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Gefährliche deutsche Pestizide für Afrika

Martina Schwikowski
12. Mai 2020

Auf afrikanischen Plantagen landen laut einer aktuellen Studie auch Pestizide, die in der EU gar nicht zugelassen sind. Die Autoren erheben Vorwürfe: Machen deutsche Konzerne Profite auf Kosten von Arbeitern vor Ort?

Südafrika Chemikalien werden auf einem Kohlfeld eingesetzt
Archivbild: Erntearbeiter in Südafrika. Was hier genau versprüht wird, ist offenBild: picture-alliance/WILDLIFE/M. Harvey

Die Zitrusfarm Hillside liegt im Ostkap, in einer stark landwirtschaftlich geprägten Region Südafrikas. Grüne Baumreihen ziehen sich über die rotbraunen Äcker - dort herrscht bestes Klima für den Anbau von Zitrusfrüchten, die auch für den europäischen Markt bestimmt sind. Aber die grüne Idylle trügt: Denn der Einsatz von Pestiziden richtet hier und auf anderen Farmen im Land laut einer aktuellen Studie von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Misereor und Inkota-Netzwerk bei Mensch und Umwelt große Schäden an.

Gefährliche Wirkstoffe im Einsatz

Auf der Hillside-Plantage hatte es laut der Publikation vor drei Jahren einen Farmarbeiter aus Simbabwe schwer erwischt: Als er mit dem Traktor Pestizide auf die Böden sprühte, wehte ihm eine Windböe die Chemikalien direkt in die offene Fahrerkabine. Der Arbeitsmigrant erlitt eine akute Lungenvergiftung und wurde mehrere Wochen lang im Krankenhaus behandelt. Laut Studie hatte er das Herbizid Treevix eingeatmet, dessen Wirkstoff Saflufenacil in der EU nicht genehmigt ist. Der Hersteller ist BASF.

Für den Bericht wurden Landarbeiter auf drei Plantagen im Ostkap nach dem Einsatz von Pestiziden befragt. Neben Südafrika haben die Studienautoren außerdem in Brasilien recherchiert. Konkret werfen sie den Chemiekonzernen BASF und Bayer vor, in beiden Ländern Pestizide und darin enthaltene Wirkstoffe zu vertreiben, die in der EU verboten sind.

Pestizid-Verkauf wächst rasant

"Bayer und BASF verweisen stets auf die vermeintliche Sicherheit ihrer Produkte, aber das ist ein Mythos", sagt Jan Urhahn, Agrarexperte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und Mitautor der Studie. "Fehlende Aufklärung und mangelnder Schutz sind die Realität in Afrika. Die Konzerne treten die Menschenrechte jeden Tag mit Füßen". Der Handel mit Pestiziden sei in den letzten Jahren explodiert. Verantwortlich dafür seien die Versuche afrikanischer Regierungen, kleinbäuerliche Strukturen stärker zu einer industriellen Landwirtschaft umzuwandeln.

Schädlingsbekämpfungsmittel von Bayer in Südafrika: Nachfrage stark gestiegenBild: DW/D. Ehl

Die gestiegene Nachfrage nach Pestiziden in Afrika kommt auch den deutschen Chemiekonzernen zugute. Laut Urhahn ist Deutschland zweitgrößter Exporteur von Pestizid-Wirkstoffen weltweit. Für Bayer und BASF hat Südafrika zudem besonderes Bedeutung – nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als Produktionsstandort, von dem aus eine Reihe weiterer Länder versorgt werden. Doch warum wird nicht zumindest der Export von Wirkstoffen, die in der EU verboten sind, beschränkt? "Da geht es ganz banal darum, die Profitinteressen von zwei der größten deutschen Unternehmen abzusichern", glaubt Urhahn.

Zulassungspraxis unterschiedlich

Dass Bayer und BASF im globalen Süden gefährliche Pestizide vermarkten, die in der EU gar nicht im Umlauf sein dürfen, trägt laut Studie zu dem erschreckenden Umstand bei, dass sich 99 Prozent der Todesfälle aufgrund von Pestizidvergiftungen in Afrika, Asien und Lateinamerika ereignen. Gründe für die besonders häufigen Vergiftungen in Ländern des globalen Südens seien niedrigschwellige Zulassungsverfahren, mangelnde Aufklärung über die Gefährlichkeit der enthaltenen Wirkstoffe und oftmals unzureichender Arbeitsschutz. 

Messen BASF und Bayer bei der Vermarktung ihrer Pestizide mit zweierlei Maß? Beide Firmen weisen die Vorwürfe gegenüber der DW zurück. Dirk Hartmann, Direktor der Abteilung Pflanzenschutz Afrika und Mittlerer Osten bei BASF, erklärt im DW-Interview, dass die Pflanzenschutzmittel für eine bestimmte regionale "Situation und Kultur" entwickelt würden. Das führe dazu, dass sich die Zulassungen in den Ländern unterscheiden. Außerdem seien alle Wirkstoffe, die BASF in seinen Pflanzenschutzmitteln verwende, in mindestens einen OECD-Land zugelassen.

Bayer-Werk im südafrikanischen NigelBild: DW/D. Ehl

Auch Holger Elfes, Sprecher der Abteilung Crop Science bei Bayer, verweist gegenüber der DW auf die unterschiedlichen Anforderungen in verschiedenen Weltregionen – ein aktuelles Beispiel sei etwa die Heuschrecken-Plage in Ostafrika. Solche Unterschiede würden erklären, weshalb Bayer in manchen Ländern Pflanzenschutzmittel verkaufe, die anderswo nicht zugelassen seien. Wie BASF führt auch Bayer die Zulassung in mindestens einem OECD-Land als Kriterium für eine weltweite Vermarktung von Pestizid-Wirkstoffen an.

Biopestizide als Alternative

Silke Bollmohr, Geschäftsführerin der Umweltberatungsfirma Eco-Trac Consulting in Kenia, wirft BASF und Bayer Doppelstandards vor – auch wenn es rein rechtlich in Ordnung sei, in der EU nicht zugelassene Pestizide in Afrika zu vermarkten. Für Kenia hat Eco-Trac Consulting bereits vor einigen Jahren in einer Studie nachgewiesen, dass auch dort entsprechende Mittel zum Einsatz kommen. Das Problem laut Bollmohr: In vielen Ländern des globalen Südens sei der Pestizidmarkt völlig intransparent, es fehlten öffentlich zugängliche Datenbank der eingesetzten Pestizide, außerdem seien die Zulassungskriterien vielerorts schlicht nicht streng genug.

Kleinbauern in Kenia: Einsatz von Pestiziden insgesamt minimieren?Bild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Bollmohr fordert deshalb, dass die Bundesregierung aktiv wird: "Es gibt nach dem deutschen Pflanzenschutzgesetz die Möglichkeit, per Verordnung den Export zu verbieten, wenn das zum Schutz von Mensch, Tier und Natur nötig ist." In Frankreich besteht ein solches Verbot bereits: Dort ist die Herstellung, Lagerung und globale Vermarktung von Pestizidprodukten, die in der EU nicht zugelassen sind, seit 2018 unter Strafe gestellt.

Gleichzeitig müsse auch über Alternativen vor Ort nachgedacht werden, betont Bollmohr. Bereits jetzt würden viele Kleinbauern erfolgreich natürliche Stoffe wie Chili und Knoblauch verwenden. Auch Biopestizide seien erhältlich, aber teurer. Auch Jan Urhahn von der Rosa-Luxemburg-Stiftung betont, dass Bauern den Einsatz von Pestiziden insgesamt minimieren sollten, damit die ökologischen Grundlagen dauerhaft erhalten bleiben. Ansonsten drohe die Gefahr, dass sich Bauern in die Abhängigkeit der Konzerne begeben würden, weil sie immer mehr Kunstdünger, Pestizide und Hybride ausbringen müssten - ein Teufelskreis, der letztlich zur Schuldenfalle für die Bauern werden könnte.

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