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Politik

Gefechte zwischen Taliban und ihren Gegnern

4. September 2021

Die radikalislamischen Taliban und ihre Gegner haben sich offenbar heftige Gefechte im Pandschir-Tal geliefert. Die UN planen eine Geberkonferenz für Afghanistan. Und schon in wenigen Tagen könnten Hilfsflüge starten.

Afghanistan | Provinz Pandschir
Milizionär im Pandschir-Tal, der letzten Hochburg der Taliban-Gegner in AfghanistanBild: Jalaluddin Sekandar/AP/dpa

"Mit der Gnade Allahs des Allmächtigen haben wir die Kontrolle über ganz Afghanistan", sagte ein Militärführer der islamistischen Taliban am Freitag. "Die Unruhestifter haben sich ergeben und Pandschir steht nun unter unserem Befehl." Zwei weitere Personen aus Kreisen der Taliban äußerten sich ebenso.

Führende Taliban-Gegner erklärten jedoch, der Widerstand ihres Lagers dauere an. Beide Seiten berichteten von schweren Verlusten auf der gegnerischen Seite.

Milizionäre der Massoud-Miliz während einer Trainingsübung in der Provinz PandschirBild: Jalaluddin Sekandar/AP/dpa

Rückzugsort der Taliban-Gegner

Das Pandschir-Tal, rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Kabul entfernt, gilt seit den 1990er-Jahren als Hochburg des Widerstands gegen die islamistischen Taliban. Ein Sprecher der Widerstandsbewegung sagte, die Truppen unter dem Taliban-Gegner Achmad Massud seien in "schwere" Kämpfe mit den Taliban verwickelt. Massud selbst erklärte auf seiner Facebook-Seite, man werde den Kampf für Gott, Freiheit und Gerechtigkeit niemals aufgeben. 

Auf Taliban-treuen Twitter-Accounts wurden Videos verbreitet, die offenbar durch die Taliban eroberte Panzer und anderes schweres militärisches Gerät in dem Tal zeigten. Beide Seiten berichteten auf Twitter, der wichtige Bezirk Parjan sei vorübergehend von den Taliban eingenommen worden. Von unabhängiger Seite ließen sich diese Berichte nicht überprüfen. Ein Bewohner des Tals dementierte dies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP per Telefon.

In Kabul waren am Freitagabend gleichwohl Freudenschüsse zu hören, als sich das Gerücht verbreitete, die Taliban hätten das Pandschir-Tal erobert.

Regierungsbildung verzögert sich

Nach der neuerlichen Machtergreifung der Taliban vor drei Wochen formierte sich im Pandschir-Tal erneut eine Widerstandsbewegung unter Führung von Ahmed Massoud, dem Sohn des legendären afghanischen Kriegsherrn und Taliban-Gegners Ahmed Schah Massoud.

Dieser hatte in den 1980er-Jahren gegen die sowjetische Besatzung Afghanistans gekämpft, während der Taliban-Herrschaft zwischen 1996 bis 2001 bekämpfte er die Islamisten. Am 9. September 2001 wurde er von zwei Selbstmordattentätern des Terrornetzwerks Al-Kaida getötet - zwei Tage vor den Anschlägen in den USA, die zu dem internationalen Militäreinsatz in Afghanistan führten.

Pressekonferenz des Sprechers der Taliban, Sabiullah Mudschahid (M), nach der faktischen Machtübernahme im AugustBild: Rahmat Gul/dpa/AP/picture alliance

Die erwartete Regierungsbildung der Taliban verschiebt sich weiter. Nach Ansicht von Beobachtern werden die Extremisten aber in den kommenden Tagen verkünden, wer aus ihren Reihen politische Verantwortung übernehmen soll.

UN-Konferenz gegen "humanitäre Katastrophe"

Die Vereinten Nationen planen für Mitte September eine hochrangig besetzte Hilfskonferenz für Afghanistan. UN-Generalsekretär António Guterres werde das Treffen auf Ministerebene leiten, teilte sein Sprecher Stéphane Dujarric in New York mit.

Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban Mitte August sei Afghanistan von einer "humanitären Katastrophe" bedroht, hob der UN-Sprecher hervor. Er führte dies auf den langen Konflikt in dem Land, eine schwere Dürre und die Corona-Pandemie zurück.

Die Konferenz solle zum einen auf eine "rasche Erhöhung der Finanzierung" hinwirken, damit "lebensrettende humanitäre Einsätze fortgesetzt" werden könnten, erklärte Dujarric. Zum anderen gehe es darum, einen "vollständigen und ungehinderten humanitären Zugang" zu Afghanistan zu erhalten, damit die Afghanen weiterhin mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden könnten.

Guterres' Sprecher machte allerdings auch deutlich, dass die Hilfen für Afghanistan an Bedingungen geknüpft werden sollen. Die bisherigen Entwicklungsfortschritte in dem Land müssten geschützt werden. Außerdem seien Frauenrechte ein "wesentlicher" Faktor für Afghanistans Stabilität in der Zukunft.

Frauen vor einem Plakat des Welternährungsprogramms - Afghanistan ist abhängig von ausländischer humanitärer HilfeBild: picture-alliance/dpa/AFP/Nemenov

Abhängig von ausländischer Hilfe

Afghanistan war bereits vor der Machtübernahme der Taliban in hohem Maße von humanitärer Hilfe aus dem Ausland abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert.

Von den 38 Millionern Einwohnern Afghanistans sind nach UN-Angaben 18 Millionen Menschen akut von einer humanitären Katastrophe bedroht. "Fast die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren werden in den kommenden zwölf Monaten akut unterernährt sein", führte Dujarric aus.

Schon bald humanitäre Luftkorridore?

Die internationalen Hilfsbemühungen für Afghanistan könnten schneller anlaufen als erwartet. Die mit den Islamisten in Verhandlungen stehende Regierung von Katar gab am Freitag bekannt, dass sie auf die Einrichtung von humanitären Hilfskorridoren an den afghanischen Flughäfen innerhalb von 48 Stunden hoffe. Mit der Wiederaufnahme des Flugbetriebs steigt die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Evakuierungsaktionen von ausländischen Staatsbürgern und afghanischen Ortskräften.

Katars Sondergesandter Mutlak al-Kahtani sagte dem Sender Al Jazeera am Freitag, innerhalb der nächsten zwei Tage könne hoffentlich "Hilfe über den Flughafen Kabul und andere funktionierende Flughäfen" in Afghanistan eintreffen. Am Donnerstag waren Experten aus Katar in Kabul gelandet, um den Flughafen nach dem US-Truppenabzug und dem Ende der Evakuierungsmission zu inspizieren.

mak/ml (rtr, dpa, afp)