorium annektieren und Abspaltung in fremden Ländern militärisch unterstützen", sagte Gauck. Die Geschichte lehre, "dass territoriale Zugeständnisse den Appetit von Aggressoren oft nur vergrößern".

Polen und Deutschland sieht Gauck Seite an Seite: "Gemeinsam nehmen wir die besondere Verantwortung an, die uns in den Konflikten in unserer Nachbarschaft zugewachsen ist." Komorowski hatte am Wochenende im Deutschlandradio Kultur und Deutschlandfunk vor einem neuen russischen "Imperium" und einer Appeasement-Politik des Westens gewarnt. Polen und die baltischen Staaten fordern seit Monaten ein härteres Vorgehen der EU gegen Russland und eine Stärkung der NATO-Ostflanke. Die Staaten der Region sehen in den Konflikten in der Nachbarschaft auch eine Gefährdung der eigenen Sicherheit.

Bei der Feier auf der Westerplatte rief Komorowski zu "Mut und Entschlossenheit" als Lehre aus der Geschichte des Zweiten Weltkriegs auf. Dies gelte gerade angesichts der neuen Bedrohung im Osten Europas. "Vor unseren Augen wird internationales Recht gebrochen", sagte er über den Konflikt in der Ukraine. Komorowski erinnerte an das unermessliche Leid der Menschen im Zweiten Weltkrieg, in dem jeder fünfte Pole getötet wurde. "Unglück und Leid erfuhren nicht nur die Opfer des Überfalls, sondern alle, auch die Täter", sagte er über die Jahre des Krieges. Umso höher sei die Versöhnung der Menschen in Europa und die Zusammenarbeit in einem geeinten Europa zu bewerten.

Im Anschluss an die Feier sprachen Gauck und Komorowski mit deutschen und polnischen Studenten über die Entwicklung der Beziehungen. In Polen kamen im Zweiten Weltkrieg rund sechs Millionen Menschen ums Leben. Die Zahl der Kriegstoten weltweit wird auf rund 60 Millionen geschätzt.

"Gestern Danzig, heute Donezk"

Unter dem Motto "Gestern Danzig, heute Donezk" riefen polnische Intellektuelle und Künstler die Regierungsverantwortlichen in Europa zu einem Kurswechsel gegen Russland auf. "Die gegenwärtige Lage in der Ukraine erinnert an 1939", hieß es in dem in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlichtem Schreiben, zu dessen Unterzeichnern unter anderem Ex-Außenminister Wladyslaw Bartoszewski gehört. "Wer heute Politik nach dem Motto 'business as usual' betreibt, riskiert den Tod Tausender Ukrainer und Russen, weitere Hunderttausende Flüchtlinge und den Angriff von Putins Imperialismus auf das nächste Land."

Zwischen der Ukraine und Russland ist nach den Worten des ukrainischen Verteidigungsministerrs Waleri Geletej ein "großer Krieg" ausgebrochen, in dem zehntausende Tote zu befürchten sind. "Ein großer Krieg hat unsere Türschwelle erreicht, wie ihn Europa seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen hat", schrieb Geletej auf seiner Facebook-Seite. "Unglücklicherweise werden die Verluste in solch einem Krieg nicht in hunderten, sondern in tausenden und zehntausenden zu bemessen sein."

sti/fab (dpa, epd, kna)

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