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Flottillen nach Gaza: ein Überblick

10. September 2025

Seit mehr als 15 Jahren starten immer wieder Flottillen Richtung Gaza. Was ist das Ziel der kleinen Schiffsverbände - und was haben sie erreicht? Ein Überblick.

Männer in Warnwesten tragen Kisten zu einem mit einer großen palästinensischen Flagge geschmückten Passagierschiff
Aktivisten beladen die rund 50 Boot der Gaza-HilfsflottilleBild: Lluis Gene/AFP/Getty Images

Ende August stach sie von verschiedenen Häfen aus in See: die Globale Sumud-Flottille, die bislang ehrgeizigste und größte Seemission mit dem Ziel Gaza

Auf den 50 Schiffen reisen insgesamt nahezu 1000 Teilnehmer, unter ihnen die schwedische Aktivistin Greta Thunberg, Barcelonas Ex-Bürgermeisterin Ada Colau und der irische Schauspieler Liam Cunningham. Die Flottille, eine Gruppe mehrerer Schiffe unter einem Kommando, wurde bei einem Zwischenstopp in Tunesien am Sonntag freundlich empfangen.

Doch in der Nacht zu Dienstag kam es offenbar zu einem Zwischenfall. Nach Angaben der Organisatoren wurde eines der Hauptboote, auf dem sich die Mitglieder des Lenkungsausschusses der Bewegung Global Sumud Flotilla befunden hätten, von einer Drohne angegriffen. Die tunesischen Behörden wiesen die Darstellung zurück und sprachen von einem Feuer an Bord, das von einer brennenden Rettungsweste ausgegangen sei.

Boote der Global Sumud Flotilla stechen in Barcelona in SeeBild: Lorena Sopena/NurPhoto/IMAGO

Geht es nach Plan, soll die Flotte mit humanitären Hilfsgütern an Bord in den kommenden Tagen den Gazastreifen erreichen. Dass es tatsächlich dazu kommt, gilt jedoch als unwahrscheinlich.

Alle vergleichbaren Versuche seit 2010 wurden von den israelischen Streitkräften vereitelt. Israel argumentiert, die 2007 nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen verhängte Seeblockade sei notwendig, um die militant-islamistische Gruppe, die von den USA, der EU und vielen anderen als Terrororganisation eingestuft wird, am Import von Waffen zu hindern. Nach Ansicht vieler Menschenrechtsorganisationen und NGOs stellt die Blockade jedoch eine Kollektivstrafe dar, die nach internationalem Recht illegal wäre.

"Eine wichtige Botschaft"

Der derzeitige Krieg geht zurück auf die von der Hamas angeführten Terroranschläge vom 7. Oktober 2023 gegen Israel. Als Reaktion darauf bekämpft Israel die Hamas seit mittlerweile knapp zwei Jahren. Dadurch hat sich die ohnehin schon prekäre humanitäre Lage im Gazastreifen weiter verschlechtert. UN-Vertreter und Repräsentanten anderer Organisationen haben erklärt, Israel begehe im Rahmen seiner anhaltenden Militärkampagne Kriegsverbrechen, so etwa ethnische Säuberungen und vorsätzliches Aushungern. Einige warnten vor Völkermord und Hungersnot. Lokalen Angaben zufolge wurden mehr als 64.500 Palästinenser getötet, darunter mindestens 20.000 Kinder. Die Zahlen können nicht unabhängig überprüft werden.

"Die Aktivisten wollen die wichtige Botschaft vermitteln, dass es sich um eine dringende humanitäre Notlage handele", sagt Amjad Iraqi, Beobachter für israelisch-palästinensische Beziehungen bei der International Crisis Group, im DW-Interview. "Diese Situation erfordere Widerstand gegen Israels politische Entscheidung, diese Belagerung und Hungersnot zuzulassen", resümiert er die Sicht der Aktivisten auf der Flottille. "Dies gilt unabhängig davon, ob es dieser Flottille gelingt, Gaza zu erreichen", fügt er hinzu.

Die Anliegen der Flottille

Die Global Sumud Flotilla transportiert schätzungsweise rund 300 Tonnen lebenswichtiger Güter wie Lebensmittel, Trinkwasser und Medikamente. "Die Güter dieser Flottillen decken zwar nicht den Bedarf der Palästinenser in Gaza, lenken aber die internationale Aufmerksamkeit auf die Geschehnisse dort", sagt der Politologe Nathan Brown von der George Washington University der DW. "Ein weiterer, wenn auch vielleicht etwas weniger bedeutender Effekt ist, dass der palästinensischen Bevölkerung vermittelt wird, dass man sie nicht vergisst." Unter den Palästinensern herrsche eine enorme Frustration, so Brown. Sie hätten den Eindruck, die auf internationalen Regeln basierende Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg gelte zwar für andere, nicht aber für sie.

Unterdessen wächst in Europa die Kritik an Israels anhaltendem Krieg gegen Gaza. Vertreter Spaniens, Frankreichs, Sloweniens und anderer Länder warfen Israel eine "unerträgliche" humanitäre Blockade vor.

"Israel wird nicht nur als Kriegstreiber in Gaza gesehen, sondern als Akteur, der bewusst eine Hungersnot verursacht", so Brown. "Das wäre ein klares Kriegsverbrechen." Die wachsende Kluft zwischen Befürwortern und Kritikern solle durch die aktuelle Flottille stärker ins Blickfeld rücken.

Israel weist die Kritik zurück. "Die israelische Regierung argumentiert, sie lasse genügend Lebensmittel herein. Was durchkomme, werde aber von der Hamas gestohlen. Die Flottillen seien nur ein Werbegag von Israelhassern. Und der Konflikt in Gaza sei der einzige aktuelle Konflikt, in dem von einer Partei erwartet werde, die andere zu ernähren", resümiert Brown die israelische Position.

Dieser Standpunkt sei auch von US-Diplomaten wiederholt worden, so Brown. US-Präsident Donald Trump unterstützt weiterhin entschieden die Gaza-Politik des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu.

An Bord der Flotte: die Aktivistin Greta ThunbergBild: Burak Akbulut/Anadolu/picture alliance

Was geschah mit den anderen Flottillen?

2008, ein Jahr nach Beginn der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen, erreichten mehrere Flottillen Gaza. Zu diesem Zeitpunkt hatte Israel seine Seeblockade noch nicht vollständig durchgesetzt. Mitte 2009 begann Israel jedoch, alle Boote abzufangen und den weiteren Zugang zum Gazastreifen über das Meer zu verwehren. Seit 2010 hat keine Flottille Gaza mehr erreicht.

Am 31. Mai 2010 stoppte Israels Marine sechs zivile Boote der Gaza Freedom Flotilla im Rahmen des sogenannten Mavi-Marmara-Zwischenfalls. Sie eröffnete das Feuer auf das türkische Passagierschiff und tötete zehn türkische pro-palästinensische Aktivisten. Die Marine behauptete später, sie habe in Selbstverteidigung gehandelt, stieß jedoch mit ihrem Vorgehen auf breite internationale Kritik. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Türkei verschlechterten sich, bis Israel sich 2013 offiziell entschuldigte und sich 2016 bereit erklärte, den Familien der Opfer 20 Millionen US-Dollar (17,4 Millionen Euro) Entschädigung zu zahlen.

UN: Neuer Anlauf für palästinensischen Staat polarisiert

04:17

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Eine Initiative namens "Freedom Flotilla II" sollte im Jahr 2011 von Griechenland aus in See stechen. Angesichts politischen Drucks, technischer Sabotage und rechtlicher Hindernisse lief die Flotte dann aber doch nicht aus. Aufgrund des israelischen Drucks verbot Griechenland den Schiffen der Flottille die Ausfahrt nach Gaza und verwies auf Sicherheits- und diplomatische Bedenken.

Am 29. Juni 2015 wurde die unter schwedischer Flagge fahrende "Freedom Flotilla III" mit Aktivisten, Parlamentariern, Journalisten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus mehr als 20 Ländern etwa 160 Kilometer vor Gaza abgefangen. Soldaten enterten einige der Schiffe, andere kehrten um. Berichten zufolge setzte die israelische Marine während der Operation Elektroschocker ein.

Im Oktober 2016 wurde auch das "Women's Boat to Gaza", eine Flottille mit Aktivistinnen, abgefangen, bevor sie Gaza erreichte.

Im Jahr 2018 fing Israel zwei Schiffe der "Just Future for Palestine"-Flottille ab und beschlagnahmte sie: zunächst die Al-Awda am 29. Juli und dann die Freedom am 3. August. Angaben von Personen an Bord zufolge griffen Einsatzkräfte einige der Aktivisten an. Die Aktivisten wurden später aus Israel abgeschoben.

Zwei Flottillen, die Anfang dieses Jahres ausliefen, gehören ebenso wie die aktuelle Global Sumud-Flotte zur Freedom-Flottille.

Greta Thunberg war bereits bei der so genannten Madleen-Mission dabei, die im Juni in See stach. Sie wurde festgenommen, nachdem Israels Marine das Boot abgefangen hatte. Später wurde sie zusammen mit anderen abgeschoben.

Im Juli wurden Aktivisten der Handala-Mission verhaftet, nachdem ihr Schiff in internationalen Gewässern vor Gaza abgefangen und beschlagnahmt worden war.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
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