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Gauck warnt vor Abkehr der USA von Europa

6. Oktober 2015

Angesichts von Krieg und Terror hält Bundespräsident Gauck ein starkes transatlantisches Verhältnis für nötig. In seiner Rede in Philadelphia lobte er den US-Beitrag zur deutschen Einheit und kritisierte den NSA-Skandal.

Gauck in der German Society of Pennsylvania (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

"Seien wir ehrlich, wir haben das transatlantische Verhältnis zuletzt nicht so sorgsam behandelt wie notwendig", sagte Bundespräsident Joachim Gauck laut Redetxt in der Universität von Philadelphia. Gauck ist erstmals als deutsches Staatsoberhaupt in den USA. Dabei dankte er den Vereinigten Staaten für ihren entscheidenden Beitrag zur deutschen Wiedervereinigung vor 25 Jahren: "Das Nordatlantische Bündnis ist und bleibt die Vorbedingung einer freien Existenz in den meisten europäischen Ländern, darunter Deutschland." An die Stelle alter Herausforderungen seien neue Gefahren getreten - "in einer Welt, in der Terroristen wüten, in der Autokraten und Diktatoren auftrumpfen, in der Staaten zerfallen und ganze Regionen im Chaos versinken".

Die historische Freiheitsglocke in Philadelphia: Symbol für die Unabhängigkeit der USABild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Philadelphia ist die erste Station der USA-Reise Gaucks. Am Montagabend würdigte er die Metropole an der Ostküste als Wiege der Demokratie, in der 1776 die Unabhängigkeitserklärung und 1787 die Verfassung der Vereinigten Staaten entstanden. Nach der Besichtigung der Freiheitsglocke und der Unabhängigkeitshalle sprach er von "heiligen Stätten der Demokratie".

Sorge vor sinkendem Engagement Washingtons in Europa

In seiner Rede an der renommierten Universität zeigte sich Gauck besorgt, dass das amerikanische Engagement in Europa nachlassen könnte. Dies würde Deutschland, das jetzt mehr Verantwortung übernehme als früher, und Europa auf Dauer nicht guttun, so der Bundespräsident.

Gauck: Zuletzt taten sich Kontroversen in der deutsch-amerikanischen Freundschaft aufBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Mit Blick auf den seit Jahren tobenden Krieg in Syrien, der Hunderttausende in die Flucht getrieben hat, erinnerte er daran, dass die USA entscheidend zum Sieg über Nazi-Deutschland beitrugen. "Zusammen mit den Alliierten haben sie Deutschland den deutschen Mördern entrissen, den Holocaust beendet und uns Deutschen und anderen Europäern einen Neuanfang ermöglicht."

Kritik an Abhörtätigkeit

In den Jahren 1989 und 1990, zu Zeiten des Mauerfalls und der Wiedervereinigung, sei "Amerika Deutschlands bester Freund" gewesen. Niemand habe die Vereinigung intensiver gefördert als die USA unter dem damaligen Präsidenten George Bush. Doch hätten sich in der Beziehung zuletzt Kontroversen gezeigt, die unter guten Freunden zwar selbstverständlich seien. Doch beunruhige ihn das negative Amerikabild in Teilen Europas und auch in Deutschland. Durch die Abhörtätigkeit des US-Geheimdienstes NSA hätten die Bundesbürger Vertrauen verloren. Gauck fragte, warum seien Telefon-Verbindungsdaten deutscher Minister in Listen amerikanischer Dienste aufgetaucht - "und was das mit Terrorismusabwehr zu tun hat?"

Empfang im Weißen Haus

Am Mittwoch wird der Bundespräsident, der von seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt begleitet wird, von Präsident Barack Obama im Weißen Haus empfangen. Auch Treffen mit US-Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry sind vorgesehen. Nach Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist Gauck der dritte hohe Besuch aus Berlin in wenigen Wochen. Trotz des Skandals um die Abhörpraxis des US-Geheimdienstes NSA und des Streits über das geplante transatlantische Handelsabkommen TTIP wird dies auch als Zeichen der wieder deutlich entspannten bilateralen Beziehungen gewertet. Zuletzt war vor 18 Jahren mit Roman Herzog ein Bundespräsident im Weißen Haus empfangen worden - von US-Präsident Bill Clinton.

uh/kle (dpa)

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