Gaza: Israel fliegt heftige Luftangriffe auf Hamas
Veröffentlicht 18. März 2025Zuletzt aktualisiert 18. März 2025
Rund zwei Monate nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen hat das israelische Militär die Hamas dort heftig attackiert. Die Luftangriffe erfolgten offenbar an mehreren Orten gleichzeitig, darunter im Norden, in Gaza-Stadt sowie in Deir al-Balah, Khan Yunis und Rafah im zentralen und südlichen Gazastreifen. Laut dem Medienbüro der Islamisten wurden in dem Küstengebiet mindestens 413 Palästinenser getötet, unter ihnen auch Führungspersonal. Der Regierungschef der Hamas und drei weitere hochrangige Mitglieder seien unter den Toten, heißt es.
Das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu teilte mit, die schwersten Luftangriffe seit dem Inkrafttreten der Waffenruhe seien eine Reaktion auf die "wiederholte Weigerung" der Islamisten, "unsere Geiseln freizulassen", sowie auf die Ablehnung aller Vorschläge, die die Hamas vom Gesandten des US-Präsidenten, Steve Witkoff, und von den Vermittlern erhalten habe.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, Brian Hughes, sagte der US-Nachrichtenseite "Axios": "Die Hamas hätte Geiseln freilassen können, um die Waffenruhe zu verlängern, hat sich aber stattdessen für Verweigerung und Krieg entschieden." US-Präsident Donald Trump habe Israel grünes Licht für die Wiederaufnahme der Angriffe gegeben, zitierte die Tageszeitung "The Wall Street Journal" einen israelischen Beamten; Israel habe die USA vorab informiert.
"Die Hamas sollte Präsident Trump sehr ernst nehmen"
"Die Hölle wird losbrechen, und alle Terroristen im Nahen Osten - die Huthi, die (libanesische) Hisbollah, die Hamas, vom Iran unterstützte Terrorstellvertreter und der Iran selbst - sollten Präsident (Donald) Trump sehr ernst nehmen", zitierten US-Medien die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt. Wie Trump deutlich gemacht habe, würden "alle jene, die nicht nur Israel, sondern auch die Vereinigten Staaten von Amerika terrorisieren wollen, einen Preis zahlen", sagte Leavitt dem US-Sender Fox News.
Netanjahu hatte wiederholt erklärt, Israel werde all seine Kriegsziele erreichen. Dazu gehörten die Freilassung sämtlicher Geiseln und die komplette Zerschlagung der Hamas. Israel werden von nun an "mit zunehmender militärischer Stärke" gegen diese vorgehen, heißt es in der Mitteilung von Netanjahus Büro.
Die Hamas, die von etlichen westlichen und auch einigen arabischen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, erklärte dagegen, Netanjahu und dessen "extremistische Regierung" hätten beschlossen, das Waffenruhe-Abkommen "zu brechen". Damit riskiere Israel das Leben der Geiseln, drohten die Islamisten. Sie forderten die Vermittler Ägypten, Katar und USA auf, Israel für den "Bruch" des Abkommens zur Verantwortung zu ziehen.
Partei von Itamar Ben-Gvir kehrt an Koalitionstisch zurück
Inzwischen kündigte die rechtsextreme israelische Partei Otzma Jehudit des vormaligen Polizeiministers Itamar Ben-Gvir an, sie werde nach den massiven Angriffen auf Hamas-Ziele wieder in die Regierung eintreten. Die Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu bestätigte die Übereinkunft. Otzma Jehudit hatte im Januar aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas die Koalition verlassen. Diese ist dringend auf Ben-Gvir angewiesen, um Neuwahlen abzuwenden. Bis Ende des Monats muss Israels Parlament den Haushalt verabschieden, andernfalls löst sich die Knesset automatisch auf. Ohne die Stimmen von Otzma Jehudit ist ein Etatbeschluss kaum möglich. Die Partei fordert eine Wiederaufnahme des Israel-Hamas-Krieges.
Ebenfalls in der Nacht zu Dienstag setzten die USA ihre Attacken auf die Huthi-Rebellen im Jemen fort, wie das US-Regionalkommando CENTCOM mitteilte. Arabische Medien berichteten von erneuten Luftangriffen im Raum der Hafenstadt Hudaida und in der Hauptstadt Sanaa. Die Miliz erklärte ihrerseits, den US-Flugzeugträger "USS Harry Truman" binnen zwei Tagen bereits zum dritten Mal attackiert zu haben. Bereits am Wochenende hatten die Vereinigten Staaten erstmals seit dem Amtsantritt von Präsident Trump im Januar Angriffe auf Huthi-Stellungen im Jemen geflogen. Nach Angaben der Rebellen wurden dabei mindestens 53 Menschen getötet.
"Die Konsequenzen werden schrecklich sein"
Die Miliz ist wie die Hamas im Gazastreifen Verbündeter des Irans. Trump hatte zuvor den Druck auf die Islamische Republik und die jemenitischen Aufständischen erhöht. Jeder Schuss, den die Huthi abfeuerten, werde von nun an als ein Schuss angesehen, der von den Waffen und der Führung des Irans abgefeuert worden sei, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. "Der Iran wird dafür verantwortlich gemacht werden und die Konsequenzen tragen, und diese Konsequenzen werden schrecklich sein!"
Der Iran wiederum warnte vor heftigen Gegenmaßnahmen. Man werde "jegliche Aggression der USA konsequent erwidern", sagte Hussein Salami, Kommandeur der Revolutionsgarden, der Elitestreitmacht des Irans. Ähnlich äußerte sich der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Ismail Baghaei. Nach seiner Darstellung hat die Führung in Teheran keinen Einfluss auf die Huthi-Miliz im Jemen. Westlichen Beobachtern zufolge handelt diese jedoch keineswegs unabhängig.
UN mahnen zu "äußerster Zurückhaltung"
Die USA wollen die Angriffe nach Worten von Verteidigungsminister Pete Hegseth erst einstellen, wenn die Miliz ihre Attacken auf die Schifffahrt beendet. Die Huthi hatten vor wenigen Tagen angekündigt, die Angriffe auf Schiffe im Roten Meer wieder aufzunehmen. Sie wollen damit nach eigener Darstellung ihre Solidarität mit den Palästinensern zum Ausdruck bringen.
Die Vereinten Nationen riefen angesichts der jüngsten Entwicklung im Nahen Osten zu "äußerster Zurückhaltung" und zur Einstellung aller militärischen Aktivitäten auf. Jede weitere Eskalation könne Vergeltungsmaßnahmen auslösen und die Region weiter destabilisieren.
Im Januar war zwischen Israel und der Hamas eine zunächst sechswöchige Waffenruhe vereinbart worden. Bisher konnten sich beide Seiten nicht auf die Bedingungen für eine Verlängerung einigen. Israel hatte mit einer Wiederaufnahme des Krieges gedroht, sollte die Hamas keine weiteren Geiseln freilassen. Auch während der Waffenruhe hatte es wiederholt tödliche Angriffe gegeben. Die Hamas und andere Islamistengruppen halten nach israelischen Informationen noch 24 Geiseln und die Leichen von 35 Entführten fest.
Auslöser des Kriegs im Gazastreifen war der Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppierungen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 Israelis als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seitdem wurden laut den Hamas-Behörden mehr als 48.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. Die Angaben, bei denen nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden wird, lassen sich nicht unabhängig prüfen. Israel spricht von rund 20.000 getöteten Terroristen.
jj/sti/se (dpa, afp, rtr, ap)