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Politik

Gedenken an Anschlag auf Breitscheidplatz

19. Dezember 2017

Ein Jahr nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt wird mit mehreren Zeremonien der Opfer gedacht. Auch Hinterbliebene und Betroffene kamen zusammen.

Berlin Breitscheidplatz Mahnmal
Das Mahnmal am Berliner BreitscheidplatzBild: Reuters/F.Bensch

In Berlin wird in diversen Veranstaltungen dem erstem Jahrestag des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gedacht. In einer nicht öffentlichen Zusammenkunft am Schauplatz des Anschlags stellte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) Opfern und Hinterbliebenen das Mahnmal für das Attentat vor. Mit einem symbolischen Akt wurde dabei an der Gedächtniskirche das letzte Stück eines knapp 17 Meter langen, goldenen Risses im Boden vervollständigt. Dafür schoben Opfer Metallblöckchen in einen Ofen, das flüssige Metall wurde dann von einem Fachmann in den Riss eingefügt. 

"Heute halten wir alle inne", sagte Müller bei der Übergabe der neuen Gedenkstätte. "Die Nacht des 19. Dezember und die Tage danach werden uns ein Leben lang in Erinnerung bleiben." Das Attentat habe "Spuren in den Herzen der Menschen hinterlassen". Daher sei auch entschieden worden, eine Stätte des Gedenkens direkt am Anschlagsort zu schaffen. 

Bei dem stillen Beisammensein, das der öffentlichen Mahnmal-Präsentation vorgelagert war, waren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble anwesend. An den Gedenkveranstaltungen nehmen rund 80 Opfer und Angehörige sowie rund 40 Helfer teil. Der Riss im Boden soll die tiefe Wunde symbolisieren, die das Attentat im Leben der Betroffenen hinterließ. In den Treppenstufen vor der Kirche sollen zudem die Namen der Toten die Erinnerung wachhalten.

Steinmeier: Opfer hätten mehr Beistand gebraucht

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier räumte in seiner Rede in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein, es habe beim Umgang mit den Opfern des Terroranschlags Versäumnisse bei Staat und Gesellschaft gegeben. Manche Unterstützung für die Angehörigen der Opfer und für die Verletzten sei spät gekommen und unbefriedigend geblieben, sagte Steinmeier in der nicht öffentlichen Gedenkveranstaltung.

Bild: Reuters/A.Schmidt

Es stelle sich die Frage, wie die Gesellschaft mit dem Attentat umgegangen sei. Direkt danach habe sich die Einstellung verbreitet, man wolle sich nicht einschüchtern lassen und weiterleben wie bisher. Diese Sätze seien stark und richtig. "Aber so kurz nach dem Anschlag, als die unfassbare Gewalt gerade in unseren Alltag eingebrochen war, klangen sie nicht mehr nur trotzig und selbstbewusst, sondern auch seltsam kühl und abgeklärt", mahnte das Staatsoberhaupt. Für viele Angehörige habe dies gewirkt "wie ein Abwehrreflex, wie der allzu routinierte Versuch, den Schock zu unterdrücken", sagte er. "Und es hat, auch wenn das von niemandem beabsichtigt war, bei den Hinterbliebenen und Verletzten, wie ich weiß, Unverständnis hervorgerufen." Die Gesellschaft dürfe dem Terror nicht nachgeben. "Aber das darf nicht dazu führen, dass wir den Schmerz und das Leid verdrängen." Die Gesellschaft trete dem Terror auch dadurch entgegen, dass sie gemeinsam der Opfer gedenke und den Hinterbliebenen zur Seite stehe. "Dass wir miteinander traurig, miteinander wütend, miteinander fassungslos sind - auch das gehört zum Zusammenhalt, den wir brauchen, um gemeinsam unsere Freiheit zu verteidigen." An die Adresse der Verletzten und Hinterbliebenen sagte Steinmeier: "Ich will Ihnen versichern: Wir lassen Sie mit alldem nicht allein."

Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht den BreitscheidplatzBild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

Pannen bei den Ermittlungen

Am Montag hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) etwa 80 Opfer und Hinterbliebene im Kanzleramt empfangen. Sie hatten der amtierenden Regierungschefin zuvor in einem offenen Brief Versagen vorgeworfen und kritisiert, dass sie nicht persönlich kondoliert habe. Auch der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Kurt Beck, hatte zahlreiche Versäumnisse der Behörden bei der Betreuung der Opfer angeprangert und Änderungen gefordert. Auch im Fall des Attentäters Amri war zu einer Serie von schweren Pannen, Ermittlungsfehlern und Fehleinschätzungen gekommen.

Steinmeier beklagte, es sei bitter, dass der Staat die Opfer vom Breitscheidplatz nicht habe schützen können. "Unsere Haltung muss sein: Dieser Anschlag hätte nie passieren dürfen." Die Politik dürfe nicht zu eilfertig sagen, dass es in unserer offenen Gesellschaft keine vollkommene Sicherheit geben könne, so richtig diese Erkenntnis auch sei. "Wir müssen Versäumnisse aufklären und aus Fehlern lernen." Es wurden bereits zwei Untersuchungsausschüsse auf Landesebene zum Fall Amri eingesetzt. Auch auf Bundesebene soll bald ein solches Gremium im Parlament kommen.

Maas will neue Koordinierungsstelle einrichten

Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel" bei den Opfern und Hinterbliebenen dafür entschuldigt, dass die Politik nicht ausreichend auf die Folgen eines solchen Angriffs vorbereitet war. Er bekräftigte zudem, dass eine Koordinierungsstelle in einem Ministerium eingerichtet werden sollte, damit Opfer und Angehörige bei einem künftigen Anschlag sofort einen direkten Ansprechpartner auf Bundesebene hätten. Einen entsprechenden Vorschlag hatte auch der Opferbeauftragte der Bundesregierung, Kurt Beck, unterbreitet.

Im Berliner Abgeordnetenhaus findet im Tagesverlauf eine Gedenkstunde statt, gefolgt von einer Mahnwache am Breitscheidplatz, zu der auch die Öffentlichkeit geladen ist. Für den Abend ist ein ökumenisches Friedensgebet in dem Gotteshaus angesetzt. Um 20.02 Uhr sollen die Glocken der Kirche zwölf Mal läuten.

Am Abend des 19. Dezember 2016 war der Attentäter Anis Amri mit einem gestohlenen Laster in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz gerast und hatte zwölf Menschen getötet. Fast 100 Menschen wurden verletzt.

as/kle (dpa, kna, rtr)

 

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