1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gegen die Geldvernichtung in China

Matthias von Hein10. Januar 2004

Der Riese China steht auf tönernen Füßen: Das Bankensystem gilt als marode. Jetzt hat die Regierung angekündigt, 100 Milliarden Dollar für die Sanierung der Banken aufzuwenden. Macht China jetzt ernst mit Reformen?

In Schräglage: Chinas BankenBild: AP

Vor rund einem Jahr hat China seine Führung um Staatspräsident Hu Jintao installiert. Und gleich zeigte sie Entschlossenheit, die Banken zum Topthema zu machen: Erstmals in der Geschichte der Volksrepublik wurde eine Bankenaufsicht nach westlichem Zuschnitt geschaffen: die China Banking Regulatory Commission. Präsident wurde der international hoch angesehene Liu Mingkang, bis dahin Präsident von Chinas größter Bank, der Bank of China.

Die Last der faulen Kredite

Liu Mingkang weiß um die Schwäche des chinesischen Bankensystems: Die faulen Kredite. Bei der Bank of China sollen sie sich offiziellen Zahlen zufolge auf über 22 Prozent der Kredite belaufen - womit sie keineswegs aus dem chinesischen Rahmen fällt. Bei den anderen drei großen chinesischen Banken - der Industrial and Commercial Bank of China, der China Construction Bank und der Agricultural Bank of China - sieht es nicht besser aus: Die Rate fauler Kredite soll insgesamt bei rund 21 Prozent liegen, was etwa 200 Milliarden US-Dollar entspricht.

Liu MingkangBild: AP

Das ist die offizielle Zahl. Ausländische Experten zeichnen ein deutlich schwärzeres Bild: Sie sprechen von 40 bis 50 Prozent unbedienter Kredite. Die dramatische Lage hat strukturelle Ursachen. Chinas Banken haben in der Vergangenheit nicht als gewinnorientierte Unternehmen gehandelt, sondern als Geld verwaltende Behörde - gebunden nicht an ökonomischen Sachverstand, sondern an die Anweisungen der Kommunistischen Partei.

Politische motivierter Geldfluss

Die Banken dienten vor allem der Finanzierung der Staatsbetriebe. Dass die meisten davon rote Zahlen schrieben, spielte keine Rolle. Die Banken galten wegen der politisch motivierten Kreditvergabe als nie versiegende Kapitalquelle. Dazu kam schlechtes Management sowie weit verbreitete Selbstbedienungsmentalität: Erst im Dezember 2003 ist Wang Xuebing, sieben Jahre lang Präsident der Bank of China und hochrangiges KP-Mitglied, zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Nicht weniger als 724 Millionen Dollar fehlten in den Büchern.

Jetzt aber scheint China ernst machen zu wollen mit einer Reform des Bankensektors. 45 Milliarden Dollar Devisenreserven sollen an zwei der vier großen staatlichen Banken transferiert werden. Am Mittwoch (7. Januar 2004) erklärte Chinas Bankenaufseher Liu Mingkang, China sei bereit, insgesamt 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen.

Griff in die volle Kasse

China kann sich das leisten, denn mit rund 450 Milliarden Dollar verfügt das Land über die zweitgrößten Devisenreserven der Welt. Mit dem Griff in die Kasse sollen zunächst die China Construction Bank und die Bank of China fit gemacht werden für die Börse. Chinas Banken müssen sich wappnen für die internationale Konkurrenz. Das betont auch Margot Schüller, Expertin für das chinesische Finanzsystem am Institut für Asienkunde in Hamburg: "Es gibt einen Zeitplan, der durch den Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahre 2001 festgelegt wurde", sagt die Expertin. "Bis Ende 2006 müssen sie international wettbewerbsfähig sein. Das heißt: Die Banken müssen kommerzialisiert werden."

Diese Kommerzialisierung kann nicht beim Zuschießen neuen Geldes aufhören. Immerhin hat China 1998 und 1999 die Banken bereits mit geschätzten 200 Milliarden Dollar entlastet. Aber solange die Kreditvergabe nicht wirtschaftlichen Kriterien folgt, sammeln sich rasch neue faule Kredite an. Doch schon Ende 2004 will die China Construction Bank den Schritt an die Börsen wagen, Anfang 2005 soll die Bank of China folgen. Damit diese Börsengänge ebenso erfolgreich werden wie im Dezember derjenige des größten Versicherers China Life, muss noch einiges geschehen, erläutert Margot Schüler. "Alles wird davon abhängen, ob die Staatsbanken eine Trendwende in ihrer Geschäftspolitik vollziehen - dass sie keine neuen, nicht-einbringlichen Kredite zulassen."

Herkulesaufgabe

Das durchzusetzen wird eine Herkulesaufgabe. Die Einführung von Aufsichtsgremien nach westlichem Vorbild innerhalb der Banken soll dabei helfen. Doch wird es Widerstand von denen geben, die bislang von der intransparenten Kreditvergabe profitiert haben. Kreditzuteilung nach wirtschaftlichen Kriterien bedeutet für viele der künstlich am Leben gehaltenen Staatsbetriebe das Aus - mit der Folge steigender Arbeitslosigkeit und der Gefahr wachsender sozialer Spannungen. Das jetzt dringend benötigtes Kapital für die florierende Privatwirtschaft zur Verfügung steht, dass bisher in den Staatsbetrieben vernichtet wurde, ist aber immerhin ein Hoffnungsschimmer am Horizont.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen