Gaza: Israel und Hamas halten Waffenruhe wieder ein
20. Oktober 2025
Wie fragil die vor eineinhalb Wochen vereinbarte Waffenruhe im Gazastreifen ist, hat sich am Sonntag gezeigt. Israel und die palästinensische Terrororganisation Hamas werfen sich gegenseitig vor, gegen die Vereinbarung verstoßen zu haben.
Nach Angaben aus Israel wurden israelische Soldaten von Kämpfern der Hamas unter anderem mit einer Panzerfaust beschossen. Dabei seien zwei Israelis getötet worden. Als Reaktion hatte Israel am Sonntag Luftangriffe auf den Gazastreifen geflogen, um Stellungen der Hamas zu treffen. Es waren die schwersten israelischen Luftschläge seit Beginn der Waffenruhe am 10. Oktober.
Nach Krankenhausangaben wurden dabei 44 Palästinenser getötet. Unter den Opfern sind auch mindestens ein Kind und ein Journalist, der für das Zweite Deutsche Fernsehen arbeitete.
Die Hamas bestritt die Vorwürfe, israelische Soldaten beschossen zu haben. Die radikalislamische Palästinenserorganisation beteuerte, sie stehe nicht hinter den Angriffen. "Wir bekräftigen unsere vollständige Verpflichtung, alles umzusetzen, was vereinbart wurde", heißt es in einer Mitteilung der Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas. Dies gelte vor allem für die Waffenruhe in allen Gebieten des Gazastreifens.
Angriff hinter der "gelben Linie"
Die palästinensischen Angriffe ereigneten sich nach Angaben des israelischen Militärs in einem von Israel kontrollierten Gebiet östlich der "gelben Linie". Hinter diese hatte die Armee sich als Teil der vereinbarten Waffenruhe zurückgezogen.
Isat al-Rischek, Mitglied des Hamas-Politbüros, warf Israel seinerseits vor, gegen die Waffenruhe zu verstoßen. In einer Mitteilung beschuldigte er die israelische Regierung, "fadenscheinige Vorwände" zu fabrizieren, "um seine Verbrechen zu rechtfertigen". Al-Rischek warf Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, dieser wolle sich vor seinen Verpflichtungen gegenüber den Vermittlern drücken, weil er unter Druck rechtsextremer Koalitionspartner stehe.
Inzwischen schweigen die Waffen wieder. Israel und die Hamas gaben beide am Sonntagabend Erklärungen ab, dass sie sich zur Waffenruhe bekennen. Aus Sicht von US-Präsident Donald Trump ist trotz der von beiden Seiten am Sonntag gemeldeten Verstöße die Waffenruhe weiterhin in Kraft. Die Vereinbarung fußt auf Trumps 20-Punkte-Friedensplan für den Gazastreifen.
Der US-Präsident äußerte bei einem Pressegespräch an Bord des Regierungsfliegers Air Force One zudem die Vermutung, dass nicht die Hamas-Führung, sondern "Rebellen" innerhalb der islamistischen Palästinenserorganisation für mutmaßliche Verletzungen des Waffenstillstands verantwortlich sein könnten.
In jedem Fall werde "angemessen" damit umgegangen, sagte Trump und fügte an: "Es wird hart, aber angemessen gehandhabt werden." Die USA wollten "sicherstellen, dass es mit der Hamas sehr friedlich verläuft".
Lieferung von Hilfsgütern läuft wieder an
Auch der von Israel zwischenzeitlich erneut verhängte vollständige Stopp aller Hilfslieferungen über Grenzübergänge zu dem Palästinensergebiet am Mittelmeer soll wieder aufgehoben werden - offenbar auf Druck der USA.
Israels politische Führung habe angeordnet, dass "humanitäre Hilfe weiterhin den Gazastreifen über den Übergang Kerem Schalom und weitere Übergänge erreicht", heißt es aus israelischen Sicherheitskreisen. Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten bleibe aber bis auf weiteres für den Personenverkehr geschlossen.
Nach Einschätzung des Nothilfe-Experten der Welthungerhilfe, Marvin Fürderer, ist die Lage im Gazastreifen weiterhin katastrophal. Unter den bereits verheerenden Umständen erschwerten die instabile Waffenruhe und der erneute Stopp von Hilfslieferungen die humanitäre Arbeit enorm. Die Feuerpause habe für ein kurzes Aufatmen gesorgt. Doch habe sich am Wochenende gezeigt, wie brüchig diese Ruhe sei, sagte Fürderer dem Westdeutschen Rundfunk.
Nach Inkrafttreten der Waffenruhe waren die Hilfslieferungen als Teil der Vereinbarung ausgeweitet worden, mit einem Ziel von 600 LKW-Ladungen am Tag. Nach Angabe der Welthungerhilfe sind in der zurückliegenden Woche täglich nur 560 Tonnen Lebensmittel in den Gazastreifen gelangt - das entspreche lediglich etwa 22 Lastwagen-Ladungen.
Fortsetzung der Verhandlungen
Die Verhandlungen über das weitere Vorgehen sollen in dieser Woche weitergehen. Die Hamas hat nach eignen Angaben Vertreter nach Ägypten entsandt, dass neben Katar, der Türkei und den USA eine zentrale Rolle bei den Vermittlungen spielt. Hochrangige Verhandler aus Washington werden in Israel erwartet.
Auslöser des Kriegs im Gazastreifen war das schlimmste Massaker in Israels Geschichte durch Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen. Am 7. Oktober 2023 wurden nahe der Grenze zum Gazastreifen auf israelischer Seite etwa 1200 Menschen getötet und mehr als 250 von den Terroristen verschleppt.
Israel reagierte mit massiven Angriffen aus der Luft und am Boden. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden durch den Militäreinsatz mehr als 67.000 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet.
AR/se/pgr (dpa, afp, rtr, kna, epd)
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