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Gauck packt auch "heißes Eisen" Siedlungspolitik an

30. Mai 2012

Keine Scheu vor heiklen Sujets. Beim Staatsbesuch in Israel hat Bundespräsident Gauck sein Unbehagen mit dem Siedlungsbau bekundet. Im Gespräch mit Regierungschef Netanjahu bat er um ein Zeichen in diesem Dauerkonflikt.

Ministerpräsident Netanjahu begrüßt Bundespräsident Gauck (Foto: dpa)
Ministerpräsident Netanjahu begrüßt Bundespräsident GauckBild: picture alliance / dpa

Es muss ein ungewöhnlich intensiver Meinungsaustausch zwischen Bundespräsident Joachim Gauck und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gewesen sein. Die Begegnung am Amtssitz des Ministerpräsidenten in Jerusalem habe eine Stunde länger gedauert als geplant, berichtete Gaucks Sprecher Andreas Schulze am Mittwoch. Die Diskussion über den international verurteilten Siedlungsbau habe einen großen Teil des Treffens zwischen Gauck und Netanjahu ausgemacht, sagte der Sprecher weiter. Der Bundespräsident sprach dabei anscheinend auch die Differenzen über die Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten offen an.

Deutschland und Europa wären "dankbar für jedes Zeichen in der Siedlungspolitik", sagte Gauck nach Angaben seines Sprechers bei dem Treffen. Der Präsident sehe darin einen "Schlüssel" zur Neubelebung des Friedensprozesses. Netanjahu habe ein Einlenken aber abgelehnt. Der Konflikt könne nicht über die Siedlungspolitik gelöst werden, sondern nur über die Anerkennung des jüdischen Staates.

"Freundschaft ist nicht gefährdet"

Gauck betonte demnach in der Unterredung, dass Kritik aus Deutschland an der Siedlungspolitik nicht die Freundschaft mit Israel in Frage stelle, sondern Teil einer ehrlichen Debatte sei. "Die Freundschaft ist nicht gefährdet", zitierte der Sprecher den Bundespräsidenten. Gauck und Netanjahu seien sich einig gewesen, "dass man gemeinsame Werte teilt bei allen Differenzen, die es gibt".

Gauck wirbt bei Netanjahu für Friedensprozess

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Der Bundespräsident bekräftigte: "Deutschland steht solidarisch auf der Seite Israels." Es gebe verschiedene Worte, um dies auszudrücken. Dies ändere nichts an der festen und geschlossenen Unterstützung für Israel. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das Existenzrecht Israels als deutsche "Staatsräson" bezeichnet. Gauck wollte sich diesen Begriff nicht zu eigen machen.

Barak zieht "einseitige Aktionen" in Betracht

Mit einem überraschenden Vorstoß lieferte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak am Mittwoch für neuen Gesprächsstoff in der Debatte. Auf einer Sicherheitskonferenz in Tel Aviv brachte er die Möglichkeit einer "provisorischen Regelung oder sogar einseitiger Aktionen" ins Spiel, sollte keine Einigung bei den Friedensgesprächen mit den Palästinensern erreicht werden. Er führte nicht aus, wie diese "einseitigen Aktionen" aussehen könnten. Politische Beobachter erinnert die Formulierung allerdings an den einseitigen Abzug Israels aus dem Gazastreifen. Im Jahr 2005 räumten mehr als 8500 Siedler und tausende israelische Soldaten nach 38 Jahren der Besetzung den schmalen Küstenstreifen.

Deutsch-israelische Beziehungen im 21. JH

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Angesichts des festgefahrenen Friedensprozesses im Nahen Osten hatte Israel im Jahr 2010 ein Siedlungsmoratorium auslaufen lassen und begonnen, neue Siedlungen im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zu errichten. Der Siedlungsbau und der künftige Status von Jerusalem sind Hauptstreitpunkte im Nahost-Konflikt. 2011 hatte Deutschland im UN-Sicherheitsrat einem Resolutionsentwurf zur Verurteilung des israelischen Siedlungsbaus zugestimmt; der Beschluss wurde aber durch das Veto der USA verhindert.

Politik als Schnecke

Am Mittwoch stattete Gauck auch dem Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rehovot bei Tel Avid einen Besuch ab. Dabei warnte er davor, die deutsch-israelischen Beziehungen auf eine "Kultur der Betroffenheit" zu beschränken. Zugleich wies er darauf hin, dass es zwischen beiden Ländern über die notwendige Vergangenheitsbewältigung hinaus "längst eine Tradition gibt, Gegenwart und Zukunft zu gestalten".

Das Weizmann-Institut sei ein "beständiges Ausrufungszeichen in einer politischen Landschaft, die sich schwertut, an Aufklärung und Vernunft zu glauben", sagte Gauck. Im politischen Raum sei die "Aufklärung manchmal wie eine Schnecke" und "irgendwie versteinert". Kultur, Wissenschaft und Forschung bewiesen dagegen, "dass Fortschritt möglich ist".

Bundespräsident Gauck und sein Kollege Peres besuchen das Holocaust-Museum in der Gedenkstätte Jad VashemBild: Reuters

Das Institut wurde 1934 vom späteren ersten Staatspräsidenten Israels, Chaim Weizmann, gegründet. Heute befassen sich dort rund 2.600 Mitarbeiter mit der Grundlagenforschung etwa zur Krebsbekämpfung. Es gilt als einer der wichtigsten Partner in der deutsch-israelischen Wissenschaftszusammenarbeit. Diese nahm bereits 1959 mit einem Besuch des damaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft Otto Hahn ihren Anfang.

kle/sc (dpa, afp, dapd)

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