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"Wir sollten früher hinsehen"

19. September 2014

Deutschland sollte sich nach Ansicht von Bundespräsident Gauck stärker in der Welt engagieren - vor allem, um Krisen zu verhindern. Ungewöhnlich scharfe Kritik übte er abermals an der russischen Führung.

Bundespräsident Joachim Gauck (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Er wünsche sich eine Haltung, "uns noch stärker auch für die Lösung von Konflikten außerhalb unserer Grenzen verantwortlich zu fühlen", sagte Bundespräsident Joachim Gauck in einem Interview der Zeitung "Rheinische Post" (Freitagsausgabe). Zugleich kritisierte er, dass in Deutschland dabei sofort über militärische Einsätze debattiert werde. Dabei sei die Verantwortung vielschichtiger, umfasse etwa Diplomatie und Krisenprävention. "Die Verantwortung greift aber auch auf ganz anderen Feldern: Im Klimaschutz etwa, in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, beim Umgang mit Flüchtlingen nach Europa", so Gauck. Deutschland müsse sich immer fragen, welche Verantwortung sich aus seiner ökonomischen Stärke ableite.

"Wir sollten in den Blick nehmen, was wir tun können, bevor ein blutiger Konflikt ausbricht. Anders ausgedrückt: Wir sollten früher hinsehen", betonte der Bundespräsident. "Militärische Einsätze im Rahmen militärischer Allianzen und mit einem Mandat der UN ausgestattet können und dürfen nur das letzte Mittel sein, das erst dann in Betracht gezogen werden darf, wenn friedliche Lösungen keine Chance mehr haben."

"Selbstbestimmungsrecht hat Vorrang"

Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise warf Gauck der russischen Regierung vor, mit Schutzbehauptungen eine angebliche Bedrohung durch den Westen als Vorwand dafür zu nehmen, das Selbstbestimmungsrecht anderer Völker einzuschränken. "Mir geht es um die Missachtung von Bürgerrechten, von Menschenrechten und um den Bruch des Völkerrechts", sagte Gauck. Dies mache zurzeit einen Staatsbesuch in Russland unmöglich.

Der Bundespräsident äußerte auch harsche Kritik an der Position, man könne Russland etwa die Westorientierung der Ukraine nicht zumuten. "Das Selbstbestimmungsrecht der Völker hat Vorrang (...) Ich kann nicht nachvollziehen, dass wir in vorauseilendem Gehorsam die Empfindsamkeiten Russlands ernster nehmen sollten als das Selbstbestimmungsrecht der ukrainischen Bevölkerung."

Gauck lobte zudem ein "außerordentlich verantwortungsvolles" Vorgehen der Bundesregierung in der Ukraine-Krise und verteidigte die NATO-Osterweiterung. "Unsere Nachbarn hatten das Recht, der NATO beizutreten, die für sie nicht nur als politisches Bündnis, sondern auch als Verteidigungsbündnis von zentraler Bedeutung war und ist." Sicherheitsgarantien seien deshalb unverzichtbar. "Ich erwarte (aber) nicht, dass von der Ukraine-Krise eine kriegerische Bedrohung für Mitteleuropa ausgeht", sagte er. Auf die Frage, ob es mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine diplomatische Lösung werde geben können, meinte Gauck: "Ja, das wird es."

wa/kle (rp, rtr, dpa)

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