Bergen-Belsen: "Erinnerung ist die Brücke zur Gegenwart"
27. April 2025
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat die Bedeutung der Erinnerung an die Geschichte des Nazi-Konzentrationslagers Bergen-Belsen betont. "Erinnerungsarbeit mag noch so schwer und bedrückend sein, sie ist die Brücke zur Gegenwart und zu den Konsequenzen, die daraus heute für uns folgen", sagte er bei der gemeinsamen Gedenkfeier des Bundeslandes, der jüdischen Gemeinden von Niedersachsen und der Gedenkstätte in Bergen-Belsen.
"Nie wieder - der Auftrag unserer Verfassung"
Auch heute gebe es in vielen Ländern der Welt Rassismus und Antisemitismus sowie Ausgrenzung und Aggression gegenüber Menschen, die anders seien. "Nirgendwo muss uns das mehr aufrütteln als in Deutschland", betonte Weil vor der Inschriftenwand, die auf dem Gelände der Gedenkstätte an die Opfer erinnert. Der Holocaust sei "nun einmal Teil unserer Geschichte, das 'Nie wieder' der Auftrag unserer Verfassung".
Weil hob besonders den Einsatz der Überlebenden für die Erinnerungskultur hervor. Zu der Veranstaltung waren auch noch etwa 50 Überlebende des KZ mit ihren Angehörigen gekommen.
Am 15. April 1945 - gut drei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs - befreiten britische Truppen das KZ Bergen-Belsen. In dem Lager waren zunächst sowjetische Kriegsgefangene und später jüdische Häftlinge unter lebensfeindlichen Bedingungen interniert. Auch Sinti und Roma, politisch Andersdenkende, Homosexuelle, als Asoziale oder Berufsverbrecher diffamierte Menschen oder Zeugen Jehovas hielten die Nazis dort gefangen.
Mindestens 20.000 Kriegsgefangene und 52.000 KZ-Häftlinge wurden ermordet, unter ihnen auch das deutsche jüdische Mädchen Anne Frank, das durch sein später entdecktes Tagebuch weltweit bekannt wurde.
Zehntausende ausgehungerte und kranke Menschen in Bergen-Belsen
Bergen-Belsen war eines der wenigen Konzentrationslager, das die SS vor dem Anrücken der Alliierten nicht geräumt hatte. Etwa 60.000 Menschen drängten sich in den Baracken, als sie von den Briten befreit wurden. Unter den völlig entkräfteten Menschen wütete eine Fleckfiberepidemie, viele litten an Tuberkulose, Typhus und Ruhr. Die Soldaten fanden zudem Tausende unbestattete Leichen.
Für die britische Regierung erinnerte Vize-Premierministerin Angela Rayner an die Bilder des Horrors, die sich den britischen Befreiern boten. "Tausende Körper am Boden in Haufen", sagte sie. "Die noch lebten, waren zu schwach, um sich zu bewegen." Sie mahnte in Bergen-Belsen, es müsse alles dafür getan werden, dass der Holocaust niemals in Vergessenheit gerate.
Söder: Im KZ-Flossenbürg gab es weder Gott noch Menschlichkeit
Auch auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg gedachten Überlebende des Nazi-Terrors, Angehörige ehemaliger Häftlinge sowie Hunderte Gäste der Befreiung des KZ. In dem Lager im heutigen südlichen Bundesland Bayern mit seinen 80 Außenstellen waren zwischen 1938 und 1945 mehr als 100.000 Menschen inhaftiert. Viele von ihnen überlebten die Tortur nicht.
US-Streitkräfte befreiten das KZ am 23. April 1945. 1500 völlig ausgemergelte Menschen fanden sie vor.
Nach den Worten des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gab es im Konzentrationslager Flossenbürg weder Gott noch Menschlichket. "Humanität endete hier", sagte Söder bei der Gedenkfeier. Der Regierungschef ging auch auf die Botschaft "Nie wieder" ein und verwies darauf, im Zweifelsfall müsse "Nie wieder" immer wieder erkämpft werden. Es dürfe heute nicht zur Formel verkommen, sondern müsse mit tatkräftigem Handeln unterlegt werden. In Zeiten, in denen Rechtsextremismus und Antisemitismus erstarkten, brauche es die Zivilcourage jedes Einzelnen. Söder dankte zugleich den Amerikanern für ihren Einsatz im und nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Tochter des ehemaligen Häftlings und Überlebenden Leon Weintraub (99), Emilia Rotstein, sagte während des Gedenkens, die Menschheit lerne selten aus der Geschichte. Der Holocaust sei ausführlich dokumentiert. "Trotzdem gibt es jetzt wieder Verneiner, Menschen, die behaupten, es wäre nie geschehen", beklagte sie. Doch "das Vergessen" raube den Opfern abermals das Leben. Leon Weintraub nahm an dem Gedenken ebenfalls teil.
Die scheidende Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte ebenfalls, 80 Jahre nach Kriegsende sei es "mehr denn je notwendig, die Erinnerung wachzuhalten". Weltweit, auch in Deutschland verhinderten und zerstörten "Hassparolen auf Straßen und in Parlamenten das vernünftige Gespräch. Völkische Ideologen führten das große Wort und brächten Mahner zum Schweigen.
"Vernichtung durch Arbeit war das Prinzip"
Im KZ Flossenbürg beutete die SS der Nationalsozialisten die Arbeitskraft von Häftlingen im örtlichen Steinbruch gezielt aus. Es herrschten schwerste Zwangsarbeit, Hunger, Krankheit und Gewalt. "Vernichtung durch Arbeit war das Prinzip", sagte Karl Freller, der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Für die Gedenkstätte sei es ein "wichtiger Meilenstein", dass der kommerzielle Abbau im ehemaligen Steinbruch nun endlich eingestellt sei. Erst im März 2024 endete offiziell die Granitgewinnung im ehemaligen KZ-Steinbruch Wurmstein in Flossenbürg.
se/wa (epd, afp, kna, gedenkstaette-flossenbuerg.de)