1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gaza, Ukraine, Bundeswehr: Nach der Demo ist vor der Demo

2. Oktober 2025

Die Friedensbewegung in Deutschland wird aktiver. Ende September gingen über 60.000 Menschen auf die Straße. Am Tag der Deutschen Einheit könnten es noch mehr werden.

Blick auf viele Menschen bei einer Demonstration gegen den Gaza-Krieg in der Dämmerung im Zentrum Berlins. Zum Zeichen ihrer Solidarität schalteten viele Menschen die Taschenlampen ihrer Smartphones ein. In der ersten Reihe schwenkt ein Jugendlicher die Palästina-Fahne in den Farben Schwarz, Weiß, Grün und Rot
Unter dem Motto "All eyes on Gaza" ("Alle Augen auf Gaza") demonstrierten Ende September in Berlin mindestens 60.000 Menschen gegen den Gaza-KriegBild: Christian Mang/REUTERS

Wie viele Menschen am 27. September in Berlin gegen den Gaza-Krieg demonstriert haben, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Veranstalter, ein breites Bündnis unter Beteiligung der Linkspartei, sprachen von über 100.000. Die Polizei zählte mindestens 60.000 und betonte, dass der Protest insgesamt sehr friedlich gewesen sei.

Schon zwei Wochen zuvor waren in der deutschen Hauptstadt zwischen 12.000 (Polizei-Angaben) und 20.000 Menschen (Veranstalter-Angaben) demonstrierend unterwegs - ebenfalls friedlich. Wie viele könnten es am 3. Oktober werden, dem Tag der Deutschen Einheit? Das Organisationsteam lässt sich zu keiner Prognose hinreißen: Natürlich hoffe man auf eine hohe Zahl.

Die Chancen stehen gut, denn dieses Mal finden zeitgleich zwei Großdemonstrationen statt: wieder in Berlin und in Stuttgart. Die eine Stadt liegt im Osten Deutschlands, die andere im Südwesten. Aufgerufen haben mehr als 400 Organisationen und Initiativen.

Das Motto lautet "Nie wieder kriegstüchtig! Stehen wir auf für Frieden!" Eine unmissverständliche Anspielung auf die Forderung des sozialdemokratischen Verteidigungsministers Boris Pistorius, Deutschland müsse wieder kriegstüchtig werden.

Margot Käßmann wünscht sich mehr Engagement der Kirchen

Prominenteste Rednerin in Stuttgart, der Landeshauptstadt Baden-Württembergs, ist Margot Käßmann. Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) freut sich darüber, dass die Friedensbewegung sichtbar werde. "Die Kirchen der Welt haben 1948 erklärt, Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Und ich wünschte mir, dass die Kirchen viel engagierter werden." In Gemeinden erlebe sie, dass viele Menschen Sehnsucht danach hätten, dass die Kirche sich klarer positioniere.

Die Theologin Margot Käßmann spricht oft auf Demonstrationen - so auch 2023 in Köln bei einer Kundgebung gegen Russlands Überfall auf die Ukraine. Das Motto lautete: "Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg"Bild: Panama Pictures/picture alliance

Tatsache ist, dass weder die Spitze der EKD noch der Katholischen Kirche oder einer anderen Religionsgemeinschaft die aktuellen Friedensdemonstrationen offiziell unterstützt. Vor diesem Hintergrund findet Käßmann es beachtlich, dass sich weit über 400 kleinere und größere Gruppen zusammengefunden hätten. Darunter sind viele aus dem Bereich der Kirchen, Gewerkschaften und Parteien.

Kritik: Milliarden für Aufrüstung, Kürzung bei Sozialleistungen

"Ich denke, das spiegelt etwas von der Sorge vieler Menschen wider, die in der öffentlichen Meinung kaum vorkommen, denen ich aber immer wieder begegne", sagt Käßmann. Diese Menschen seien über die Entwicklung sehr beunruhigt: über Milliarden Euro, die in Rüstung gesteckt würden, während gleichzeitig im Sozialbereich über weitere Kürzungen debattiert werde.      

Auf der Friedensdemo Ende September in Berlin waren neben Palästina-Fahnen auch Israel-Fahnen mit dem Davidstern zu sehenBild: Stefan Frank/Middle East Images/AFP/Getty Images

In Berlin wird der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner auf der Kundgebung reden. "Es muss eine Alternative zur militärischen Logik geben", sagt er. "Die Mittel, die für Waffen bereitgestellt werden in diesem unfassbaren Ausmaß, werden fehlen, um die eigentlichen Probleme der Welt zu lösen: Hunger, Bürgerkriege, Umweltzerstörung und Fluchtbewegungen."

SPD-Politiker: "Mehr Kinder sterben an Hunger"

Stegner erinnert daran, dass in Deutschland der Etat für humanitäre Hilfe in der Welt auf eine Milliarde Euro halbiert werde. "Das bedeutet: Mehr Kinder sterben an Hunger, weniger Kinder können geimpft werden, Armut und Elend in der Welt nehmen zu."

Der dem linken Flügel der SPD zugerechnete Politiker begründet sein Engagement damit, Wohlstand und Frieden erhalten zu wollen: "Unsere Verantwortung ist es, dafür zu sorgen, dass es für unsere Kinder und Enkel auch gilt."

Der SPD-Politiker Ralf Stegner sprach auch am 3. Oktober 2024 auf einer Friedensdemonstration in BerlinBild: Christian Mang/REUTERS

Dass er innerhalb seiner Partei anscheinend einer Minderheit angehört, bezweifelt Stegner: "Ich glaube, dass der Mainstream sich ein bisschen scheut, sich in die Richtung zu äußern." Das liege an einer Fehleinschätzung darüber, wie in der Bevölkerung darüber gedacht werde, aber auch in der eigenen Partei.

"Am Ende profitieren von Kriegen nur die, die Waffen verkaufen."

Mit Blick auf den Gaza-Krieg verurteilt der 66-jährige Sozialdemokrat Kriegsverbrechen auf beiden Seiten: Menschenleben müssten gleich bewertet werden.

Waffenexporte lehnt Stegner prinzipiell ab: "Am Ende profitieren von Kriegen nur die, die Waffen verkaufen."

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland