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Gegen AfD: Proteste abseits der großen Demos

24. Januar 2024

Hunderttausende gehen derzeit gegen die in Teilen rechtsextreme AfD auf die Straße. Auch in der Gemeinde Eitorf in der Nähe von Köln protestieren Tausende. Dort zeigt sich im Kleinen, was Deutschland im Großen umtreibt.

Eitorf AfD-Veranstaltung und Gegendemo
Bunt und laut: Protest vor dem Bürgerzentrum EitorfBild: Peter Hille/DW

Am Bürgerzentrum von Eitorf kann man sie an diesem Abend treffen: Den AfD-Bundestagsabgeordneten, der Millionen von Ausländern aus Deutschland ausweisen will. Den Gegendemonstranten, der ein Wiedererstarken des Faschismus durch die in Teilen rechtsextreme AfD fürchtet. Und Ayfer Evmez. Genau vor ihrem Bürofenster stehen sich der AfD-Politiker und die Demonstranten gegenüber. 

Evmez hat ihr Fenster geöffnet, Marmorkuchen, Baklava und Kekse bereitgestellt. "Für die Demonstranten", sagt sie. Die 48-Jährige kam als Baby aus der Türkei nach Deutschland. Heute leitet sie einen Pflegedienst, der Alte und Kranke rund um das 20.000-Einwohner-Städtchen Eitorf ganz im Westen Deutschlands versorgt. "Mit 60 Mitarbeitern aus fast 15 Nationen", sagt sie.

Im Bürgerzentrum sprechen AfD-Abgeordnete und etwa 90 ihrer Anhänger an diesem 23. Januar über das, was sie "Remigration" nennen. Also darüber, Millionen Menschen aus Deutschland auszuweisen. Traurig findet das Evmez und unvernünftig. "Wir haben sowieso schon Schwierigkeiten, Personal zu finden. Und das, was wir haben, hat zum größten Teil Migrationshintergrund. Wenn das wegfällt, dann bricht das ganze System zusammen. Das ist nicht gut für unser Land."

Haben vom Fenster aus die AfD im Blick: Ayfer Evmez und ihr Mann Hayri vom Eitorfer PflegedienstBild: Peter Hille/DW

Evmez freut sich deshalb, dass die Zahl der Gegendemonstranten vor ihrem Fenster an diesem Abend wächst. Doch die kommen nicht durch zum bereitgestellten Gebäck. Denn vor Evmez' Büro stehen etwa zehn AfD-Anhänger und halten ein Banner in die Höhe. Und vor denen wiederum steht eine Kette von Polizisten mit weißen Helmen und schirmt sie ab vor hunderten Gegendemonstranten.

Man sieht bunte Lichterketten, Fahnen von der konservativen CDU bis hin zu linken Gruppierungen. Ein Mann mit grauem Bart schwenkt eine schwarze Flagge. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Er komme vom Land, aus einer Ecke, in der die Rechten stark seien. Warum er hier ist? "Weil wir ein ganz klares Zeichen gegen die AfD setzen wollen." Er habe schon in den 1990er Jahren gegen rechtsextreme Parteien demonstriert, die damals erstarkten. "Das ist für mich kein neues Phänomen", sagt er. "Aber ich habe den Eindruck, dass auch die bürgerlichen Kräfte jetzt merken, dass sie aufstehen müssen."

Protest in Eitorf: Bürgermeister Rainer Viehof (in der gelben Jacke) und Mitdemonstranten marschieren gegen die AfDBild: Ying Tang/NurPhoto/picture alliance

Diesen Eindruck bestätigt der Protestforscher Alexander Leistner von der Universität Leipzig. Zum einen hätten die hohen Umfragewerte der AfD viele Menschen mobilisiert, sagt er der DW am Telefon. Und zum anderen hätten die Recherchen der Plattform Correctiv über Vertreibungsideen von AfD-Politikern und Rechtsextremen bei einem Treffen in Potsdam viele Menschen wachgerüttelt. "Damit wurde ein Punkt überschritten, an dem viele realisiert haben, dass es nötig wird, zu sagen: "Das halten wir für gefährlich." 

Nachdem zunächst vor allem in den Großstädten demonstriert wurde, habe er nun viele Demonstrationen auch in kleineren Städten und Gemeinden beobachtet. "Darunter viele Familien, viele sehr alte Menschen. Viele, die sagen, dass sie schon sehr lange oder noch nie demonstriert haben." 

Leistner erwartet, dass die Demonstrationen über kurz oder lang abebben werden. "Aber es entstehen neue zivilgesellschaftliche Bündnisse, gerade in den Bundesländern, in denen Landtagswahlen anstehen, etwa in Thüringen." Leistner nennt als Beispiel die "Omas gegen Rechts", also Gruppen älterer Frauen, die sich oftmals gerade in kleineren Orten zusammenschlössen.

Lebt in Eitorf und will auch dort bleiben: Christa KurtidisBild: Peter Hille/DW

Auch in Eitorf ist ein bunt bemaltes Plakat der "Omas gegen Rechts" zu sehen. Davor marschiert Christa Kurtidis, 63 Jahre alt, am Bürgerzentrum vorbei. Sie lebt seit 50 Jahren in Deutschland, sagt sie. "Ich habe Angst, dass wir wegmüssen, wenn die AfD an die Macht kommt. Wir sind Doppelstaatler mit griechischer und deutscher Staatsangehörigkeit. Und wir haben eben keinen deutschen Hintergrund. Da kriege ich Gänsehaut. Ich bin in Griechenland fremd. Eitorf ist meine Heimat, ich bin hier zuhause."

Die Polizei schätzt, dass etwa 3000 Demonstranten bei Regen und ungemütlichen sechs Grad Celsius an diesem Abend durch Eitorf ziehen. Darunter der parteilose Bürgermeister Rainer Viehof. Er hat die AfD-Veranstaltung im Bürgerzentrum genehmigt – aus Gründen der Gleichbehandlung der politischen Parteien, sagt er der DW. "Als Bürgermeister bin ich froh, dass Eitorf aufsteht und sich ganz klar dagegen bekennt. Ich freue mich, dass all diese Menschen gekommen sind, um ein Zeichen zu setzen gegen Faschismus und gegen die AfD."

Deren Bundestagsabgeordneter Roger Beckamp kommt zwischenzeitlich mit einem Megaphon aus dem Bürgerzentrum und stellt sich vor den Gegendemonstranten auf. Doch was er sagt, geht unter in lauten Rufen.

Zurück hinter den Türen des Bürgerzentrums stellt Beckamp seine Partei als Opfer der Medien dar. "Dieser inszenierte, verzerrte Medienskandal, den wir gerade haben im Zusammenhang mit dieser Potsdamer Geschichte. Das ist natürlich nicht gut, weil es eben so verzerrt dargestellt wird und alle Medien drauf aufspringen." Die AfD wolle millionenfach abschieben. Aber niemanden, der einen deutschen Pass besitze. "Das ist völliger Unfug. Hat auch nie jemand gesagt." Es sei dennoch ein Erfolg für die AfD, dass der Begriff "Remigration" nun in aller Munde sei. "Das hätten wir nie im Leben geschafft, ihn so präsent zu machen, wie es jetzt durch diese Medienkampagne passiert ist." 

Mit Megaphon: Roger Beckamp von der AfDBild: Peter Hille/DW

Als die AfD-Anhänger und Gegendemonstranten vor ihrem Fenster abgezogen sind, atmet Ayfer Evmez vom Eitorfer Pflegedienst tief durch. "Zwischendurch war es beängstigend", sagt sie. "Aber ich fand gut, dass die Menge so laut war." So hätten die AfD-Politiker ihre Botschaft nicht verbreiten können. Was sie sonst noch so umtreibt an diesem Abend? Ihre Pflegekräfte sind noch unterwegs, in knallorangenen Autos fahren sie übers Land. "Wir haben gerade Spätschicht. Menschen müssen abends ins Bett gebracht werden, Diabetiker müssen noch Insulin gespritzt bekommen." Sie sei um jeden Mitarbeiter froh, der diesen Job mache. Ganz egal, woher er stamme.

AfD verbieten?

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