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Umweltgefahr: Russische Öl-Tanker in der Ostsee

31. Oktober 2024

Seit Kriegsbeginn 2022 haben mehr als tausend russische Öl-Tanker die Ostsee passiert. Viele von ihnen sind marode und ohne Versicherung. Umweltschützer fordern jetzt Sanktionen.

Greenpeace I Umweltschützer protestieren in Ostsee gegen russische Öltanker
Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace demonstrieren in der Ostsee vor einem Schiff, das russisches Öl transportiertBild: Frank Molter/dpa/picture alliance

Das ging noch einmal gerade gut: Mitte Oktober gelang es Rettungskräften, den deutschen Öltanker "Annika" auf der Ostsee vor der Küste von Mecklenburg-Vorpommern wieder sicher in den Hafen von Rostock zu bringen.  Das 73 Meter lange Schiff war in Brand geraten, rund eine Stunde nach dem Auslaufen in Rostock, mitten auf dem Meer. Menschen wurden nicht verletzt, die Umwelt erlitt keinen Schaden. Trotzdem war die Aufregung groß: Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wäre die Rettungsaktion gescheitert. Zuvor waren das Seegebiet und der Luftraum in einem Radius von drei Seemeilen um den Havaristen herum gesperrt worden.

Tägliche Fahrten maroder Tanker vor der Küste

Glaubt man der Umweltorganisation "Greenpeace",  dann drohen den deutschen Ostseeküsten beinah täglich weit größere Katastrophen, ohne dass die Öffentlichkeit davon groß Notiz nimmt. Nach Angaben von Thilo Maack, Meeresbiologe und Greenpeace-Aktivist, fahren täglich marode russische Öl-Tanker durch die Ostsee, in internationalen Gewässern. Wie Maack der DW sagte, hat Greenpeace jetzt eine Liste von rund 200 Schiffen vorgelegt, die eigentlich dringend aus dem Verkehr gezogen werden müssten: "Wir nutzen eine Liste von über 4000 alten Tanker, und wir nutzen Kriterien wie diese: Sind diese Tanker in den letzten zweieinhalb Jahren in der Ostsee  gewesen, also seit Kriegsausbruch? Und wir haben uns Tanker angeschaut, die länger als 180 Meter sind."

Ergebnis: 192 von ihnen waren nicht versichert und mindestens einmal in der Ostsee unterwegs. Ihr Ziel zumeist: Indien oder China. Die so genannte Kadetrinne nordöstlich von Rostock, die die Schiffe dabei durchfahren, gilt als schwierigstes und gefährlichstes Seegebiet der Ostsee. Dennoch seien, so Greenpeace, die Schiffe zumeist ohne ortskundige Unterstützung oder Lotsen unterwegs. 

Druck auch auf die Flaggenstaaten

Nicht nur bei der Umweltorganisation, auch in der sozialdemokratischen deutschen Regierungspartei SPD ist die Sorge um die Küstenregion deshalb groß. Daniel Schneider ist der Vorsitzende des Parlamentskreises Meerespolitik im Bundestag und sagt der DW: "Das Durchschnittsalter der Tanker ist sehr hoch. Sie sind so 16 bis 17 Jahre alt. Sie sind schlecht gewartet, das heißt, sie weisen viele technische Mängel auf. Sie sind aber vor allem auch unzureichend versichert. Wir haben bereits einige hundert Schiff auf der Sanktionsliste, diese Liste gilt es zu erweitern. Und es geht darum, die Zusammenarbeit mit einigen Flaggenstaaten wie Panama oder Griechenland zu intensivieren." Denn einige Staaten lassen fremde Schiffe unter ihrer Flagge fahren, ohne zu genau hinzusehen. Und künftig müssten diese Staaten dann seeuntüchtigen Schiffen ohne ausreichende Versicherung die Genehmigung untersagen.

Schattenflotte ist seit dem Krieg um 70 Prozent gewachsen

Greenpeace geht es jetzt vor allem um eines: Die jetzt gefundenen rund 200 Tanker müssten durch die EU konkret mit Sanktionen belegt werden. Thilo Maack: "Es ist klar: Sobald diese Tanker mit auf der Sanktionsliste stehen, werden sie nicht mehr für den russischen Öl-Export genutzt. Und genau das brauchen wir jetzt."

Die weitreichenden Sanktionen westlicher Staaten und vor allem der EU gegen Russland nach Beginn des Angriffes auf die Ukraine im Frühjahr 2022 haben Russland zwar schwer getroffen, aber Experten schätzen, dass durch den Einsatz der "Schattenflotte" bislang kein Tropfen weniger Rohöl Russland in alle Welt verlässt. In oft abenteuerlichen Aktionen würden auf dem offenen Meer sogar teilweise die Ladungen umgefüllt, um die Herkunft aus Russland zu verschleiern. Russland hat in die maroden Tanker nach Schätzungen von Maack bislang rund 10 Milliarden Euro investiert.

Thilo Maack von Greenpeace fordert weitere EU-Sanktionen gegen die russischen Öl-Tanker in der OstseeBild: Gesche Jäger/Greenpeace

Russland beruft sich auf fast 170 Jahre alte Regel

Hintergrund der riskanten Flotte ist der Beschluss der EU nach Beginn des Krieges, Öl-Exporte aus Russland zu sanktionieren. Während der gesamte Schiffsverkehr auf der Ostsee seitdem rückläufig ist, hat der Verkehr der "Schattenflotte" um 70 Prozent zugenommen. Auch in Dänemark wächst die Sorge vor dieser Entwicklung. Im Sommer hatte die Regierung in Kopenhagen bekannt gegeben, prüfen zu wollen, ob der Verkehr der russischen Tanker nicht beschränkt oder gar untersagt werden kann. Prompt beharrte die Regierung in Moskau auf alte Vereinbarungen über die freie Fahrt in internationalen Gewässern wie die Kopenhagener Konvention von 1857, die regelt, dass alle dänischen Meerengen für die gesamte Handelsschifffahrt frei sind.

Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch im nördlichsten deutschen Küstenland Schleswig-Holstein wächst die Sorge über die "Schattenflotte". Die Landesregierung in Kiel will das Thema im November auf der nächsten Umweltkonferenz aller Bundesländer ansprechen - und so endlich für mehr Aufmerksamkeit sorgen.

 

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