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Politik

Geflüchtet aus dem Iran, gefangen in der Türkei

10. Februar 2021

Der Investigativjournalist Mohammad Mosaed flüchtete aus dem Iran in die Türkei. In seinem Heimatland drohte ihm eine drakonische Haftstrafe. Doch in der Türkei ist er auch nicht sicher. Von Burcu Karakaş, Istanbul.

Iran Mohammad Mossaed
Bild: Privat

Korruptionsfälle haben den iranischen Journalisten Mohammad Mosaed schon immer interessiert - daher hat er sich in seiner Berichterstattung besonders diesem Thema verschrieben. Doch das sollte ihm im Iran zum Verhängnis werden: Wegen seiner Berichterstattung wurde er im Iran zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Um dieser Haftstrafe zu entgehen, floh er ins Nachbarland Türkei. Doch nun droht ihm dort womöglich die Abschiebung zurück in sein Heimatland.

Mohammad Mosaed hat schon als Jugendlicher liebend gerne geschrieben. Seine erste Story wurde veröffentlicht, als er 17 Jahre alt war. Die Leidenschaft wurde sein Beruf. Lange Zeit war er Wirtschaftskorrespondent bei den iranischen Zeitungen "Hamshahri" und "Shargh". Er recherchierte jahrelang zu Korruption bei staatlichen Institutionen, Banken und Ölunternehmen. Seine Informanten waren teils Personen, die dort arbeiteten, teils gewöhnliche Bürger. Nach einiger Zeit hatte er sich einen derart großen Ruf erarbeitet, dass Hinweisgeber von selbst auf ihn zugingen, um über ihre Erfahrungen mit Korruption zu sprechen. Im Iran sei es nicht leicht gewesen, diese Informanten zu schützen, sagt Mosaed.

Misshandlung und Folter in Haft

Als Mosaed im November 2017 über die landesweiten Proteste im Iran berichtete, wurde er festgenommen. Er hatte Demonstrationen von Arbeitern journalistisch begleitet und die Blockade des Internets durch staatliche Stellen kritisiert. Mosaed landete in Untersuchungshaft, wo er - eigenen Angaben zufolge -  rechtsstaatswidrige Verhörmethoden über sich ergehen lassen musste. Im Gefängnis seien Folter und Misshandlung an der Tagesordnung gewesen: "Die Inhaftierung kann mehrere Tage dauern. Man ist völlig isoliert. Teilweise kann man die Sonne tagelang nicht sehen; es gibt keine frische Luft. Die Wachen wenden körperliche Gewalt an - manchmal aus reiner Willkür." Die psychische Belastung sei enorm - auch weil Familienangehörige von Inhaftierten bedroht oder ebenfalls in Gewahrsam genommen würden.

Flucht in die Türkei

Mosaed floh in die Türkei. Eine Entscheidung, die ihm nicht leicht fiel: "Ich habe mein Bestes getan, um im Iran bleiben zu können." Er habe sich bestmöglich vor Gericht verteidigt - aber nichts habe funktioniert. "Nachdem das Gericht die Entscheidung getroffen hat, habe ich dagegen Berufung eingelegt, doch ohne Erfolg. Irgendwann wurde mir der Ernst der Lage klar: Ich hätte auch nach meiner Haftstrafe noch jahrelang nicht als Journalist arbeiten können. Dies wäre das Ende meiner beruflichen Laufbahn gewesen."

Mosaed berichtete auch über die landesweite Proteste im Iran 2017/2018 Bild: picture-alliance/AP Photo

Im August 2020 fiel dann das Urteil: Wegen "Verstoßes gegen die nationale Sicherheit" und "Propaganda gegen das Regime" wurde er zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem wurde ihm im Anschluss daran ein zweijähriges Berufsverbot auferlegt. "Journalisten werden im Iran häufig mit solchen Strafen belangt", erzählt Mosaed. Er musste also handeln. Zu Fuß flüchtete er über die Grenze in die Türkei.

Mehrfacher Preisträger

Mohammad Mosaed erhielt für seine Arbeit als Journalist Auszeichnungen im Iran, außerdem den International Press Freedom Award des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) sowie den Freedom of Speech Award für freie Meinungsäußerung der Deutschen Welle. Nach diesen internationalen Auszeichnungen verhängten die iranischen Behörden ein Ausreiseverbot gegen ihn. Daher war es ihm nicht möglich, das Land legal zu verlassen. Er packte eine kleine Tasche, nahm etwas Geld mit und machte sich zu Fuß auf den Weg. Der Marsch war beschwerlich: Er überquerte Berge und Hügel, lief stundenlang durch eisiges Wetter, verirrte sich mehrmals. Als er schließlich in der Türkei ankam, war er körperlich so erschöpft, dass er die Beamten bat, ihn ins nächstgelegene Krankenhaus zu bringen.

Mit Tweets wie diesem protestierte Mohammad Mosaed wiederholt gegen die Sperrung des Internets durch staatliche Stellen im IranBild: Twitter.com/Mohammad Mosaed

Angst vor Abschiebung

Doch die Türkei wollte Mohammad Mosaed wieder abschieben, weil er illegal eingereist war. Mosaed versuchte, den Behörden sein Problem zu erklären. Doch die türkischen Beamten, mit denen er sprach, konnten weder Persisch noch Englisch. Schließlich rief er einen Freund an, der ihnen die Situation erklärte. Mit Hilfe verschiedener Journalistenorganisationen gelang es ihm schließlich, bei den türkischen Behörden einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Dennoch könnte er abgeschoben werden – eine Entscheidung in seinem Prozess steht noch aus. 

Nun befindet er sich in einer Wohnung in der Türkei; aus Sicherheitsgründen möchte er seinen Aufenthaltsort nicht nennen. Sein Anwalt habe ihm geraten, das Haus nicht zu verlassen und öffentliche Auftritte zu unterlassen, bis der Aufnahmeprozess abgeschlossen ist. Ein Freund bringt ihm regelmäßig Lebensmittel nach Hause. Mosaed ist sich jedoch bewusst, dass sein Leben so nicht weiter gehen kann. Mehrfach, so berichten Menschenrechtsorganisationen, seien geflohene iranische Journalisten bereits von iranischen Geheimdienstagenten gekidnappt und aus der Türkei wieder in den Iran zurückgebracht worden. "Ich habe Angst", sagt auch Mohammad Mosaed. Aus diesem Grund sucht er nach Wegen, in ein Drittland weiterzureisen. Ein Land, in dem er sich keine Sorgen mehr um seine Sicherheit machen muss.