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KonflikteNahost

Gazastreifen: Erneut Tote bei Hilfsgüterverteilung

Veröffentlicht 16. Juli 2025Zuletzt aktualisiert 16. Juli 2025

Chaos in Chan Junis bei einer Ausgabestelle für humanitäre Hilfe. 20 Menschen sterben. Die umstrittene Verteilorganisation GHF beschuldigt die Hamas, den tödlichen Aufruhr verursacht zu haben.

Palästinensische Gebiete Chan Junis 2025 | Blick auf Häuser und Flüchtlingszelte (07.07.2025)
Blick auf Chan Junis (Archivbild)Bild: Abed Rahim Khatib/dpa/picture alliance

Seit Ende Mai sind nicht mehr etablierte Hilfsorganisationen für die Versorgung der Palästinenser im umkämpften Gazastreifen zuständig, sondern die von Israel und den USA unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Seitdem kommen bei der Verteilung der Hilfsgüter immer wieder Zivilisten ums Leben - auch an diesem Mittwochmorgen.

Anders als sonst fielen diesmal offenbar keine Schüsse: "Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand wurden 19 der Opfer niedergetrampelt und eines erstochen", teilte die GHF mit. Die Stiftung, die nur selten Probleme an ihren Verteilungsstellen zugibt, beschuldigte die palästinensische Islamistenorganisation Hamas, Panik zu schüren und Fehlinformationen zu verbreiten, die zu den Gewalttaten führten: "Wir haben glaubwürdige Gründe für die Annahme, dass bewaffnete und mit der Hamas verbundene Elemente innerhalb der Menge die Unruhen gezielt angefacht haben", heißt es von der GHF. Die Islamistengruppe wird von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft.

Der Vorfall ereignete sich den Angaben nach bei einer Verteilstelle in der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens. Mitarbeiter der GHF hätten Schusswaffen in der Menge identifiziert, heißt es in einer Stellungnahme der Stiftung. Ein US-amerikanischer Mitarbeiter sei während des Vorfalls von einer Person in der Menge mit einer Schusswaffe bedroht worden.

Die der Hamas unterstehende Gesundheitsbehörde in Gaza sprach von mindestens 21 Toten. Insgesamt 15 Menschen seien bei einer beim Tränengaseinsatz ausgelösten Panik niedergetrampelt worden und erstickt, hieß es. Das Medienbüro der Hamas sagte, neun Menschen seien durch Schüsse getötet worden. Die Angaben von GHF und Hamas lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

UN: Schon Hunderte Tote bei GHF-Verteilstationen

Die umstrittene Stiftung GHF hatte ihre Arbeit nach einer monatelangen israelischen Blockade von Hilfslieferungen aufgenommen. Die Vereinten Nationen kritisieren unter anderem, dass die Stiftung zu wenige Verteilzentren betreibe und dass Menschen auf dem Weg dahin großen Gefahren ausgesetzt seien.

Immer wieder gibt es Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe von Verteilzentren. Meist wird der israelischen Armee vorgeworfen, Schüsse abgegeben zu haben. Seit Ende Mai sind im Gazastreifen nach UN-Angaben bereits Hunderte Menschen bei Verteilstationen der GHF ums Leben gekommen.

Zivilisten werden auch immer wieder bei israelischen Militäreinsätzen gegen die Hamas getötet. Aktuell wurden nach Angaben des israelischen Militärs innerhalb von 24 Stunden mehr als 120 Ziele im gesamten Gazastreifen angegriffen, darunter auch die militärische Infrastruktur der Hamas mit Tunneln und Waffenlagern.

Dabei wurden 22 Menschen im nördlichen Gazastreifen getötet, darunter elf Kinder, und 19 Menschen in Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets am Mittelmeer. Israel wirft der Hamas vor, militärische Infrastruktur inmitten ziviler Gebiete zu verstecken.

Angehöriger mit einem Opfer eines israelischen LuftangriffsBild: Abed Rahim Khatib/Anadolu Agency/IMAGO

Um noch gezielter gegen die Hamas vorgehen zu können, kündigte das israelische Militär einen neuen Korridor an. Dieser durchschneidet den Süden des Gazastreifens und damit auch die Stadt Chan Junis.

Auf vom Militär veröffentlichten Aufnahmen ist zu sehen, wie der sogenannte "Magen Oz Korridor" das Gebiet in eine östliche und eine westliche Hälfte teilt. Chan Junis ist die zweitgrößte Stadt im Gazastreifen. Die Route ist laut Armee 15 Kilometer lang.

Die israelische Armee spricht von einem "Schlüsselelement, um Druck auf die Hamas auszuüben". Ziel sei es, die "endgültige Niederlage" der Brigade der Islamisten in Chan Junis zu erreichen.

Die neu errichtete Route grenzt mittig an den weiter südlich gelegenen, sogenannten "Morag-Korridor", der wiederum die Städte Rafah ganz im Süden und das etwas weiter nördlich gelegene Chan Junis voneinander trennt. Im Zentrum des Gazastreifens kontrolliert Israels Armee den "Netzarim-Korridor", der das Gebiet in eine nördliche und südliche Hälfte teilt.

Druckmittel für die Verhandlungen?

Die israelische Nachrichtenseite "Ynet" mutmaßt, der neue Korridor könne ein Druckmittel in den derzeit stattfindenden Gaza-Verhandlungen sein. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte in der Vergangenheit gesagt, die Teilung des Gazastreifens erhöhe den Druck auf die Hamas und dieser werde so lange verstärkt, bis die Islamistenorganisation die verbliebenen Geiseln freilasse.

Israel beharrt in den derzeit stattfindenden Gaza-Verhandlungen darauf, dass die israelische Armee auch nach einer möglichen Waffenruhe im Süden des Küstengebiets bleibt. Die Hamas verlangt den Rückzug der israelischen Streitkräfte auf die Positionen, die diese vor dem Zusammenbruch der vorherigen Waffenruhe im März eingenommen hatten.

Ausgelöst wurde der Krieg am 7. Oktober 2023 durch den Terrorüberfall der Hamas und anderer militanter Palästinensergruppen auf Ortschaften und ein Pop-Festival im Süden Israels.

AR/pgr/se (dpa, ap, rtr, afp)

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