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Gefährliche Schwangerschaften

23. August 2010

In Sierra Leone schwanger zu sein, gleicht einem riskanten Glücksspiel. Denn jede achte Frau stirbt während der Schwangerschaft oder bei der Entbindung. Millenniumsziel Nummer 5 scheint unerreichbar.

Doris Kargbo ist im 6. Monat schwanger, sie steht vor ihrem Haus in Kabala
Doris Kargbo ist im sechsten Monat schwangerBild: Sarah Bomkapre-Kamara

Doris Kargbo ist 21 Jahre alt. Sie lebt in Kabala, einer Kleinstadt im Norden Sierra Leones. Heute liegt ein anstrengender Tag vor ihr. Denn es ist Sprechstunde für die schwangeren Frauen aus der Umgebung. Dort will sie hin. Doris steht früh auf, um den Haushalt zu erledigen: Geschirr spülen, Wasser holen und auf ihre fünfjährige Tochter aufpassen. Das kleine Mädchen ist ihr einziges Kind. Zweimal war sie danach wieder schwanger - doch beide Babys starben kurz nach der Geburt. Nun ist Doris im sechsten Monat schwanger. Und hat Angst, dass ihr oder dem Kind in ihrem Bauch etwas Schlimmes passieren könnte. Die Müttersterblichkeit in ihrem Heimatbezirk Koinadugu ist eine der höchsten in ganz Sierra Leone. "Ich weiß nicht genau, warum meine Babys sterben", sagt Doris. "Ich versuche doch immer ins Krankenhaus zu gehen wenn ich schwanger bin. Aber dann, kurz vor dem Geburtstermin, bekomme ich Probleme. Und am Ende verliere ich mein Baby dann."

Regelmäßige Kontrolle - eine Seltenheit

Schwangere Frauen im Krankenhaus in KabalaBild: Sarah Bomkapre-Kamara

Nach einer guten Stunde Fahrt auf einem schlammigen Weg erreicht Doris das Krankenhaus. Erschöpft lässt sie sich auf eine Bank fallen, um sie herum sitzen etwa 20 andere Schwangere. Sie warten seit über zwei Stunden auf ihre Untersuchung. Sie sind die Ausnahme, denn die langen Wege zur Klinik sind für die meisten Frauen zu anstrengend und die Scheu vor den Kosten zu groß. Elizabeth Marah schüttelt darüber nur den Kopf. Sie ist Krankenschwester und zuständig für die Schwangerenfürsorge im Bezirk Koinadugu.

Ihrer Meinung nach ist das Verhalten der Schwangeren ein Grund für die hohe Müttersterblichkeit. "Die meisten schwangeren Frauen kommen nicht zur Vorsorge. Sie sitzen zuhause und kommen erst kurz vor ihrem Entbindungstermin. Wir können dann nur noch wenig tun, weil wir Komplikationen nicht rechtzeitig feststellen können."

Die Frauen wüssten nur wenig über gesunde Ernährung, da sie die Angebote der Kliniken nicht wahrnähmen, bedauert Elizabeth Marah. Und dann gebe es auch noch viele Frauen, die eine Entbindung im Krankenhaus grundsätzlich ablehnten und stattdessen traditionellen Geburtshelferinnen vertrauten. "Doch die sind häufig unerfahren, und bei Komplikationen ist es für die Fahrt ins Krankenhaus meist zu spät." Das sei oft lebensgefährlich, sagt die Krankenschwester. Hilfsorganisationen schätzen, dass weniger als die Hälfte aller Geburten in Sierra Leone von geschultem Personal begleitet wird. Schwere Blutungen, Infektionen, Bluthochdruck oder illegale Abtreibungen sind die häufigsten Todesursachen der Frauen.

Ehrgeizige Ziele

Oft weite Wege bis zum nächsten KrankenhausBild: Sarah Bomkapre-Kamara

Sie würden ja versuchen die Müttersterblichkeit zu senken, beteuern die Bezirksabgeordneten von Koinadugu. "Wir vom Gemeinderat sprechen mit den Familien, um sie über die Wichtigkeit eines rechtzeitigen Besuchs eines Krankenhauses aufzuklären", sagt Peter Conteh. Er ist Vorsitzender des Bezirksrates. "Wir versuchen das Straßennetz zu verbessern, mehr Gesundheitseinrichtungen zu bauen und mehr Rettungswagen einzusetzen, um Frauen in schwierigen Situationen schneller erreichen zu können." Auch wolle er mehr Personal einsetzen, so Conteh. "Gesundheitspersonal, das zu den Frauen in die Dörfer geht und ihnen vor Ort hilft."

Regierungsziele noch fern der Realität

Auch auf nationaler Ebene hat Sierra Leone eine Strategie, um die Müttersterblichkeit zu verringern. Zu Beginn dieses Jahres kündigte die Regierung an, sie wolle ein Programm zur kostenfreien Behandlung von schwangeren Frauen und Kindern unter fünf Jahren einführen. Wann - das blieb offen. Deshalb glauben viele Menschen in Sierra Leone nicht, dass das Land bis 2015 das Millennium-Entwicklungsziel erreichen kann. Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hat ein immer noch weitgehend zerstörtes Gesundheitssystem hinterlassen, schlecht geschultes Personal und eine unzureichende Infrastruktur. Es ist noch ein weiter Weg, bis alle schwangeren Frauen die medizinische Versorgung bekommen, die sie benötigen.

Autorin: Sarah Bomkapre-Kamara
Redaktion: Stefanie Duckstein