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KonflikteNahost

Gaza in Not: Daten und Grafiken zur humanitären Krise

25. Juli 2025

Die Lage im Gazastreifen wird immer katastrophaler: Hilfslieferungen erreichen die Region nur sehr eingeschränkt, internationale Organisationen warnen vor einer Hungersnot. Wichtige Zahlen im Überblick.

Erwachsene und Kinder stehen mit ihren Töpfen vor einer Essensausgabe in Chan Junis im Süden des Gazastreifens
Essensausgabe in Chan Junis im Süden des abgeriegelten Gazastreifens - die Anzahl der Suppenküchen hat deutlich abgenommenBild: AFP/Getty Images

Die meisten Gebäude sind zerstört, viele Krankenhäuser mussten ihren Betrieb aufgeben, Lebensmittel sind knapp: Die Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Rund 90 Prozent der mehr als zwei Millionen Einwohner sind mittlerweile innerhalb des Gebiets geflohen, teils schon mehrfach.

Mit der jüngsten Räumungsanordnung für die Stadt Deir al-Balah befinden sich nach Angaben des UN-Nothilfebüros OCHA nun 87,8 Prozent der Fläche des Gazastreifens unter Evakuierungsbefehl oder innerhalb Israels militärischer Sperrgebiete. Die Bevölkerung sei jetzt auf zwölf Prozent des Gazastreifens zusammengepfercht, hieß es am Dienstag. Der internationale Druck auf Israel wächst. 28 Staaten, darunter auch Frankreich und Großbritannien, fordern ein Ende des Kriegs. 

Wie viele Todesopfer gibt es seit dem 7. Oktober 2023?

Seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen im Oktober 2023 gibt es nach Angaben der UN-Hilfsorganisation OCHA 58.380 Todesopfer (Stand 15. Juli 2025) auf palästinensischer Seite - darunter auch viele Frauen und Kinder. OCHA, zuständig für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, beruft sich dabei auf die Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza.

Das Ministerium wird von der radikalislamischen Hamas kontrolliert, die von vielen westlichen Ländern als Terrororganisation eingestuft wird. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen, sind aber bislang die einzige Quelle.

Andere Studien lassen jedoch vermuten, dass die Zahlen noch weitaus höher liegen könnten als von der Behörde in Gaza angegeben. Laut einer Untersuchung eines internationalen Forschungsteams sollen bereits bis Januar dieses Jahres mehr als 80.000 Palästinenser getötet worden sein. Die wissenschaftliche Zeitschrift Nature hatte Ende Juni 2025 über die Studie berichtet, die unter der Leitung von Michael Spagat vom Royal Holloway College der Universität London erstellt wurde.

Die Wissenschaftler arbeiteten dabei eng mit der Forschungsorganisation The Palestinian Center for Policy and Survey Research (PCPSR) zusammen, die unter anderem von der Europäischen Union gefördert wird. Mitarbeiter des PCPSR hatten 2000 Familien über Todesfälle innerhalb ihres Haushalts befragt - und die Zahlen anschließend hochgerechnet.

Auch eine im Februar im Magazin Lancet veröffentlichte Studie geht davon aus, dass keine Namen auf die Liste des Ministeriums hinzugefügt wurden, sondern im Gegenteil Namen fehlten. Für die Studie wurden Nachrufe auf sozialen Netzwerken mit den Listen des Gesundheitsministeriums abgeglichen.

Der Krieg in Gaza wurde durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst. Die Hamas hatte rund 1200 Menschen getötet und 251 Personen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Nach offiziellen israelischen Angaben werden noch 50 aus Israel entführte Menschen im Gazastreifen festgehalten, davon sollen mindestens 20 noch am Leben sein. Laut der Times of Israel vom Dienstag sind mittlerweile auch 895 Einsatzkräfte der israelischen Armee im Krieg gestorben.

Wie viele Menschen leiden Hunger im Gazastreifen?

Die Versorgungslage im Gazastreifen gilt nach fast zwei Jahren Krieg als dramatisch. Viele Palästinenser leiden Hunger, oft fehlt es am Allernötigsten. Laut Welthungerhilfe mussten alle 25 verbliebenen Bäckereien Anfang April schließen. Auch die meisten der 177 Gemeinschaftsküchen hätten keine Vorräte mehr, hieß es auf DW-Anfrage bei der Welthungerhilfe. 

Fast jeder dritte Mensch esse über Tage hinweg nichts, erklärte das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen der DW. Für die meisten sei die Lebensmittelhilfe die einzige Möglichkeit, überhaupt noch Nahrung zu bekommen.

Laut dem jüngsten IPC-Bericht von Mai 2025, auf den sich laut DW-Recherchen auch viele Hilfsorganisationen beziehen, ist die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens mittlerweile von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen (IPC-Stufe 3). Das heißt laut Definition: Die Auswahl an Nahrungsmitteln ist begrenzt, die Menschen müssen sich extrem anstrengen, um die benötigten Kalorien zu bekommen.

Laut IPC sind 470.000 Menschen im Gazastreifen sogar von katastrophalem Hunger bedroht (IPC-Stufe 5). Das entspricht akuter Lebensgefahr durch Hunger, es besteht ein extremer Kalorienmangel pro Person und Tag.

Zudem wird prognostiziert, dass in den kommenden Monaten mehr als 71.000 Kinder und schätzungsweise 17.000 Mütter dringend wegen akuter Mangelernährung behandelt werden müssen. Als akut mangelernährt gelten laut UNICEF Kinder, deren Gewicht unter 80 Prozent des für ihr Alter angemessenen Gewichts liegt.

Das IPC-System (Integrated Food Security Phase Classification) ist ein international anerkanntes Instrument zur Messung und Klassifizierung von Hunger und Ernährungssicherheit. Es werden fünf Stufen unterschieden, die von Phase eins, "Minimal", über "Strapaziert" (Englisch: Stressed), "Krise" (Crisis), "Notsituation" (Emergency) bis hin zu Phase fünf ,"Hungersnot", (Famine) reichen.

Auch die Teams der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen stellten Mitte Juli einen starken Anstieg der Fälle "akuter Mangelernährung" fest. In Gesundheitszentren werden derzeit laut der Nichtregierungsorganisation (NGO) hunderte Frauen und Kinder mit schwerer und mittelschwerer Mangelernährung behandelt - Tendenz deutlich steigend.

Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza sterben täglich Menschen an Hunger, die meisten von ihnen Kinder. Am Dienstag etwa wurden 15 Hungertote gezählt. Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht. 

Wo können die Kranken in Gaza behandelt werden?

Auch die medizinische Versorgung in Gaza wird immer schwieriger. Laut einer Einschätzung der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen von Mitte Juli 2025 ist aktuell kein Krankenhaus mehr voll funktionsfähig. Die Einrichtungen, die noch in Betrieb sind, sind vollkommen überlastet. Die Bedingungen für die Behandlungen sind laut der NGO katastrophal: Die meisten Krankenhäuser hätten keinen Strom und kein fließendes Wasser mehr.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) berichtete Ende Juni, dass 18 von 36 Krankenhäusern noch teilweise in Betrieb seien. Bei den Anlaufstellen für medizinische Grundversorgung - also Arztpraxen, Ambulanzen, Hilfsangebote von NGOs - seien noch knapp 40 Prozent funktionsfähig. Auch die Feldlazarette seien eingeschränkt; lediglich zwei seien voll intakt.

Wieviel Hilfe kommt noch im Gazastreifen an?

Für elf Wochen hatte Israel im Frühjahr humanitäre Lieferungen in den Gazastreifen blockiert - und so die Lage noch weiter verschärft. Alles wird immer knapper: Lebensmittel, Wasser, Medikamente und Treibstoff, der für den Betrieb von Krankenhäusern und die öffentlichen Gemeinschaftsküchen notwendig ist.

Die von Israel und den USA unterstützte Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) verteilt seit Ende Mai an einigen wenigen Verteilzentren Lebensmittel. Doch immer wieder gibt es Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe der GHF-Verteilstellen, so auch in den vergangenen Tagen. Hilfsorganisationen fordern schon länger, wieder Hilfsgüter selbst in die Region bringen zu dürfen.

Das World Food Programme (WFP) erklärte im Gespräch mit der DW, dass seit Ende der Hilfsblockade am 21. Mai im Schnitt pro Tag 20 bis 30 WFP-Lastwagen mit Nahrungsmitteln den Gazastreifen erreichten. Die gelieferte Menge sei nur ein kleiner Bruchteil dessen, was die über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen zum Überleben benötigten. Zum Vergleich: Während der Waffenruhe passierten täglich 600 bis 700 Lastwagen die Grenze.